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Ausstellung in Duisburg
Vom Wert der Kunst

Eine neue Ausstellung im Duisburger Lehmbruck Museum beschäftigt sich mit dem Wert der Kunst. Sie erinnert ein bisschen an das Märchen "Hans im Glück" und zeigt, welch unterschiedlichen Wert Menschen der Kunst beimessen.

Von Claudia Cosmo | 10.03.2014
    "Entscheidend für diese Ausstellung ist, finde ich, dass es in der Tat dieses Thema Kunst und Kapital oder auch 'Hans im Glück' aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Es geht im Grunde darum, zu zeigen, wie messen wir bestimmten Objekten einen Wert bei und weniger darum, dass diese Ausstellung belehren möchte."
    Die Direktorin des Duisburger Lehmbruck Museum, Söke Dinkla, hat mit ihrem Kuratorenteam die Arbeiten von 24 internationalen Künstlern und einem Künstlerkollektiv zu einer regelrechten "Werteschau" zusammengestellt - geht es doch um die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Wert der Kunst. In der Videoarbeit der US-amerikanischen Künstlerin Andrea Fraser beispielsweise führt eine Galerienangestellte durch eine Ausstellung, die eine lange Reihe identischer Gemälde zeigt, die angepriesen werden.
    Die austauschbaren Adjektive wie "erhaben" oder "metaphysisch", die Superlative oder die eingeflochtenen pseudokunsthistorischen Floskeln wie "das ist Kunst, das ist Kultur", mit denen die Bilder an den Käufer gebracht werden sollen, sind Teil der Verkaufsstrategie. Dabei legt das Wort den Wert der Kunst fest beziehungsweise redet ihn herbei. Egal, welche Qualität das Bild nun haben mag. Andrea Fraser zeigt in ihrem humorvollen und ironischen Video, wie sich das in den USA beliebte Credo des "Anything goes" auch auf den Kunstbereich erfolgreich anwenden lässt. Die Kunst als Ware, als Investition anzusehen, damit haben besonders amerikanische Kunstsammler und Kunstinteressierte kein Problem.
    Das 1983 gegründete slowenische Künstlerkollektiv IRWIN stellt den Besucher des Lehmbruck Museums sogar vor die Wahl: Welches der gezeigten, identischen Fotoarbeiten ist das wertvollste? Etwa das mit der Signatur der Künstlerin Marina Abramoviĉ oder das mit dem Stempel des Künstlerkollektivs IRWIN?
    "Die Tatsache, dass wir aus einem kleinen Land kommen, legt auch unseren Wert auf dem Kunstmarkt fest. Aber wir fühlen uns nicht wirklich eingeschränkt durch die Marktverhältnisse, die uns manchmal auch beeinflussen als Kollektiv. Als wir jung waren und begannen, hatten wir Angst, dass ein zu großer monetärer Erfolg die Gruppe zerstören könnte. Aber wir existieren jetzt schon über 30 Jahre und die Dinge entwickelten sich gut und eins kam zum anderen. Wir erlitten also keinen großen Schock. Das Marktsystem konnte unsere kreativen Gedanken nicht beeinflussen."
    Besucher werden selbst Künstler
    Auch in Zeiten des Kapitalismus, der seit dem Zerfall Jugoslawiens auch in seinem Heimatland Slowenien Einzug erhalten hat, versteht Andrej Savski sein fünfköpfiges Künstlerkollektiv IRWIN als kommunistisch.
    "Von Anfang an interessierte uns das Thema Kapital sehr. Es gibt eine Langzeitarbeit von uns, die wir noch zur Zeit des Sozialismus begannen und die fertiggestellt wurde, als der Kapitalismus schon da war. Der Titel der Arbeit lautet 'Kapital' und bezieht sich natürlich auf Marx und das symbolische Kapital. Aber im Laufe der Jahre veränderte sich die Bedeutung."
    Im finanziell ruinierten Griechenland veränderte sich das Verhältnis zum Kapital in den letzten Jahren drastisch, was sich auch in Stefanos Tsivopoulos dreiteiliger Videoinstallation "History Zero" widerspiegelt.
    Ein nach Inspiration suchender Künstler schlendert durch Athen und findet einen Einkaufswagen, der voll mit Schrott ist. Der Wageninhalt wird jedoch zum kostbaren Gut, da die Metallabfälle zur Quelle neuer künstlerischer Ideen werden. Derjenige, der den Einkaufswagen dort abstellte, fand eine Plastiktüte voller Geldscheine im Müll. Die Banknoten wiederum wurden zuvor von einer demenzkranken Kunstsammlerin zu Origami- Blumen geknüpft und danach als verwelkte Blumen einfach in den Müll geschmissen. Was für den einen wertlos, erscheint dem anderen wiederum als wertvoll.
    "Jeder hat Ego, das ist wichtig, natürlich - aber trotzdem ich muss weitermachen!"
    Die Pionierin der Fluxus- Bewegung, Takako Saito hält seit Jahrzehnten an ihrem künstlerischen Prinzip fest und stellt ihr eigenes künstlerisches Ego zurück, ohne jedoch den Wert ihrer Kunst infrage zu stellen. Im Lehmbruck Museum hat die 85-jährige Japanerin ihren "You and me"- Shop aufgebaut, der wie ein kleiner Kaufmannsladen aussieht. Die Ausstellungsbesucher sind eingeladen, aus Alltagsgegenständen eigene Kunstwerke zu fertigen, sie zu signieren und in Dialog mit Takako Saitos Arbeiten zu stellen. In ihrer interaktiven Arbeit hinterfragt Saito die Wertzuordnungen des Marktes, auf dem es auch gilt, das eigene künstlerische Ego wie ein Label aufzubauen und damit hohe Preise zu erzielen. Takako Saitos künstlerische Haltung, die sich vom Kunstmarkt und dessen Strategien distanziert, deutet auf das Reibungsverhältnis hin, das seit jeher zwischen Kunst und Kapital besteht.