Dienstag, 19. März 2024

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Ausstellung über Geheimnisse
Privatsphäre als Errungenschaft der Demokratie

In Zeiten von Instagram und Snapchat - gibt's da noch Vertraulichkeit? Dem Geheimnis als gesellschaftlichem Phänomen widmet sich das Museum für Kommunikation in Frankfurt. Unser Verhältnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit habe sich total verändert, sagte Kuratorin Silke Zimmermann im Dlf.

Silke Zimmermann im Corsogespräch mit Ina Plodroch | 12.12.2019
11. Oktober 2018, Berlin, Deutschland, Museum für Kommunikation, [Foto: KAY HERSCHELMANN Telefon:+49 (0)30-2927537 Mobil: +49 (0)171 26 73 495 email: Kay.Herschelmann@t-online.de]
"Geheimnishüterin" aus der Ausstellung "Das Geheimnis - Ein gesellschaftliches Phänomen" im Museum für Kommunikation in Frankfurt (Museumsstiftung für Post und Telekommunikation, Foto: Kay Herschelmann)
Dass Geheimnisse faszienieren, zeigt der aktuelle Kinofilm "Das perfekte Geheimnis". Die deutsche Version ist schon das 18. Remake des italienischen Originals. Die Ausstellung im Museum für Kommunikation in Frankfurt zeigt weitere gesellschaftliche Facetten.
Obwohl sich viele Menschen in den sozialen Medien sehr offen zeigen, haben wir trotzdem noch Geheimnisse, meint Kuratorin Silke Zimmermann. "Was gibt es denn, was du deinen Nachbarn nicht erzählen würdest? Dann fällt den meisten eben doch was ein. Ich glaube, dass sich das Verhältnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit total verändert hat." Etwa das Telefonverhalten: Früher habe man am öffentlichen Fernsprecher Abstand gehalten, so Silke Zimmermann. Wenn man heute im öffentlichen Raum telefoniere, dann habe man das Gefühl, das Telefongeheimnis spiele keine Rolle mehr.
Gehemnis wichtig trotz Instagram
"Wir haben versucht, in dieser Ausstellung alltagsnahe Bilder zu finden, damit dieses abstrakte Thema greifbarer wird. Weil wenn man versucht über so große Themen zu erzählen, dann muss man schauen, wie man die Menschen dafür begeistern kann." Das funktioniere am besten über Alltagsnähe. Deswegen finde man in der Ausstellung eine Art Wohnraum: "Da gibt es auch ein Handy, das aufleuchtet, wenn man eine Lichtschranke durchläuft. Und dann geht es darum, mit diesem Effekt zu spielen, den viele von uns kennen: Da liegt das Handy auf dem Tisch und dann guckt man doch so ein bisschen darauf, was in diesem Vorschaubildchen steht."
Sie versuche, den Besucher damit an das Thema heranzuführen, ob diese auf den Bildschirm schauen oder eben nicht, weil man denke, es sei vertraulich. Darüber wolle sie mit den Besuchern ins Gespräch kommen. Sie selbst habe diese SMS-Vorschau ausgestellt, weil sie das Handy auch beruflich nutze. Was man dort sehe, sei nicht nur ein Geheimnis. "Aber es geht auch um das Verhältnis zur Privatsphäre. Ein Geheimnis hängt eng zusammen in seiner Entwicklung mit der Privatsphäre. Man darf nicht davon ausgehen, dass es das immer schon gab. Es ist eine Entwicklung, die erst mit dem Aufkommen des Bürgertums entstanden ist." Früher haben die Menschen anders zusammen gelebt, ohne Privatsphäre, wie Zimmermann sagte. Dadurch, dass sich das Wohnen ausdifferenziert habe, sei auch die Privatsphäre vom Räumlichen in die Verfassung übertragen wurden, so Silke Zimmermann. Daran müsse immer wieder erinnert werden, an diese Errungenschaft der Demokratie. Es gebe andere Länder, in denen das nicht der Fall sei.
Datenschutz und Privatsphäre
"In der Ausstellung gehen wir viel auf den Bereich 'Smart Home' ein, die Sprachassistenten. Das ist sehr bequem, weil ich viele Dinge ohne aufstehen zu müssen, kann ich meine Lieblingsmusik abspielen. Gleichzeitig müssen wir uns im klaren darüber sein, dass Daten über uns gesammelt werden."
Zimmermann fügte hinzu: "Aber das ist eben das, was wir auch versuchen, darzustellen: In einer Demokratie gibt es sehr viele Themen, bei denen man Spannungen aushalten muss. Da ist nicht immer alles nur schwarz oder weiß." Silke Zimmermann findet, es sei ein Plädoyer für das Geheimnis: "Lasst uns doch erstmal wieder verstehen, dass Geheimnisse in unserem Leben doch eine größere Rolle spielen als wir denken. Man sagt ja heute oft dieses ‚ich hab nichts zu verbergen‘." Aber eigentlich hätten wir doch etwas zu verbergen, so Zimmermann. Sie wolle wieder eine Wertschätzung erreichen, dass Geheimnisse eine Rolle in unserem Leben spielen.
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