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Ausstellung im Grand Palais Paris
Der Garten als Ort der Freiheit

Wurzeln, Gräser, Blätter, Blüten: Eine große Ausstellung vergegenwärtigt alles, was einen Garten ausmacht und zeigt Werke von Dürer bis Picasso. "Wir möchten mit dieser Ausstellung zeigen, dass Gärten eine Form der Kunst sind", sagt Coline Zellal, die "Jardins" im Pariser Grand Palais kuratiert hat.

Von Jürgen König | 18.03.2017
    Besucher laufen durch die Gärten der Schlossanlage von Versailles am Stadtrand von Paris, aufgenommen am 12.09.2008.
    Erst durch die weiträumigen, opulent und raffiniert angelegten Gärten, war das Schloss als Ausdruck königlicher Herrschaft vollkommen. (dpa/ picture alliance / Waltraud Grubitzsch)
    Mit dem Garten Eden fing alles an, die Freiheit darin war grenzenlos – und der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Nur als Erinnerung, von Gemälden und Fotos zitiert, taucht der Paradiesgarten in der Ausstellung auf, die Vorstellung paradiesischer Zustände blieb sehr lebendig: bei Malern, Fotografen, Gartenarchitekten, Landschaftsgestaltern.
    "Der Garten ist das kleinste Stück Land der Welt, und doch ist die ganze Welt darin enthalten." Dieser Satz von Michel Foucault ziert eine Wand gleich zu Beginn des Spaziergangs durch die Ausstellung, als solcher, als chronologische Promenade, ist der Weg des Besuchers angelegt. Der zeitliche Rahmen reicht von der Renaissance bis in die Gegenwart, der geografische umfasst Frankreich und Westeuropa - doch wird der Parcours immer wieder durchbrochen.
    Vieldeutige Fantasien
    Der realen Welt der Pflanzen wird die künstlerische Welt historischer Gärten und dieser wiederum die der imaginierten, herbeigeträumten Gärten gegenübergestellt – alles wird mit allem vermischt: Wer in der Ausstellung nur eine Geschichte der Gartenbaukunst erwartet, wird Teile davon auch finden, doch reicher beschenkt wird, wer sich einlässt auf die vieldeutigen Fantasien der Ausstellungsmacher und der beteiligten Künstler, die dem Alten das Neue gegenüberstellen, der Kunst die Wissenschaft, dem Historischen das Poetische. Kuratorin Coline Zellal:
    "Wir möchten mit dieser Ausstellung zeigen, dass Gärten eine Form der Kunst sind, ein kulturelles Erbe, das wir haben und das wir schützen müssen. Was schwer ist, denn Gärten sind vergänglich, und wie! Und wir haben so viele historische Gärten, in Frankreich, in ganz Europa!"
    Alles, was einen Garten ausmacht, wird in der Ausstellung vergegenwärtigt: natürliches zunächst - Wurzeln, Gräser, Blätter, Blüten, etwa 1769 von Jean-Jacques Rousseau in einem Buch zusammengepresst und getrocknet. Geradezu andachtsvoll stehen die Besucher davor, bewundern die Akribie des Monsieur Rousseau, bewundern auch, dass die Blüten ihre Farbe noch nicht ganz verloren haben. Dann die Kunst: von Albrecht Dürer aquarellierte Kräuterbüschel, ein von Gerhart Richter in Öl festgehaltener Sommertag. Fotos von Anna Atkins bis zu Wolfgang Tillmans, Videos, Filme, Skulpturen, Schmuck, Installationen aus Pflanzen, Licht, Wasser, Erde. Die Installation "Terre de Loire" des Japaners Koichi Kurita etwa, der die Loire von der Quelle bis zur Mündung entlanggereist ist, von ihren Ufern Erde mitgenommen und daraus eine "Erd-Bibliothek" gemacht hat: Auf japanischem Papier vierhundert Erdproben – keine gleicht der anderen, fein-abgestuft Braun-, Rot-, Grau- und Schwarztöne.
    Der Garten - als Ort der Freude und des Glücks
    Wie sehr zu einem Schloss ein Garten gehört, zeigen historische Stadt- und Gartenpläne, Gemäldeansichten aus der Vogelperspektive. Erst durch die weiträumigen, opulent und raffiniert angelegten Gärten, wie sie etwa André Le Nôtre entwarf, der Gartenarchitekt Ludwigs XIV, – erst durch sie war das Schloss als Ausdruck königlicher Herrschaft vollkommen. Zum Ort der reinen Machtausübung fügte der höfische Garten einen Ort der Ausgelassenheit und der Freiheit hinzu: mit großen Terrassen für Bankette und Feste, mit künstlichen Seen für Bootsfahrten und verschwiegene Unterhaltungen, mit gepflanzten Labyrinthen, ideal für amouröse Abenteuer und erotische Vergnügungen. 1716 malte Antoine Watteau eine Parkszene, in der die Umrisse wie die Farben der Kleider der Damen und der Fräcke der Herren mit denen des Gartens und seiner Wiesen, Blumen und Bäume verschmelzen, ununterscheidbar werden – als würden sie ganz in der Natur aufgehen. Den Malern des 19. Jahrhunderts ist der Garten immer noch noch ein Ort der Freude und des Glücks, hingetupft Blüten über Blüten – doch wird der bürgerliche Garten allmählich immer weniger ein Ort der Freiheit als vielmehr einer des Rückzugs, der Ungestörtheit bietet und Schutz. Der Garten von Jean-Michel Othoniel, eine azurblaue Grotte aus Glassteinen, eigens für diese Ausstellung geschaffen, geht noch einen Schritt weiter.
    "Das ist wie ein kleines Zimmer, mit einem Blau wie am Mittelmeer; ich habe das Glas mit Kupferoxid gefärbt, das wird im Garten sehr oft verwendet. Und man soll sich wirklich, als wäre man allein in einer Grotte, es gibt Wasser, auch einen kleinen Springbrunnen. Das alles nicht, um die großen Freiheiten auszuleben, sondern um zu sich zu kommen: Diese Idee des Intimen ist für mich sehr wichtig, der Meditation. Das könnte ein zeitgenössischer Garten sein."
    In charmanter Unaufdringlichkeit erinnert die Ausstellung den Besucher daran, dass Gärten nichts Natürliches haben, sondern immer Ausdruck eines Denkens sind, der Verbindung des Natürlichen und des Kulturellen. Im Reich des Denkens ist die Freiheit nach wie vor grenzenlos - und wenn man dazu noch einen Garten aufsucht… Auch Cicero wird in der Ausstellung zitiert: "Wenn Du eine Bibliothek hast und einen Garten, hast Du alles, was man braucht."
    Die Ausstellung "Jardins" ist bis zum 24. Juni 2017 im Grand Palais in Paris zu sehen.