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Ausstellung in der Alten Nationalgalerie Berlin
"August Kopisch - Maler, Dichter, Entdecker, Erfinder"

Von Carsten Probst | 20.03.2016
    Am 17. August 1826 geschah etwas, das in der Kunstwelt der Romantik eigentlich nicht vorgesehen war: Die Entdeckung einer Landschaft, die beeindruckender, schöner, überwältigender war, als es sich die Fantasien von Künstlern und Dichtern hatten ausmalen können. Zu verdanken hat die Kunstgeschichte dies einem Mann, der dafür vor allem auf seine Fähigkeiten als Schwimmer vertrauen musste. Der damals 27-jährige August Kopisch entdeckte auf der Insel Capri zusammen mit seinem Malerkollegen Ernst Fries die sogenannte Blaue Grotte, um die sich zwar viele Sagen- und Spukgeschichten rankten, die jedoch bis dahin nie ein Mensch betreten hatte.
    Kopisch beschrieb das Erlebnis hernach als geradezu ekstatische Erfahrung, "als schwömme ich im unabsehbaren blauen Himmel". Der Pilgerzug von teils prominenten Touristen, der sich daraufhin jahrein, jahraus an der Grotte einfand, und die Flut von Bildern, von literarischen Verarbeitungen und Reiseberichten bezeugt, dass hier viel mehr zu bestaunen war als eine Naturattraktion. Es war die Geburt des Events aus dem Geist der Romantik, des großen Als-Ob, mit dem man sich für ein paar nette Stunden in ein anderes Hier und Jetzt beamt.
    August Kopisch wurde zum großen Conférencier, begabt mit zahlreichen Talenten, aber insbesondere mit dem der süffigen Darstellung in Wort und Bild. Nirgends lässt sich das besser zeigen als in seinen Gemälden, von denen die Alte Nationalgalerie Berlin eine schöne Anzahl versammelt hat.
    Mit der zarten, spirituellen Lichtmetaphysik der Frühromantiker, mit Caspar David Friedrich oder Philipp Otto Runge, hatte Kopisch nicht mehr viel am Hut. In süßlicher Radikalisierung aller romantischen Farblehren malt er Delfine um ein Boot im magentafarbenen Meer vor türkisem Horizont mit rauchendem Vesuv.
    Die "Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang", sein wahrscheinlich bekanntestes Werk, lässt die Landschaft eigentlich nur noch als Rahmen, als Bühne für ein fast bedrohlich wirkendes, blutrotes Farbereignis am Abendhimmel erscheinen.
    Kopisch erfindet dafür neue Farben wie "Mutterflammenlichtblau" oder "Chrysograsbrillantfeuergrün", deren Fantasienamen der expressionistischen Lyrik eines Paul Scheerbart viel näher stehen als dem sensualistisch ausgeklügelten Farbwürfel Philipp Otto Runges. Im Kontrast zu seinem Kollegen und Zeitgenossen Carl Blechen, mit dem er die Faszination für das Licht des Südens grundsätzlich teilt, wirkt Kopisch in seiner Malerei zuweilen eher wie ein Bildberichterstatter, der sogar an den Kraterrand des Vesuv klettert, um das reale Farbenerlebnis bei einem Ausbruch buchstäblich hautnah festzuhalten.
    So wirkt es in der Rückschau nur folgerichtig, wenn er auch die hochaktuellen Bildverfahren seiner Zeit anwendet, um die Naturevents für das Publikum in den wachsenden Industriestädten wie etwa seiner Geburtsstadt Breslau erfahrbar zu machen.
    Gemeinsam mit dem Theaterarchitekten Carl Ferdinand Langhans erweiterte Kopisch zu diesem Zweck das bereits bestehende Angebot an Panoramen und Dioramen um ein sogenanntes Pleorama, einen neuartigen Apparat ähnlich einer Schaubude, in der Bild und Landschaft für den Betrachter miteinander verschmelzen sollen.
    Das Publikum sitzt dabei in einer überdachten Barke, an deren Fenstern die von Kopisch selbst gemalten Panoramen einer Schiffsreise im Golf von Neapel vorüberziehen. Zur Erläuterung erhält jeder Besucher eine von Kopisch verfasste Broschüre mit einer fiktiv-literarischen Reisebeschreibung vom Inselchen Procida bei Neapel bis zum unterhalb des Vesuvs gelegenen Torre del Greco – eine durchaus beeindruckende, performative Installation, wie man heute wohl sagen würde, die am Ende der Ausstellung mit einigem technischen Aufwand medial re-inszeniert wird.
    Dass Kopisch bei all seiner Umtriebigkeit als Künstler, Entdecker und Erfinder auch noch als Dante-Übersetzer, Geschichtenerzähler und Universalgelehrter auftrat, überrascht eigentlich kaum. Und so kann man nicht anders, als dieses sehr spezielle Künstlerleben in seiner begeisterten Schnurrigkeit sympathisch zu finden – auch, wenn es da und dort beinah beklemmend auf die Ödnis der Entertainmentkultur vorauszudeuten scheint.
    Ausstellungsinfos:
    August Kopisch - Maler, Dichter, Entdecker, Erfinder
    von: 19.03.2016 bis: 17.07.2016
    Alte Nationalgalerie Berlin