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Ausstellung im Louvre-Lens
Liebestrunken und kunstselig - wie Madame Pompadour

Madame Pompadour war die stilsichere und lebensfreudige Mätresse Ludwigs XV. Der Louvre-Lens setzt sie und ihre Zeit in Szene und präsentiert neckische und farbenfrohe Kunst und Kleidung. "Springt, tanzt, küsst, wen immer ihr wollt" heißt die Ausstellung passenderweise.

Von Kathrin Hondl | 23.12.2015
    Zeitgenössische Darstellung von Jeanne Antoinette Poisson, der Marquise de Pompadour, Mätresse von König Ludwig XV, nach einem Gemälde von Boucher. Sie wurde am 29. Dezember 1721 in Paris geboren und verstarb am 14. April 1764 in Versailles.
    Zeitgenössische Darstellung von Jeanne Antoinette Poisson, der Marquise de Pompadour, Mätresse von König Ludwig XV, nach einem Gemälde von Boucher. Sie wurde am 29. Dezember 1721 in Paris geboren und verstarb am 14. April 1764 in Versailles. (picture alliance/ dpa)
    Kunst statt Kohle -das war die Idee, als vor drei Jahren im nordfranzösischen Lens der altehrwürdige Louvre ein neues Museum eröffnete. Der Louvre-Lens, erbaut auf den stillgelegten Kohleminen, soll dem von Arbeits- und Perspektivlosigkeit gebeutelten Städtchen neue Chancen und Hoffnung geben - nach dem Vorbild des berühmten Bilbao-Effekts. Zum dritten Geburtstag gönnt der Louvre-Lens sich und seinen BesucherInnen jetzt eine Ausstellung, die die graue Gegenwart im Norden Frankreichs mit der lebensfreudigen Kunst des 18. Jahrhunderts erhellt: "Dansez, embrassez qui vous voudrez ..." heißt die Schau über "Feste und Liebesfreuden zur Zeit der Madame de Pompadour"...
    "Springt, tanzt, küsst, wen immer ihr wollt"... Madame de Pompadour soll dieses anspielungsreiche Liedchen an Weihnachten des Jahres 1753 gedichtet haben. Gesungen von Museumsbesuchern - eine Aufnahme aus dem vergangenen Herbst - eröffnet das Chanson jetzt die Ausstellung im Louvre Lens.
    Den visuellen Auftakt macht ein berühmtes Bild von Antoine Watteau: "Die Einschiffung nach Kythera". Kythera galt im 18. Jahrhundert als Insel der Liebe. Der Soziologe Norbert Elias ging in seiner Deutung des Gemäldes noch weiter. Er sah die Insel als "Symbol einer imaginären Kultstätte der Liebe" und Watteaus Pilgerfahrt als eine "säkulare Gesellschaftsutopie": Zu sehen sind turtelnde Männer und Frauen, Aristokraten genauso wie einfache Leute, die in fröhlich-friedlicher Freiheit und Gleichheit zur Liebesinsel pilgern. Eine "fête galante", ein Aufbruch in die Leichtigkeit des Seins à la française.
    "Diese französische Lebenslust prägt auch heute noch unser Selbstverständnis", meint Kurator Xavier Salmon. "Eine gewisse, manchmal auch schuldhafte Sorglosigkeit ist charakteristisch für unsere Nation, und sie zeigte sich sowohl im Verhalten als auch in der Kunst."
    Werke aus ganz Europa zu sehen
    Eine Kunst, die mit Schäferidyllen und "galanten Festen" im 18. Jahrhundert ganz Europa faszinierte. Und so zeigt die Ausstellung im Louvre-Lens nicht nur die in Frankreich bestens bekannten Bilder von Watteau, Boucher oder Lancret, sondern auch Werke aus dem übrigen Europa. Ob in Wien, Prag oder an den Fürstenhöfen der deutschen Kleinstaaten: Der europäische Traum hieß damals Versailles. Man sprach französisch und dekorierte das Ambiente mit "fêtes galantes"-Gemälden, gemalt auch von heimischen Künstlern wie Christian Wilhelm Ernst Dietrich in Sachsen, Norbert Grund in Prag oder Johann Matthias Jansen in Potsdam.
    Dass sich deren französische Vorbilder wie ein Virus in Europa verbreiten konnten, ist vor allem dem Recueil Jullienne zu verdanken, einer in vier Buchbänden veröffentlichten Sammlung mit Hunderten von Radierungen nach Motiven von Antoine Watteau. Seine "fêtes galantes" inspirierten auch die Porzellanmacher in Meissen.
    "Die Meissener Manufaktur war die erste, die nach den Radierungen des Recueil Jullienne ihr Porzellan mit Figuren von Watteau dekorierte und damit den europäischen Markt überschwemmte. Die Pariser Manufakturen zogen dann nach."
    Die Leichtigkeit des Seins
    Und so wurde überall in Europa die Leichtigkeit des Seins der Schäferidyllen und flirtenden Pärchen zelebriert: Auf Tassen und Tellern, Krügen und Vasen, und sogar auf einem Gemälde des später sehr viel düsterer malenden Spaniers Francisco de Goya - "Die Schaukel" von 1779 aus dem Prado ist eines der Prachtstücke der Ausstellung im Louvre-Lens.
    "Es war ein Moment der Verbundenheit in ganz Europa rund um dieses Thema. Es war eine relativ friedliche Epoche, die allerdings auch Kriegszeiten kannte. Aber letztlich war es die Kunst, die die Völker zusammenführte, man fand Gefallen an den gleichen Themen, Dingen und Künstlern. An der Liebe und am Tanz."
    Von solch liebestrunkener und kunstseliger Einheit ist das heutige Europa bekanntlich weiter entfernt denn je. Das nationalistische und fremdenfeindliche Kontrastprogramm zur schönen Louvre-Ausstellung fand in Lens gerade direkt vor den Museumstüren statt: Marine Le Pen, die Chefin des Front National, landete in der ersten Runde der Regionalwahlen auf dem ersten Platz. Nur durch den Rückzug der bisher in Frankreichs Norden regierenden Sozialisten konnte ein Wahlsieg der Rechtsextremen verhindert werden. Aber auch jenseits der aktuellen politischen Malaise vermittelte schon Watteau mit seinen turtelnden Pilgern auf dem Weg zur Insel Kythera die melancholische Einsicht, dass der Ort des kollektiven Liebesglücks leider nicht von dieser Welt ist.