Das Vaporetto tuckert den Canale Grande hinunter, nimmt an den unterschiedlichen Haltepunkten Menschen an Bord, spuckt andere aus. Venedig ist auch im Winter voller Touristen, die Stadt brummt, ist lebendig. Bis das Vaporetto auf der Insel Guidecca hält, die dem San Marco gegenüberliegt. Thomas Krämer-Badoni, Stadtsoziologe der Universität Bremen, hat soeben eine Studie über Venedigs sozialen Wandel abgeschlossen, führt durch das Viertel:
"Die Giudecca war ursprünglich der Industrieteil Venedigs, hier gab es Junghanns, ursprünglich Uhren, später Waffentechnologie, noch bis Mitte der 90er Jahre war das noch eine Fabrik, dann gab es die Mühle, das Riesengebäude da vorne, es gab eine ganze Reihe anderer Industrien. Diese Industrien gibt es nicht mehr, ein großer Arbeitsplatzverlust, es gab viele Gebiete, die verlassen waren."
Die Stadtverwaltung versucht seit ein paar Jahren, die Entwicklung wieder umzudrehen: Auf dem ehemaligen Industriegelände von Junghans wurden Produktionsgebäude in Wohnungsbau umgewandelt, neue Apartmenthäuser errichtet, die nur diejenigen bewohnen sollen, die nicht nur über ein gewisses Einkommen verfügen, sondern auch einen Arbeitsplatz in Venedig nachweisen können. Doch wenn man die Klingelanlagen der Neubauten studiert, dann finden sich viele ausländische Namen, oder eben auch gar keine. Ein Indiz dafür, dass auch hier normale Wohnungen an Touristen vermietet oder gar in Bed-and-Breakfast-Einrichtungen umgewandelt werden, die Maßnahmen der Stadtverwaltung, permanenten Wohnungsbau zu fördern, kaum greifen.
Die Folge: Venedig hat in den letzten 50 Jahren mehr als die Hälfte seiner Einwohner verloren. Thomas Krämer-Badoni:
"62.000 Einwohner zirka,. plus etwa zehn Prozent, die nicht erfasst sind, noch in Venedig wohnen, weil sie keine Residenti sind, das ist nicht so einfach, Residenti zu werden."
Auf Murano, dem Zentrum der venezianischen Glasproduktion, tummeln sich wie auf der Hauptinsel die Besucher. Auf anderen Eilanden herrscht Totenstille, rotten ehemalige Kasernenanlagen oder Krankenhausbauten vor sich hin, erobert sich die Natur die Insel zurück. Der Architekt Philipp Oswalt hat das von der Bundeskulturstiftung geförderte Projekt "shrinking cities" angestoßen und im letzten Herbst erstmals auf der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt. Das war der Anlass, die Probleme der verlassenen Inseln in der Lagune zu studieren. Ein Beispiel ist das Eiland La Gracia:
"Ist momentan aufgegeben, La Gracia war verbunden hier mit dem Krankenhaus., war für die Quarantäne der Kranken, das war Krankenhaus., was 1980 aufgegeben ist, die UN hat etwas entwickeln wollen, aber das ist nicht passiert, es steht einfach leer und harrt der Dinge. Vieles, was aufgegeben wurde, ist in staatlicher Verwaltung."
Auf einer anderen Laguneninsel versucht eine Hotelkette mit einem Nobelhotel Kunden anzuziehen. Immerhin zwei Drittel der kleineren Inseln sind heute jedoch Brachland, die touristische Nutzung ist hier nicht rentabel genug. Zum Niedergang trug nicht zuletzt die industrielle Entwicklung auf dem Festland bei mit dem neuen Industriegebiet Porto Marghera, das seit 1919 entstanden ist. Die Produktion wanderte dorthin ab, mit ihr die Arbeitsplätze. In den 1960er Jahren entwickelte sich Porto Marghera zu einem der bedeutendsten Standorte der Petrochemie in Europa. Die Lagune wurde für große Containerschiffe ausgebaggert, der Hafen erweitert. Thomas Krämer-Badoni beschreibt die mittlerweile katastrophalen Umweltfolgen:
"Die Luft, wenn Sie hier eine Weile sind, dann werden sie feststellen, die Luft ist dermaßen staubig, wie man es sonst kaum kennt, kommt alles von den Abgasen da drüben, das ist das Eine, das Zweite, dass es natürlich erhebliches Gift produziert und einleitet in die Lagune. Es ist schon seit Jahrzehnten verboten, aber jedes Jahr findet man irgendwelche Ableitungen. Das dritte Phänomen ist, es gibt verschiedene Gründe, die dazu führen, das Venedig sinkt. Das ist der zentrale Punkt, weil die Industrie, die am Lagunenrand gewesen ist, dort Grundwasser entnommen hat, die Grundwasserentnahme hat dazu geführt, das in den letzten 50 Jahren Venedig um zwölf Zentimeter gesunken ist."
