Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Ausstattungsmängel der Truppe
"Es ist falsch, die Bundeswehr schlecht zu reden"

Nach Ansicht des verteidigungspolitischen Sprecher der Unions-Fraktion, Henning Otte, hat die Trendwende bei der Ausstattung der Bundeswehr geklappt. Erfolge seien sichtbar, sagte Otte im Dlf. Das Material müsse den Soldaten aber schneller zur Verfügung stehen. Zudem müsse der Verteidigungsetat erhöht werden.

Henning Otte im Gespräch mit Christiane Kaess | 21.02.2018
    Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Henning Otte
    Politische wie auch gesellschaftspolitische Rückendeckung für die Soldatinnen und Soldaten forderte Henning Otte (CDU) im Dlf (picture alliance / Silas Stein/dpa)
    Christiane Kaess: U-Boote, die außer Betrieb sind, Flugzeuge, die nicht fliegen, oder fehlende Schutzwesten – die Bilanz des Wehrbeauftragten gestern in seinem Jahresbericht war verheerend, wieder einmal muss man sagen, denn seit Jahren gibt es Kritik an der Ausstattung der Bundeswehr, und es heißt, die Stimmung in der Truppe sei schlecht. Keine gute Zeit also für Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
    Darüber sprechen möchte ich mit Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
    Henning Otte: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Seit vier Jahren ist Ursula von der Leyen im Amt. Was hat sie falsch gemacht?
    Otte: Sie hat genau die richtigen Sachen entschieden, nämlich die Trendwende finanziell, materiell und personell einzuleiten, das heißt die Bundeswehr auszurichten auf die sicherheitspolitischen Veränderungen, und das war richtig. Das braucht allerdings Zeit.
    "Die Trendwende hat geklappt"
    Kaess: Wieso hat denn diese Trendwende nicht geklappt?
    Otte: Die Trendwende hat geklappt. Die Erfolge zeigen sich. Wir müssen aber insgesamt noch schneller werden. Das zeigt ja auch der neue Wehrbeauftragten-Bericht.
    Kaess: Herr Otte, was wir da gestern gehört haben – ich habe es gerade noch mal kurz angerissen -, hat Sie das nicht entsetzt?
    Otte: Wir kennen die Situation in der Bundeswehr genau. Ich halte es für falsch, die Bundeswehr schlecht zu reden. Sie hat enormes Vertrauen sich erarbeitet in den internationalen Einsätzen. Sie ist vielfach gefordert in der Bündnisverteidigung als auch in der Krisenprävention. Und jetzt geht es darum, den Soldatinnen und Soldaten noch schneller das notwendige Material zur Verfügung zu stellen.
    "Jetzt sagt Bartels, die Bundeswehr ist unterfinanziert"
    Kaess: Dennoch wissen wir, es sind gravierende Mängel da. Was werden Sie denn im Verteidigungsausschuss von der Verteidigungsministerin wissen wollen?
    Otte: Erst einmal beraten wir ja den Wehrbeauftragten-Bericht von Herrn Bartels, der selbst jahrelang Vorsitzender dieses Verteidigungsausschusses war. Er hat übrigens immer gefordert, nicht mehr Geld ist die Lösung, und jetzt sagt er, die Bundeswehr ist unterfinanziert. Wir werden mit Frau von der Leyen besprechen, welche Erfolge wir erwarten in der Umsetzung auch des kommenden Koalitionsvertrages. Dort ist geregelt worden, dass das Haushaltsrecht flexibler, die Vergabe angepasst und Entscheidungswege beschleunigt werden müssen. Das wird eines der wichtigen Themen sein.
    Kaess: Jetzt haben Sie den Koalitionsvertrag schon angesprochen. Man muss dazu sagen, sollte diese neue Große Koalition überhaupt zustande kommen. Angeblich ist es gesetzt, dass Ursula von der Leyen den Posten als Verteidigungsministerin behält. Sollte man das angesichts dieser verheerenden Bilanz noch mal überdenken?
