"Das Bougival-Bild von Sisley wurde das letzte Mal 1939 in Paris ausgestellt, diese Ansicht von Louveciennes war in Paris noch nie zu sehen, die Schneelandschaft von Sisley zuletzt 1917 in einer Ausstellung. Ein völlig unbekanntes Bild!"
Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Claire Durand-Ruel Snollaerts strahlt, als sie durch die Ausstellung führt. Mehr als einhundert selten oder noch nie gezeigte Werke des Impressionismus hat sie zum 80. Geburtstag des Musée Marmottan zusammengetragen – lauter wohlgehütete Schätze aus privaten Sammlungen. Nicht alle sind Meisterwerke wie es der Ausstellungstitel verheißt, aber unter den dicht an dicht – ein bisschen zu dicht – gehängten Bildern gibt es einige echte Perlen. Zum Beispiel ein eigenartiges, fast schon mysteriöses Bild von Degas: "Pagans et le père de Degas" heißt es.
Rarität von Claude Monet erstmals zu sehen
Im Vordergrund ist – in einem perspektivisch verzerrten Raum ohne klare Konturen - der Musiker und Sänger Lorenzo Pagans zu sehen, wie er sitzend ein Buch betrachtet. Vater Degas sitzt greisenhaft in sich zusammen gesunken im Hintergrund. Braun und Rottöne dominieren dieses Bild zweier einsamer Männer, das Edgar Degas nach dem Tod seines Vaters um das Jahr 1895 herum malte. Heute gehört es den amerikanischen Kunstsammlern Isabelle und Scott Black. Nicht genannt werden will dagegen – wie übrigens die meisten Leihgeber – der aktuelle Besitzer einer bemerkenswerten Rarität von Claude Monet: Aus dem Jahr 1870 eine Ansicht des Strandes von Trouville, wie Monet mehrere malte. Auf dem jetzt im Marmottan-Museum gezeigten Bild ist das Meer nur zu erahnen. Weniger als Wasser- und Lichtimpressionen scheint Monet das mondäne Strandleben zu interessieren. Das Bild ist zum ersten Mal überhaupt öffentlich zu sehen. Claire Durand-Ruel Snollaerts:
"Es war 114 Jahre lang im Besitz einer französischen Familie, seit ungefähr 20 Jahren hat es einen neuen Besitzer. Es ist kaum bekannt. Im Werkverzeichnis von Monet, das Daniel Wildenstein herausgegeben hat, ist es nicht in dem Band über Monets Werke der 1870er Jahre, sondern in einem später erschienenen Ergänzungsband. Auch später, als Wildenstein den Werkkatalog bei Taschen neu auflegte, gab es von diesem Bild nur eine Schwarz-Weiß-Abbildung. Das bedeutet: Die Besitzer wollten es nicht zeigen. Ähnlich verborgen gibt es heute noch viele Werke in Privatbesitz."
Würdigung privater Kunstsammler
Aus einer anonymen privaten Schatzkammer stammt auch ein interessantes Bild von Edouard Manet: eine Vorstudie zu dessen letztem großen Gemälde "Un Bar aux Folies Bergère" mit der venusähnlichen Bardame vor einem riesigen Spiegel.
Mit der Ausstellung dieser raren Bilder will das Musée Marmottan die privaten Kunstsammler würdigen. Schließlich verdankt es einigen von ihnen seine Existenz und eine der weltweit größten Sammlungen impressionistischer Werke.
Schade ist allerdings, dass in der Ausstellung so gar nichts über die geehrten Sammler oder die Provenienzgeschichte der Bilder zu erfahren ist. Insofern bietet die Schau vor allem einen Überblick über den potenziellen Markt für "private Impressionisten". Ein Markt, auf dem Höchstpreise erzielt werden: Erst Anfang des Monats wechselte bei Sotheby’s in London ein Bild von Camille Pissarro für knapp 24 Millionen Euro den Besitzer.
Wert der Bilder dürfte steigen
Die "Meisterwerke"-Ausstellung im renommierten Musée Marmottan dürfte auch dazu beitragen, den Wert der gezeigten Bilder steigern. Von dieser alten Kunstmarktregel will die Kuratorin allerdings nichts wissen:
"Der Impressionismus brauche das heute nicht, sagt Claire Durand-Ruel Snollaerts, so eine Museumsausstellung ändere den Wert der Werke nicht. Das sei früher so gewesen – wenn man ein Bild in einer Ausstellung hatte, steigerte das den Wert. Heute gelte das allenfalls für zweitrangige Werke, wenn sie in einem renommierten Museum gezeigt werden und es einen Katalog gibt. Aber für die Bilder in dieser Ausstellung bedeute das nichts mehr. Im Gegenteil: Es sei eine sehr großzügige Geste der Besitzer, ihre Bilder dem Marmottan anzuvertrauen."
Es wird sich zeigen, ob nicht doch einige der "100 Meisterwerke" der Pariser Schau bald auf Auktionen auftauchen werden.