Bei diesem Wettbewerb kann jeder mitmachen - professionelle Fotografen und Amateure, Journalisten, Hausfrauen und Kunststudenten. Die eingereichten Fotos sind entsprechend vielfältig. Sie zeigen lächelnde Gesichter, zerstörte Städte und Gebirgsketten; Menschen beim Gebet, bei der Arbeit, beim Feiern. Die Organisatoren des Wettbewerbs haben Kategorien geschaffen, um die Bilder überhaupt bewerten zu können.
"Man kann Fotos einer schönen Landschaft nicht mit Bildern zur Ebolakrise vergleichen. Im Profibereich unterscheiden wir zwischen Themen wie Architektur, Kunst und Politik. Bei den Amateurfotos sind die Kriterien etwas offener. Viele Leute nehmen Landschaften auf oder Freunde beim Sport. Man kann, wenn man Glück hat, sogar mit einem eingereichten Familienfoto gewinnen", sagt Scott Gray, der Leiter der World Photography Organization, der den Wettbewerb vor acht Jahren ins Leben gerufen hat.
"Wir hatten damals das Gefühl, dass sich das Medium verändert. Überall auf der Welt machen Menschen Fotos und viele haben Talent. Doch gerade weil es so viele Fotos gibt, ist es schwer, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Diesen Leuten wollen wir eine Chance geben, entdeckt zu werden."
Und die ersten Erfolgsgeschichten gibt es schon. Gewinner des Wettbewerbs haben Stipendien erhalten oder wurden bei Fotoagenturen unter Vertrag genommen. Scott Gray erzählt von einem Zwölfjährigen aus New York, der im vorigen Jahr mit einer Landschaftsaufnahme auf die Shortlist der besten 50 Bilder kam.
"Sein Erfolg wurde in der Schule bekannt gegeben, worüber er sich wirklich sehr gefreut hat. Jetzt hat er einen Fotokurs belegt, und in seiner Stadtteilbibliothek wird eine Ausstellung seiner Bilder vorbereitet. So etwas finden wir toll. Wir wollen Menschen anregen, sich mit dem Medium Fotografie auseinanderzusetzen."
Das Gewinnerfoto des Jahres 2015 stammt jedoch von einem Profifotografen. John Moore hat in Liberia die Folgen der Ebola-Epidemie dokumentiert. Sein Bild zeigt einen Toten, der ausgestreckt auf dem Boden eines leeren Klassenzimmers liegt. Eine trauernde Frau steht daneben.
"Es gibt immer sehr viele Bilder aus Krisengebieten - und viele wirken sehr brutal. Doch darum geht es uns nicht. Ich sage immer: Es ist leicht zu schockieren, aber schwer, Schönheit einzufangen. Natürlich will ich nicht sagen, dass John Moores Fotos zur Ebola-Krise schön sind, aber er geht mit einer großen Sensibilität an das Thema heran."
Die Menschen, die Moore fotografiert, behalten ihre Würde. Leid und Trauer werden nicht ausgeblendet, aber auch nicht überhöht.
Das Überraschendste am Sony World Photography Award ist, wie viele Bilder mit positiven Botschaften zu sehen sind. Porträts lächelnder Kinder, farbige Häuserfassaden in indischen Slums, ein Mönch in Myanmar, der im Schein einer kleinen Lampe auf einem goldenen Stuhl sitzt und meditiert. Wer erfahren will, worum es dem Fotografen geht, muss die beigefügte Texttafel lesen. In vielen Regionen Myanmars gibt es keinen elektrischen Strom. Der Mönch hat eine Solarzelle an seinem Stuhl angebracht, um nachts etwas Licht zu haben.
"Das ist, was mir so gut gefällt: Oberflächlich betrachtet, sind das einfach nur schöne Fotos, die man sich in sein Wohnzimmer hängen kann, aber wenn man ein bisschen darüber nachdenkt merkt man, in dieser Geschichte steckt viel drin. Es geht darum, Licht in eine dunkle, von der Regierung vernachlässigte Gegend zu bringen. Die Regierung hat die Region vernachlässigt. Der Fotograf hat nicht nur ein schönes Bild gemacht, er erzählt auch eine Geschichte."
Eine Besonderheit der Ausstellung ist auch, dass man die meisten der gezeigten Bilder kaufen kann. Wer ein Smartphone mit NFC-Funktion besitzt, kann es an die Texttafeln neben den betreffenden Fotos halten und erhält eine Verbindung zum Online-Shop. Dort werden die Bilder in hoher Qualität ausgedruckt und verschickt.
"Wenn man Fotos für 30 oder 40 Euro verkauft, unterscheidet sich das nicht so sehr von den Preisen, die im Laden für ein Poster verlangt werden. Doch das ändert nichts am Kunstanspruch der Fotografen. Wir verkaufen die Bilder, weil alle davon profitieren - die Künstler, die noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehen und die Käufer, die Fotografien bekommen, die man sich ein Leben lang in die Wohnung hängen kann."