    Otte: Es ist ja gerade die Verteidigungsministerin Frau Dr. von der Leyen gewesen, die die Trendwenden eingeleitet hat und die gesagt hat, die Bundeswehr braucht mehr Geld. Wer die Sicherheit Deutschlands stärken will, der muss auch bereit sein zu investieren. Das ist mit Frau von der Leyen verbunden. Jetzt gilt es, dass dieser Entscheidungsprozess umgesetzt wird, schneller umgesetzt wird, und diese Verantwortung wird sie wahrnehmen.
    "Wir müssen mehr Geld investieren"
    Kaess: Wenn ich Sie richtig verstehe, Sie glauben an diese Trendwende. – Dann lassen Sie uns, Herr Otte, noch ein bisschen tiefer nachgucken, was die Ursachen der Probleme jetzt gerade sind. Da wird auch immer wieder genannt die Reform von 2011. Das war damals noch in Verantwortung des damaligen Verteidigungsministers Thomas de Maizière, ebenfalls CDU. Tut die CDU dem Ministerium einfach nicht gut?
    Otte: Die CDU steht ein für die Soldatinnen und Soldaten. Die Unions-Fraktion CDU/CSU hat das immer sehr deutlich gemacht. Wir orientieren uns an der Sicherheitslage und deswegen sagen wir gerade ja in dieser Phase, übrigens als einzige Fraktion, dass wir mehr Geld investieren müssen, damit unsere Soldatinnen und Soldaten auch die richtige Schutzausrüstung bekommen und sie ihren Auftrag auch ausführen können.
    "Bundeswehr an die Sicherheitslage anpassen"
    Kaess: Über das Geld können wir gleich noch ein bisschen genauer sprechen. Lassen Sie mich noch mal bei diesen beiden Verteidigungsministern bleiben. Wenn wir jetzt solche Probleme haben und wir hatten eine Reform 2011, da ging es darum, die Bundeswehr auf mehr Auslandseinsätze vorzubereiten. Dann hat Ursula von der Leyen wieder andere Akzente gesetzt. Wer hat denn jetzt mehr Schuld an der Misere, Ursula von der Leyen oder ihr Vorgänger Thomas de Maizière?
    Otte: Es geht nicht um Schuld. Es geht darum, dass wir die Bundeswehr an die Sicherheitslage anpassen. Und es ist festgestellt worden, dass wir mehr Bündnisverteidigung auch leisten müssen. Die Politik in Russland hat sich durch die Annexion der Krim maßgeblich geändert. Darauf müssen wir uns ausrichten und gleichzeitig Krisenprävention durchführen in Mali, damit wir dort Stabilität erzeugen, in Afghanistan einen Beitrag leisten im Kampf gegen den IS. Fazit: Die Bundeswehr ist stark gefordert. Die Sicherheitslage hat sich nämlich geändert und darauf richten wir uns aus. Das ist ein Anpassungsprozess. Politik muss auch reagieren können.
    Ex-General Kujat sei mitverantwortlich für den Zustand der Bundeswehr
    Kaess: Aber nehmen Sie denn die Kritik, die ja jetzt auch von Leuten kommt zum Beispiel wie Harald Kujat, ehemaliger General und ehemaliger Generalinspekteur, nehmen Sie diese Kritik überhaupt nicht ernst? Harald Kujat, der hat uns gestern im Programm gesagt, Ursula von der Leyen betreibt eine Ankündigungspolitik.
    Otte: Ich habe gestern Ihr Interview gehört mit Herrn Kujat im Deutschlandfunk. Ich stelle fest, dass Herr Kujat maßgeblich Verantwortung getragen hat und selbst einen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Sicherheitspolitik nicht so gut aufgestellt ist. Jetzt müssen wir die Entscheidungen treffen, nicht zurückblicken, sondern nach vorne. Deswegen nehme ich das Interview von Herrn Kujat wahr. Aber jetzt sind Entscheidungsträger dran, die das Richtige durchführen.
