
"Aus Deutschland haben wir die Originalentwürfe für das Pompejanum in Aschaffenburg erhalten. In den 1840er-Jahren ließ sich König Ludwig I. einen idealen Nachbau einer Villa in Pompeji errichten. Und dann zeigen wir auch die Entwürfe des pompejanischen Hauses des französischen Prinzen Jerome Bonaparte, das Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen wurde."
Bonaparte, berichtet der italienische Kunsthistoriker Luigi Gallo, feierte in seiner neoantiken Residenz rauschende Feste. Gekleidet wie in der Antike und Lorbeer bekränzt, rezitierten die Partygäste die schlüpfrigen Komödien des römischen Dichters Plautus. Gallo ist einer der Kuratoren der Ausstellung, die nicht zum wiederholten Mal wie schon so oft in der Vergangenheit das antike Pompeji an sich thematisiert. Die von ihm organisierte Kunstschau im archäologischen Nationalmuseum in Neapel beschäftigt sich hingegen mit der künstlerischen Rezeption der 79 nach Christus unter der Lava des Vesuv verschütteten und 1748 wieder entdeckten Kleinstadt. Eine Wiederentdeckung, die auf italienische Künstler und Italienreisende wie Goethe eine große Faszination ausübte.
Goethe holte Pompeji nach Weimar
Luigi Gallo:
"Mit Pompeji wurde nicht nur ein antikes Monument entdeckt, sondern eine ganze Stadt, die dazu auch noch erstaunlich gut erhalten geblieben ist: Kunstwerke, Möbel, Malereien, die Gebäude. Goethe sah in Pompeji Gebrauchsgegenstände, die denen seiner Zeit nicht unähnlich waren. Er ließ sich Kopien dieser eleganten antiken Originale anfertigen, für seine Residenz in Weimar."
Pompejanisch Rot, pompejanische Dekorationselemente, Möbelkopien etc.: Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, vor allem während des französischen Empire unter Napoleon I., wurde der in Pompeji repräsentierte Stil Mode in Europa. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Ruinenstadt zur Quelle der Inspiration bildender Künstler, berichtet Kurator Gallo:
"Antike und damals moderne Gegenstände und Kunstwerke traten in einen Dialog. Wir zeigen, entliehen aus Paris, zwei Werke des symbolistischen Malers Gustave Moreau. 1858 besuchte er zusammen mit Edgar Degas Pompeji und war von den Wandmalereien hingerissen. Es handelt sich um Repliken zweier Fresken mit Mysteriendarstellungen, die zum ersten Mal hier bei uns den Originalen gegenüber gestellt werden"
Der Bildhauer Canova, die Maler De Valenciennes, Delaroche, Palizzi: Im 19. Jahrhundert ließen sich viele Künstler von Kunstwerken aus Pompeji inspirieren. Vor allem mythologische und erotisch angehauchte Sujets stießen im großbürgerlichen Ambiente nordeuropäischer Großstädte auf reges Interesse. Ob im viktorianischen England oder im Frankreich der Belle Époque: Pompeji stand für eine hoch entwickelte antike Kultur, die zu leben und genießen verstand.
"Picasso besuchte Pompeji zusammen mit Jean Cocteau"
Die mehr als 250 Ausstellungsobjekte in Neapel, darunter auch historische Fotografien und großflächige Zeichnungen von Pompejirekonstruktionen, zeigen, dass bei den Künstlern des 20. Jahrhunderts das Interesse an den antiken Inspirationsquellen nachließ. Bis auf einige bedeutende Ausnahmen. Der italienische Maler Giorgio de Chirico, ein metaphysischer Symbolist, nahm heroische Darstellungen pompejanischer Wandbilder in seine Bildkompositionen auf. Das gilt auch für Pablo Picasso.
Luigi Gallo:
"Picasso besuchte Pompeji zusammen mit Jean Cocteau, Diagilev und Leonid Massine im Jahr 1917. Wir zeigen Fotografien dieses Besuchs. Zu sehen ist Picasso, der vor Wandbildern steht, mit staunendem Gesichtsausdruck. 1923 entstand eines seiner wichtigsten Gemälde, wir haben es in der Ausstellung, das auf eine Inspiration aus Pompeji zurückzuführen ist: die Panflöte."
Ausgestellt wird auch ein anderes bedeutendes Gemälde von Picasso, dessen Entstehung von Kunsthistorikern auf den Einfluss Pompejis zurückgeführt wird: "Laufende Frauen am Strand" von 1922. Picasso malte zwei kraftvoll-fleischige Frauen, die, Hand und Hand und mit jeweils einer entblößten Brust, über einen Strand laufen und dabei ihre Köpfe lustvoll in den Nacken werfen. Ein Bild voller sexueller Leidenschaft - ganz im Stil verschiedener erotischer Darstellungen, wie man sie in pompejanischen Villen entdeckt hat.