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Ausstellung "More to Come"
Künstlerische Fotografie trifft auf Medienkunst

16 Künstler in sechs Galerien: Das Ausstellungsprojekt "More to Come" zeigt in Hannover die Fotografie im Medienzeitalter. Und wirft dabei einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen.

Von Agnes Bührig | 20.10.2016
    Die Arbeit "Jackie Smith" des Fotografenduos Stuke und Sieber
    Die Arbeit "Jackie Smith" des Fotografenduos Katja Stuke und Oliver Sieber (Katja Stuke & Oliver Sieber)
    Sieben kastenartige Fernseher in einer Reihe. Über die Bildschirme flimmern gleichzeitig verschiedene Berichte der "Tagesschau" zum Krieg in Jugoslawien vor 20 Jahren: Soldaten, Zivilbevölkerung, Männer in Anzügen um Konferenztische. "Report" des Videokünstlers Ulrich Polster ist eine Art Bildcollage aus dem Medienzeitalter. Früher kamen Schnitt und Reprotechnik zum Einsatz, heute werden Bilder digital bearbeitet, sagt Kurator Maik Schlüter.
    "Collagierung, nur nicht im Sinne von traditioneller Collage, wie man sie aus den 20er-Jahren kennt, sondern als Prinzip, unterschiedliche Bildwelten miteinander zu kombinieren, unterschiedliche Materialien in Kombination zu bringen. Das heißt, Sie finden in der Ausstellung eigentlich nicht das, was Sie im vielleicht ganz einfachen und direkten Sinne unter Fotografie verstehen, also ein Farbfoto in einem Rahmen, das mehr oder weniger einen direkten Bezug zu einer Wirklichkeit, einem Ort hat."
    Fest verankerte Konflikte
    Die Arbeit "Persian Gulf Incubator" zeigt dieses Prinzip sehr deutlich. Da hängt ein idyllisches Urlaubsbild, ein Kreuzfahrtschiff, vor der Skyline von New York in den 1970er-Jahren - neben einer kolorierten Landkarte, wie sie Drohnenpiloten vor dem Beschuss von Zielen im Irak heute nutzen. Der Schweizer Künstler Marco Poloni beleuchtet mit seiner Bildreihe die wechselhafte Geschichte aktueller Konflikte und erinnert an friedlichere Zeiten zwischen den USA und der arabischen Welt - nur 40 Jahre ist das her.
    "Man konnte nämlich vom Persischen Golf über unter anderem Italien bis nach New York eine Schifffahrt machen, was heute für unsere Vorstellungsweise eigentlich unvorstellbar ist. Wir haben heute ganz selbstverständlich einen großen Konflikt mit der arabischen Welt, der ist in unseren Köpfen fest verankert. Aber dieser Prozess ist eben sehr wandelbar."
    Worte geben Bildern eine bestimmte Bedeutung
    Eher traditionell ist "You and Me", die Arbeit des Fotografenduos Katja Stuke und Oliver Sieber, renommierte Vertreter der Düsseldorfer Kunstszene. Sie reflektieren die Bedeutung von Fremde und Heimat. Intensive Bilder über Frenkie, einen Flüchtling, der nach Bosnien zurückgekehrt ist. In Deutschland hat er gelernt, zu rappen, Graffitis zu sprühen. Der Alltag in seiner alten neuen Heimatstadt Tuzla läuft als Diaprojektion über die Wände. Daneben erscheinen Zitate wie "No one is illegal" oder "Bomben für den Frieden". Worte geben Bildern eine bestimmte Bedeutung. Und anders herum stehen Bilder in Internetzeiten mittlerweile stellvertretend für Worte, sagt Katja Stuke.
    "Durch diese sozialen Netzwerke und Instagram und dieses Kommunizieren über Bilder, sehe ich das mittlerweile so, dass man sagt, es ist wie eine Art Vokabular oder Wörter, die man benutzt. Und in der Literatur ist es zum Beispiel auch so: Jeder spricht, aber nicht alles ist automatisch großartige Literatur, aber jeder benutzt diese Wörter."
    Wandel der Fotografie durch die Medienkunst
    Fotografie im Wandel - dass sich die Ausstellungsreihe "More to Come" gerade in Hannover präsentiert, hat mehrere Gründe: Die Hochschule Hannover bietet einen renommierten Studiengang für Fotojournalismus an und das Sprengelmuseum für moderne Kunst gibt in seinem jüngst eröffneten Anbau der umfangreichen fotografischen Sammlung real mehr Raum und Gewicht, sagt Kurator Maik Schlüter und erinnert daran, dass schon 1972 die Spektrum-Galerie im Sprengel Museum öffnete:
    "Wo einfach auch die Fotografie - und das war damals überhaupt nicht Standard der musealen Tätigkeit, ausgestellt wurde. Sie war eigentlich ein kunstfernes Medium, rein dem Journalismus verortet, rein der Werbung zugesprochen. Und da beginnt eben etwas, was einen langen Prozess hat, die Fotografie institutionell zu würdigen.
    "More to Come" ist der Titel dieses Ausstellungsprojektes, das in Hannover in sechs Galerien zeigt, wie die Medienkunst die künstlerische Fotografie beeinflusst und gesellschaftspolitische Themen spiegelt. Durch den Einsatz der Videotechnik, den digitalen Schnitt oder eine Installation wie dem aufgezeichneten Drohnenschatten auf dem Platz vor der städtischen Galerie Kubus. Gleichzeitig verbinden die Macher mit dem Titel das Versprechen: Es soll zukünftig weitere Ausstellungen dieser Art in Hannover geben. More to Come.