    Kaess: Und wenn wir nach vorne blicken, Herr Otte. Da heißt es, dass angeblich nicht einmal die NATO-Verpflichtungen, 20 Prozent für Material auszugeben, eingehalten worden sind, und das hat ja der Wehrbeauftragte Bartels auch gestern bestätigt, weil er gesagt hat, die Bundeswehr kann auch die Aufgaben für die NATO-Allianz nicht oder nur unzureichend erfüllen. Wie soll denn Deutschland seinen Beitrag leisten zu der NATO-Eingreiftruppe? Die soll ja schon 2019 voll einsatzbereit sein.
    Otte: Erstens zeigt sich, dass es notwendig ist, mehr Geld zu investieren, der Bundeswehr mehr Geld auch zur Verfügung zu stellen. Zweitens haben Sie das Datum genannt: 2019.
    "Deutschland wird den Verpflichtungen nachkommen"
    Kaess: Das ist sehr bald.
    Otte: Dann muss eine Brigade die sogenannte Speerspitze stellen. Dafür ist jetzt ein Bedarfsplan erstellt worden, nennen Sie es eine Einkaufsliste. Die muss erfüllt werden. Deutschland wird den Verpflichtungen nachkommen und wird auch die Fähigkeiten für die NATO zur Verfügung stellen können.
    Kaess: Da sind Sie sich ganz sicher, dass das bis 2019 klappt?
    Otte: Da bin ich mir sicher, dass das klappt.
    Kaess: Jetzt ist ja die Frage, ob Geld die Lösung ist. Das hat zumindest Alexander Neu – das ist der Linken-Obmann im Verteidigungsausschuss – in Frage gestellt. Denn er sagt: Wenn ein jährlicher Verteidigungsetat von 40 Milliarden Euro nicht ausreicht, um die Bundeswehr einsatzfähig zu halten, dann hat entweder das Verteidigungsministerium bei der Planung und Kalkulation völlig versagt, oder man braucht schlichtweg einen Vorwand, mit dem man die stetige Erhöhung des Militäretats rechtfertigen könne.
    Otte: Ich freue mich, dass auch die Fraktion Die Linke sich für die Sicherheit Deutschlands interessiert. Die Linke ist die Fraktion, die aus der NATO austreten will.
    Kaess: Aber es geht jetzt darum, ob das Geld die Lösung tatsächlich ist.
    Otte: Ja, wir brauchen Geld, wir brauchen Fähigkeiten und wir brauchen auch eine politische wie auch gesellschaftspolitische Rückendeckung für unsere Soldatinnen und Soldaten, die einstehen für unser Land. Wir brauchen eine finanzielle Ausstattung, damit wir das notwendige Material auch beschaffen können. Modernisierung!
    "Politik muss Rahmenbedingungen setzen"
    Kaess: Und diese riesige Summe von 40 Milliarden Euro, die ist da immer noch nicht genug?
    Otte: Die ist nicht genug. Das zeigen ja gerade die Defizite. Wir hatten 1993 zirka 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Jetzt sind wir bei ungefähr 1,3. Wir streben zwei Prozent an. Das gibt einen Aufschrei in der linken Politik. Das kann es nicht sein. Sicherheit ist nicht alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts.
    Kaess: Es heißt ja, dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Verteidigungsministerin und den Soldaten erheblich gestört ist. Wie soll da diese Trendwende, von der wir jetzt in dem Interview gesprochen haben, noch erfolgreich vollzogen werden?
    Otte: Politik muss Rahmenbedingungen setzen. Die Bundesverteidigungsministerin hat deutlich gemacht, dass sie einsteht für eine Verbesserung der Ausstattung, für eine bessere finanzielle als auch personelle Untermauerung, für eine Attraktivität der Bundeswehr. Das alles ist auch mit der amtierenden Bundesverteidigungsministerin verbunden. Jetzt geht es darum, dass erst einmal der Koalitionsvertrag Zustimmung findet bei der SPD. Die SPD muss jetzt zeigen, dass sie einsteht für unser Land und Verantwortung trägt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.