Sonntag, 28. April 2024

Archiv

Ausstellung
Gesamtkunstwerk in Roskow

"Rohkunstbau" heißt eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst im unrenovierten Barockschlösschen Roskow in Brandenburg. In diesem Jahr lautet das Thema "Revolution". Und das, obwohl der Kurator der Ausstellung selbst sagt: "Egal, was wir für Revolution halten, es stimmt nicht."

Von Gerd Brendel | 04.07.2014
    Die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau" auf Schloss Roskow (Brandenburg) im Jahr 2013.
    Die Eröffnung der Ausstellung "Rohkunstbau" auf Schloss Roskow (Brandenburg) im Jahr 2013. (picture alliance / dpa / Foto: Bernd Settnik)
    "Egal, was wir für Revolution halten, es stimmt nicht."
    Kurator Mark Gisbourne steht im Gartensaal von Schloss Roskow. Und erklärt, was er mit der Ausstellung nicht meint:
    "Früher war eine Revolution eine Massenbewegung von Leuten, die sich mit einer Idee identifizieren. Aber das macht heute niemand mehr, wir leben in einer Welt aus Fragmenten. "
    Das barocke Landschloss hat selbst hat einige Umsturzversuche und Revolutionen erlebt, angefangen mit der persönlichen Revolte des berühmtesten Familienmitglieds: Herman von Katte, der mit seinem Freund, dem preußischen Kronprinzen und späteren König Friedrich II., aus Preußen fliehen wollte, und dafür hingerichtet wurde. Nach dem Krieg kam die Enteignung und der Umbau zur Schule.
    "Wie alle Schlösser ist auch dieses ein Palimpsest, einer der Texte, die immer wieder überschrieben wurden und deren verborgene Schichten nur mit Röntgenstrahlen entziffert werden können."
    Auf den ersten Blick wenig Neues
    Die großen historischen Revolutionen sucht man in der Ausstellung allerdings vergebens. Immerhin, die New Yorker Occupy-now-Bewegung taucht auf, in großen Tableaus von Eric Schmidt:
    "War zu dem Zeitpunkt zufällig in New York. Und dann hab ich das so miterlebt von Anfang bis Ende, hab das fotografiert. Ist ja so ein bisschen wie ein Historienbild."
    Abgemalt von Fotos erinnern die Werke an expressionistische Farbexplosionen und Leipziger Schule ohne Pathos.
    "Weil das auch wie ein Theater war. Das war so eine Szenerie, die an einem vorbeizog, für einen Maler, der figürlich malt, ist das fantastisch, kann ich gar nicht inszenieren."
    Nebenan bezieht Nevin Aladag das Revolutions-Thema auf Geschlechterrollen: In der Mitte ein merkwürdiges Zwitter-Werkzeug: ein typisch proletarischer Hammer mit einem Kopf in Form einer Stiletto-Spitze. Der Fetisch-Schuh als Macht-Instrument. Das zeigen auch die Rechtecke aus Blech an der Wand: Sie sind übersät mit Absatzspuren. Auf den Täfelchen darunter stehen Musiktitel.
    "Und diese Abdrücke sind quasi wie so Zeichnungen dieses Tanzes. Da hab ich tatsächlich drauf getanzt."
    Daneben steht ein Paravent aus Flicken: Teppichfetzen neben Auslegware zu einem konstruktivistischen Muster vereint. Nevin Aladag, die selbst wie auf einem Flickenteppich zwischen Techniken und Materialien hin und her fliegt, und als Berlinerin, gebürtige Türkin aus Württemberg, Länder und Identitätsgrenzen längst hinter sich gelassen hat. Verkörpert sie das, was Kurator Gisbourne revolutionäre Praxis nennt?
    Die Revolution in der Kunst
    Gisbourne geht es nicht nur um den gesellschaftlichen Prozess, sondern um die Revolution in der Kunst. Im Katalog zitiert er Wagners Aufsatz "Die Kunst und die Revolution". Aber genauso wenig, wie es die eine politische Avantgarde gibt, existiert die einheitliche Kunst- Avantgarde. Radikal Neues gibt es in Roskow trotzdem zu sehen.
    Allerdings erst auf den zweiten Blick, denn erst beim genauen Hinsehen entpuppen sich die abstrakten Bilder von Ion Surr als belebte Bildflächen. Dank hochsensibler Radartechnik verändert jeder Betrachter mit seinen Bewegungen die Komposition der abstrakten Ovale und Kreise. Taschenspielertrick oder die nächste Stufe interaktiver Kunst? Wenn jetzt noch die kahlen Wände des barocken Baus die Albträume, die Tag und Wunschträume der ehemaligen Bewohner preisgeben würden und die Geschichten der Kinder, die hier die Schulbank drückten: Es wäre das perfekte Wagnerische Gesamtkunstwerk. Aber die Wände schweigen. Draußen im Garten warten Kaffee und Kuchen und die brandenburgischen Seen.
    Die Ausstellung Rohkunstbau im Kulturschloss Roskow ist noch bis zum 21. September 2014 geöffnet.