Archiv

Ausstellung "Homebase"
Blick in fremde Zimmer

Schon immer hat der Mensch gerne in fremde Zimmer geschaut, der eigentlich vor neugierigen Blicken geschützt sein sollte. Jetzt untersucht die Ausstellung "Homebase" in der Nürnberger Kunsthalle noch bis zum 21. Februar, wie die eigenen vier Wände, in der Gegenwartskunst behandelt werden: In einer Zeit, in der das Private zunehmend verschwindet.

Von Thomas Senne |
    Ein lang gestreckter Hausflur mit einem roten, von Farbspritzern übersäten Läufer – der Eingang zur Nürnberger Ausstellung wirkt wie eine heruntergekommene Altbauwohnung, die gerade renoviert wird. Irgendwo im Hintergrund dudelt Musik. Der Weg führt vorbei anabgespachtelten, zum Teil mit Aufklebern versehenen Türen und Steckdosen. An den Wänden hängen Bleistiftzeichnungen: ein Frauenakt und ein Hundeporträt. Der Clou: Fast das gesamte Interieur besteht aus Imitaten.
    Mitten in dieser Installation "3 Zimmer, Küche, Diele, Bad" werkelt der Künstler Franz Burkhardt mit einem Staubsauger herum und wirkt dabei irgendwie glücklich.
    "Das ist ja nicht nach einer Vorlage gemacht, sondern das entsteht während des Arbeitens. Das sind dann bei mir auch eindeutige Erinnerungen, Anfang des Studiums - keine Ahnung. Diese ganzen Sticker, Aufkleber - das ist ja auch inszeniert, ne. Solche schönen Altbauwohnungen, die wird' s heutzutage wahrscheinlich gar nicht mehr geben, auch nicht mehr in Berlin. Es hat auch damit vielleicht sogar was zu tun."
    Rückzug ins Private
    Subtile Gesellschaftskritik - Kritik an Mietwucher und Immobilienhaien also. Die Ausstellung zeigt völlig verschiedene Positionen zum Thema Wohnen - Fotos, Installationen und Bilder. Etwas augenzwinkernd: die fotografischen Stillleben von Jörg Sasse. Er hat Waschbecken, Kacheln oder billige Vasen abgelichtet: Alltagskitsch, wie er in zahllosen Wohnungen zu finden ist. Die sind vor allem eines - Psychogramme ihrer Bewohner.
    "Zunächst mal war für uns tatsächlich interessant, dass wir festgestellt haben, dass das Thema Interieur, was wir eigentlich dann doch eher mit vergangenen Zeiten vielleicht assoziieren, in der Gegenwartskunst wieder sehr präsent ist. Und das hat - glaube ich - damit zu tun, dass tatsächlich auch grundsätzlich das Wohnen in unserer Gesellschaft plötzlich wieder extrem in den Fokus gerückt ist. Also wir erleben eigentlich gerade eine Renaissance des Wohnens."
    Digitalisierung und globale Überwachung
    Erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Harriet Zilch. Dieser Rückzug ins Private, in die eigenen vier Wände, angesichts einer zunehmend bedrohlicher werdenden Außenwelt ist für die Künstlerin Patricia Lambertus Anlass für beißenden Spott. Während sie eine am Computer gerierte Tapete präsentiert – ein surrealer Mix aus barockem Jagdzimmer, pompejanischen Wandmalereien und Figuren aus dem Film "Planet der Affen" -, überrascht Andreas Schulze mit Arrangements von spießbürgerlichen Wohnlandschaften inklusive Alpenveilchen und gemalten Ziegelwänden: Neodadaismus pur.
    "Teilweise ist das Interieur das Medium, wo man private Erinnerungen reflektiert. Teilweise – das ist sicherlich in vielen Arbeiten der Fall - kann man natürlich über das Interieur auch ganz viel erzählen, wie unsere Gesellschaft zusammenlebt, was sie prägt."
    Durch Digitalisierung und globale Überwachung verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem. Weiße, ineinander verschachtelte Paravents mit ausgeschnittenen Fenstern von Zilla Leutenegger machen das deutlich: dünne Wände, ein steriles Labyrinth ohne Intimsphäre, beschallt von bedrohlichem Sounddesign aus dem Off.
    Erfreulich, dass diese trendige Schau häufig auch politisch ist. So erinnert eine beschädigte Luftmatratze, die per Schaltautomatik immer wieder aufgeblasen wird, an das Schicksal von Flüchtlingen. In einer anderen Arbeit hat Marjetica Potrc aus Ziegelsteinen und Kunststoff eine Minimalbehausung eines südafrikanischen Slums nachgebaut - 2 mal 2 mal 3 Meter. Was der Mensch jenseits von Kitsch und Luxus zum Überleben wirklich braucht, wird so auf erschreckende Weise deutlich.