
Burkhard Müller-Ullrich: Gemacht hatte diesen Fund 1899 der Kölner Bankierssohn Max Freiherr von Oppenheim, zu einer Zeit, als Orientreisen in waren; der berühmte Orient-Express zum Beispiel fuhr seit 1883.
Ulrike Dubiel ist die Kuratorin dieser Ausstellung in Bonn. Frau Dubiel, die Begeisterung für den orientalischen Exotismus wurde ja von vielen geteilt, aber dann an Ort und Stelle anfangen zu graben, das ist ja noch mal was anderes – und Oppenheim war Amateur, er hatte keine wissenschaftliche Ausbildung, aber er hatte ein Riesenglück, diesen Schatz zu finden...
Ulrike Dubiel ist die Kuratorin dieser Ausstellung in Bonn. Frau Dubiel, die Begeisterung für den orientalischen Exotismus wurde ja von vielen geteilt, aber dann an Ort und Stelle anfangen zu graben, das ist ja noch mal was anderes – und Oppenheim war Amateur, er hatte keine wissenschaftliche Ausbildung, aber er hatte ein Riesenglück, diesen Schatz zu finden...
Ulrike Dubiel: Max von Oppenheim war universell interessiert und er entsprach ganz dem Humboldt'schen Bildungsideal. Er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes für Land und Leute ganz, ganz breit interessiert, von der Gegenwart bis in die fernste Vergangenheit. Und bei einer Forschungsreise hat er den Tell Halaf entdeckt, hat dort ein paar Probegrabungen angelegt und ist sofort auf monumentale Bildwerke gestoßen, und dieser Fund, dieser wirkliche Glücksfund, der hat ihn dann dazu bewogen, sich auf die Archäologie zu konzentrieren.
Burkhard Müller-Ullrich: Und was hat er mit dem Fund zunächst gemacht?
Ulrike Dubiel: Mit dem Osmanischen Reich konnte er keine Fundteilung aushandeln. Das ging dann erst 1927, als er dann mit der französischen Mandatsverwaltung Syriens über diese Fundteilung verhandeln konnte.
"Ein großes 3D-Puzzle"
Burkhard Müller-Ullrich: Da wurden aber große Teile davon schon beschädigt, während des Ersten Weltkrieges.
Ulrike Dubiel: Sagen wir mal so: Diese Zerstörungsgeschichte der Skulpturen geht weit, weit zurück. Die geht zurück in die Antike. Dann hat Max von Oppenheim sie gefunden, dann wurden sie wieder zerstört, dann hat er sie per Fundteilung mit nach Deutschland bekommen und da wurden sie dann im zweiten Weltkrieg fürchterlich zerstört. Es scheint, so ein nie enden wollender Zyklus von Zerstörung und Wiederauferstehung zu sein, und der führt uns direkt in die Gegenwart, in die Situation des heutigen Syriens.
Burkhard Müller-Ullrich: Ich habe gelesen, dass Sie im Grunde es mit Schutthaufen zu tun hatten, die zunächst einmal zusammengesetzt werden mussten.
Ulrike Dubiel: Ganz genau. Ich hatte ja das Glück, beim Tell Halaf Restaurierungsprojekt zehn Jahre als Archäologin tätig zu sein, und wir hatten 80 Kubikmeter Basaltschutt, ungefähr 27.000 Fragmente, ein großes 3D-Puzzle, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Wir haben über 30 Bildwerke wiedergewinnen können plus Architektursteine, also Säulen, Kapitelle, Säulenbasen und Werkzeuge wie zum Beispiel eine Ölmühle. Wir haben fast alles, was wir in diesem Restaurierungsprojekt wieder zusammengebracht haben, jetzt hier in Bonn in unserer Ausstellung.

Burkhard Müller-Ullrich: Sie zeigen das in der Bundeskunsthalle auf eine bestimmte Weise. Das heißt, Sie gliedern das in den ursprünglichen Kontext ein. Wie hat man sich das vorzustellen?
Ulrike Dubiel: Im alten Orient gibt es nicht l'art pour l'art, es gibt nicht Kunst um der Kunst willen, sondern jedes Bildwerk hat eine Funktion, und mir kam es als Kuratorin so besonders darauf an, diese Funktion zu zeigen. Die Skulpturen, die großen Reliefplatten, das war Bauschmuck und gleichzeitig war das Stein gewordene Ideologie. Das zeigt das Selbstverständnis dieser aramäischen Fürsten, die diese Bildwerke in Auftrag gegeben haben. Wir haben zum einen Reliefplatten mit Löwen, mit real existierenden Tieren, wenn Sie so wollen, wir haben auch ein ganz tolles Bestiarium von Monstren und Mischwesen. Wir haben Abbildungen von Menschen, zum Beispiel Jäger oder Krieger, und wir haben auch Abbildungen von Göttern.
Das Schicksal von Oppenheims
Burkhard Müller-Ullrich: Um noch mal zu unserem Forschungsreisenden Max Freiherr von Oppenheim zurückzukehren: Was war sein Schicksal? Er war ja Jude, er hat zunächst mal dem deutschen Reich, dem Kaiserreich noch gedient als Diplomat.
Ulrike Dubiel: Max von Oppenheim selber ist Katholik. Sein Vater ist zum Katholizismus übergetreten, bevor er die Mutter Paula Engels geheiratet hat. Nach Nazi-Terminologie wäre Oppenheim damit Halbjude gewesen. Aber schon in der Zeit des Deutschen Reiches hat man ihm seine jüdischen Wurzeln vorgehalten und die Diplomatenkarriere, die er angestrebt hat, die wurde ihm eigentlich verwehrt. Oppenheim selber ist wirklich sorgenfrei, reich in jungen Jahren und verliert dann alles in der Zeit der Weimarer Republik, in der Weltwirtschaftskrise, in der galoppierenden Inflation, und ist dann eben als Mann in fortgeschrittenen Jahren quasi mittellos und ist auf Kredite angewiesen und auf die Unterstützung durch seine Familie. Am Ende seines Lebens scheint alles in Trümmern zu liegen, sein ganzes Lebenswerk. Er hat ja eine Stiftung gegründet, er hat ein Museum gehabt, er hat versucht, seine Grabungsergebnisse zu publizieren, und der Zweite Weltkrieg frisst alles weg. Er ist dann verarmt bei Verwandten in Süddeutschland verstorben und hat aber nie aufgegeben. Er war wirklich ungebrochen und hat fest daran geglaubt, dass zum Beispiel seine archäologische Sammlung eines Tages wiedererstehen wird.
Burkhard Müller-Ullrich: Vielen Dank für diese Auskünfte. Das war Ulrike Dubiel, Kuratorin der Ausstellung "Abenteuer Orient" in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
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