Donnerstag, 28. März 2024

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Ausstellung "Die Stasi in der SED-Diktatur"
"Den Blick geweitet"

Die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin hat eine neue Dauerausstellung. Die Schau nehme neben der Stasi auch die SED und andere Machtinstrumente der Partei in den Blick, sagte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Mitgestalter Jörg Drieselmann im DLF. Denn die Stasi habe schließlich nicht im "luftleeren Raum" gehandelt.

Jörg Drieselmann im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 14.01.2015
    In einem Ausstellungsraum in der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Normannenstraße in Berlin sind am 14.01.2015 bei der Eröffnung der neuen Dauerausstellung «Staatssicherheit in der SED-Diktatur» Bilder und der Schriftzug "Stasi überall?" zu sehen.
    Stasi überall? Die neue Ausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin. (dpa/picture alliance/Claudia Kornmeier)
    Burkhard Müller-Ullrich: Vor 25 Jahren fing der geteilte Polithimmel plötzlich an, zusammenzuwachsen. Und bei aller Plötzlichkeit des Anfangs - die Sache dauerte fast ein ganzes Jahr. Die DDR bestand noch weiter in ihrer Staatlichkeit, auch die Stasi agierte noch in ihrer Zentrale, und sei es, indem sie hastig Akten vernichtete. Morgen vor 25 Jahren wurde diese Zentrale gestürmt. Jetzt ist sie ein Museum mit Gruselfaktor, obwohl die Gebäude rein äußerlich total nüchtern aussehen, ein ausgedehnter Bürokomplex in Berlin-Lichtenberg. Zum morgigen Jahrestag wird dort eine neue Ausstellung gezeigt und ich habe einen der Verantwortlichen, den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Jörg Drieselmann, gefragt, was denn nun das Neue daran ist. Worin besteht das Update?
    Jörg Drieselmann: Das Update besteht darin, dass der Blick geweitet worden ist. Über viele Jahre lang bestimmte ja die Diskussion über Stasi die Diskussion über die DDR. Das ist sicherlich zu einem Teil schon 1989/90 so gewollt gewesen, die Aufmerksamkeit wegzulenken von den wirklich Verantwortlichen in der SED hin zum Prügelknaben Staatssicherheitsdienst. Wir haben hier geupdatet und haben stärker als bisher sowohl die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands als auch andere Machtinstrumente dieser Partei in den Blick genommen, denn das Ministerium für Staatssicherheit arbeitete in der DDR ja nicht im luftleeren Raum.
    Müller-Ullrich: Das Ganze findet statt auf drei Etagen.
    Drieselmann: Ja.
    Müller-Ullrich: Und die vielleicht interessanteste für Leute, die so einen voyeuristischen Kick suchen, ist die zweite Etage, denn das war die, wo Erich Mielke, der Minister, der Chef der Stasi, residierte, und das ist auch noch tatsächlich originalgetreu erhalten.
    Drieselmann: Das ist so erhalten, wie es vorgefunden worden ist. Natürlich musste manches weggeräumt werden, was nicht, auch nicht mit modernsten Mitteln gegen Diebstahl zu sichern war. Wir haben nun die Mielke-Etage zusätzlich inhaltlich erschlossen, wie wir finden, auf sehr zurückhaltende Weise, denn das eine ist natürlich das, was man vorfindet, aber andererseits muss das, was man vorfindet, auch übersetzt werden. Man muss ein bisschen erklären, wer hat da gearbeitet, wie sahen die aus, die da gearbeitet haben, was haben die gemacht den lieben langen Tag, welchen Weg, welchen beruflichen Entwicklungsweg hatten sie hinter sich gebracht, bevor sie da auf irgendeinem Stuhl an einem Schreibtisch in der Ministeretage saßen - also etwa so.
    Erstmalig auch Schließ- und Dokumentationstechnik ausgestellt
    Müller-Ullrich: Das ist ja ein großer Erklärungsbedarf und ich habe es selbst schon erlebt, dass ständig Führungen stattfinden. Tafeln reichen im Grunde nicht?
    Drieselmann: Ich glaube, dass man sich im Klaren darüber sein muss, dass eine Ausstellung eine spezielle Art von Medium ist. Man läuft fehl, wenn man glaubt, man könnte mit einer Ausstellung die Welt erklären, sondern man muss immer bedenken, der Besucher kann auf eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Medien zurückgreifen, um sich die Informationen zusammenzusammeln. Und ich glaube, man muss sich dessen bewusst sein, dass eine Ausstellung ganz wesentlich auf das Originale, das Dreidimensionale setzen muss, nämlich auf das, was eine Ausstellung auszeichnet im Unterschied zu anderen Medien. Bücher können keine dreidimensionalen Objekte präsentieren.
    Müller-Ullrich: Und was kann man denn jetzt - anfassen vielleicht nicht - aber mit den Augen anfassen? Was sind die Schauobjekte, die das, was man, wie Sie sagen, tatsächlich eigentlich nur aus Geschichtsbüchern vermittelt bekommt, auch begreifen kann?
    Drieselmann: Man hat ja immer so persönliche Vorlieben. Meine Vorliebe ist ein neu hinzugekommener Raum zu sogenannten konspirativen Wohnungsdurchsuchungen durch das Ministerium für Staatssicherheit, das heimliche Eindringen in private Wohnräume, um dort Dokumente, Manuskripte zu dokumentieren, aufzunehmen, zu fotografieren, zu schauen, wie jemand lebt, ob es vielleicht Notizbücher gibt. Das ist ja mit hoher Professionalität vom Staatssicherheitsdienst organisiert worden. Dazu haben wir erstmalig und, wenn ich das richtig sehe, auch einmalig die dazu notwendige Technik ausgestellt, Schließtechnik, Dokumentationstechnik, wie sind die vorgegangen. Postkontrolle spielt natürlich eine Rolle. Das ist auch in der Art in einer Dauerausstellung etwas Besonderes. Und wir haben natürlich Dokumente als Faksimiles sowohl in Vitrinen als auch an den Wänden, die sehr deutlich machen, wie der Staatssicherheitsdienst gearbeitet hat.
    Müller-Ullrich: Eine der Sachen, die natürlich in dem Zusammenhang auch immer besondere Begeisterung bei Zuschauern hervorrufen, sind diese Schnüffelgläser, wo Geruchsproben gesammelt wurden von Leuten, die man vielleicht dann mal mit Hunden verfolgen wollte.
    Drieselmann: Geruchsproben spielen natürlich immer eine große Rolle. Das versteht sich ja von selbst, dass man einerseits den Besucher auch bei seinen Erwartungen und Vorurteilen abholen muss und natürlich ein ganz klein wenig auch seine Erwartungen bedienen muss, denn man lässt sich gern auf etwas ein, was man bereits kennt. Dann ist es eben möglich, tatsächlich auch anderes, Neues hinzuzupräsentieren, also natürlich klar: Geruchsproben - das kennt man aus dem Fernsehen - muss man auch mal in echt gesehen haben und erklärt kriegen, wie so was funktioniert hat.
    Müller-Ullrich: Sagt Jörg Drieselmann vom Berliner Stasi-Museum über die neue Ausstellung, die morgen eröffnet wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.