Donnerstag, 28. März 2024

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Ausstellung
Hanna Schygulla als Videokünstlerin

Sie war das Gesicht in den Filmen Rainer Werner Fassbinders. Hanna Schygullas Stern sank nach dem Tod des Regisseurs, sie zog sich nach Paris zurück. 33 Jahre später lässt sie sich nun in Berlin nieder. Die Akademie der Künste empfängt die 70-Jährige mit einer Ausstellung ihrer Videoarbeiten.

Von Kirsten Liese | 01.02.2014
    Die Angst ist allgegenwärtig in den Videoarbeiten Hanna Schygullas, in ihren Traumfahrten, Landschaften und Selbstinszenierungen. Ganz mit sich allein, die Kamera stets auf ihr Gesicht oder ihren bisweilen entblößten Körper gerichtet, erlebt sie sich als Fliehende, Versagerin oder unheilvoll Bedrohte. Die meisten dieser in der Berliner Akademie der Künste ausgestellten ein- bis siebenminütigen neun Traumprotokolle entstanden 1979 in einer Phase, in der die Schauspielerin Schygulla kreativ werden wollte und sich von ihrer Rolle als bloße Darstellerin emanzipierte.
    Ihr Regisseur Fassbinder hatte ihr zwar ein partnerschaftliches Filmprojekt in Aussicht gestellt, das aber nahm keine Gestalt an. Beerdigen wollte Hanna Schygulla ihre Ambitionen nach dieser Enttäuschung nicht. Und so suchte sie nach einem anderen Ventil für ihr schöpferisches Potenzial: "Weil diese ganzen Energien schon aufgewühlt waren und die Vorfreude, auch endlich mal selber, so richtig kreativ zu sein.
    Ich wollte mal mich selber erleben, wie ich bin, wenn mir nicht jemand sagt, dass ich das so und so ausdrücken soll. Und das hat mich dann auch sehr erstaunt, was dabei herausgekommen ist."
    Im Gegensatz zu ihrer Kollegin Margarethe von Trotta, die sich aus ähnlichen Motiven von Volker Schlöndorff trennte und fortan eigene Kinofilme realisierte, strebte Schygulla jedoch keine Karriere als Regisseurin an. Sie experimentierte vielmehr im Verborgenen für sich allein. Eine leicht zu bedienende Videokamera reichte dafür völlig aus: "Ich liebe die Freiheit darin und eben auch im Ausdruck dieses Unfertige, auch Schnelle, die ars povera nennt man das, also die arme Kunst, also auch ohne viel Geld kann man sehr schöne Sachen machen."
    Inspirieren ließ sich Hanna Schygulla nicht nur von Fassbinders Ästhetik, sondern auch von ihrer Theaterarbeit mit George Tabori: "Der es in seinen Workshops auch sehr gefördert hat, dass man eine Sache so angeht, dass man eigentlich noch nicht genau weiß, was dabei herauskommt. Du hast diesen Text und jetzt spiel ihn einmal so voller Freude und spiel ihn einmal so als hättest du eben eine Katastrophe erlebt und spiel ihn einmal betrunken und spiel ihn einmal geistesabwesend."
    Zeugnisse eines Befreiungsschlags
    Das trifft auch auf die beiden späteren Arbeiten „Traumtunnel“ und „Hanna Hannah“ aus den Jahren 2005 und 2006 zu, die die Serie aus den 1970er Jahren mit aufschlussreichen, privaten Details sinnvoll ergänzen. Das Berliner Holocaust-Denkmal, in dessen offenem Labyrinth sich die Videofilmerin auf Spurensuche begibt, rührt offenbar ein Stück weit auch an ihre eigene Geschichte: Hanna Schygulla wurde in der Nähe von Auschwitz geboren und von ihrer Mutter nach einer jüdischen Namensschwester benannt.
    In Schwarzweiß, untersetzt nur mit einigen wenigen Sequenzen in Farbe, visualisiert Hanna Schygulla ihre Impressionen, in denen sich tiefenpsychologische Abgründe auftun, von denen bisweilen aber auch etwas Beruhigendes ausgeht.
    Unterschwellig und doch unübersehbar reibt sich Hanna Schygulla in ihren Studien auch an Projekten von Fassbinder und beleuchtet ihr ambivalentes Verhältnis zu ihm als Regisseur. Die Dreharbeiten zu dem Film „Die dritte Generation“ inspirierten sie etwa zu einem sechsminütigen Beitrag über die erste Generation der RAF, in der sich die Videokünstlerin als Star-Terroristin inszeniert. In dem Film „Kino Traum“ geht Hanna Schygulla am stärksten auf Distanz zu Fassbinder: "Das ist der Film, wo ich für einen Film mein Leben lassen soll. Ich hab am Anfang nur mit Fassbinder gearbeitet. Und nicht, dass er mich dazu aufgefordert hätte, aber das war schon so eine Angst, ich bin ja auch freiwillig nach „Effi Briest“ von ihm weg, weil ich so nicht mehr mochte auf der Leinwand, dabei war ich ganz toll in dem Film, aber diese Erstarrung – für mich war immer wichtig, dass das Leben Priorität bekommt."
    In ihren "Traumprotokollen", in denen sie auf fantasievolle Weise auch visuell experimentiert, löste sich Hanna Schygulla aus dieser Erstarrung. Die neun in Berlin exponierten Videofilme haben zwar nach mehrfacher Bearbeitung in der Tonqualität sehr gelitten, faszinieren gleichwohl aber als allemal entdeckenswerte Zeugnisse eines Befreiungsschlags.