Auch in Porto Marghera zeigt der Rückgang der Produktion Folgen: Viele Hallen stehen heute leer. Jetzt plant die Stadtverwaltung, Teile des Industriegebiets zu einem Wissenschaftspark zu transformieren, saubere High-Tech-Produktion anzusiedeln. Das Interesse der Investoren sei groß, behauptet ein Vertreter der Lagunenstadt. Der Transformationsprozess ist bereits in Gang gekommen, neue Büros entstehen entlang der Hauptstraße, die auch auf die Altstadtinsel führt. Ob sich der Einwohnerverlust dort jedoch umkehren lässt, ist fraglich. Ein normales Alltagsleben lässt sich dort kaum mehr führen, wichtige Einrichtungen fehlen mangels Nachfrage. Das Fazit des Architekten Philipp Oswalt von "shrinking cities":
"Es gibt keine Kinos mehr in Venedig, die Schulen werden weniger, die Infrastruktur, die damit zusammenhängt, verändert sich auch, es gibt Leute, die sagen, Venedig wird so etwas wie zu einem Themenpark, den Tagestourismus, nachts wird abgeschlossen."
Damit würde Venedig eines nicht sehr fernen Tages nur noch die Kulisse einer lebendigen Stadt bieten, die in Wirklichkeit längst untergegangen ist.
"Die Giudecca war ursprünglich der Industrieteil Venedigs, hier gab es Junghanns, ursprünglich Uhren, später Waffentechnologie, noch bis Mitte der 90er Jahre war das noch eine Fabrik, dann gab es die Mühle, das Riesengebäude da vorne, es gab eine ganze Reihe anderer Industrien. Diese Industrien gibt es nicht mehr, ein großer Arbeitsplatzverlust, es gab viele Gebiete, die verlassen waren."
Die Stadtverwaltung versucht seit ein paar Jahren, die Entwicklung wieder umzudrehen: Auf dem ehemaligen Industriegelände von Junghans wurden Produktionsgebäude in Wohnungsbau umgewandelt, neue Apartmenthäuser errichtet, die nur diejenigen bewohnen sollen, die nicht nur über ein gewisses Einkommen verfügen, sondern auch einen Arbeitsplatz in Venedig nachweisen können. Doch wenn man die Klingelanlagen der Neubauten studiert, dann finden sich viele ausländische Namen, oder eben auch gar keine. Ein Indiz dafür, dass auch hier normale Wohnungen an Touristen vermietet oder gar in Bed-and-Breakfast-Einrichtungen umgewandelt werden, die Maßnahmen der Stadtverwaltung, permanenten Wohnungsbau zu fördern, kaum greifen.
Die Folge: Venedig hat in den letzten 50 Jahren mehr als die Hälfte seiner Einwohner verloren. Thomas Krämer-Badoni:
"62.000 Einwohner zirka,. plus etwa zehn Prozent, die nicht erfasst sind, noch in Venedig wohnen, weil sie keine Residenti sind, das ist nicht so einfach, Residenti zu werden."
Auf Murano, dem Zentrum der venezianischen Glasproduktion, tummeln sich wie auf der Hauptinsel die Besucher. Auf anderen Eilanden herrscht Totenstille, rotten ehemalige Kasernenanlagen oder Krankenhausbauten vor sich hin, erobert sich die Natur die Insel zurück. Der Architekt Philipp Oswalt hat das von der Bundeskulturstiftung geförderte Projekt "shrinking cities" angestoßen und im letzten Herbst erstmals auf der Architekturbiennale in Venedig vorgestellt. Das war der Anlass, die Probleme der verlassenen Inseln in der Lagune zu studieren. Ein Beispiel ist das Eiland La Gracia:
"Ist momentan aufgegeben, La Gracia war verbunden hier mit dem Krankenhaus., war für die Quarantäne der Kranken, das war Krankenhaus., was 1980 aufgegeben ist, die UN hat etwas entwickeln wollen, aber das ist nicht passiert, es steht einfach leer und harrt der Dinge. Vieles, was aufgegeben wurde, ist in staatlicher Verwaltung."
Auf einer anderen Laguneninsel versucht eine Hotelkette mit einem Nobelhotel Kunden anzuziehen. Immerhin zwei Drittel der kleineren Inseln sind heute jedoch Brachland, die touristische Nutzung ist hier nicht rentabel genug. Zum Niedergang trug nicht zuletzt die industrielle Entwicklung auf dem Festland bei mit dem neuen Industriegebiet Porto Marghera, das seit 1919 entstanden ist. Die Produktion wanderte dorthin ab, mit ihr die Arbeitsplätze. In den 1960er Jahren entwickelte sich Porto Marghera zu einem der bedeutendsten Standorte der Petrochemie in Europa. Die Lagune wurde für große Containerschiffe ausgebaggert, der Hafen erweitert. Thomas Krämer-Badoni beschreibt die mittlerweile katastrophalen Umweltfolgen:
"Die Luft, wenn Sie hier eine Weile sind, dann werden sie feststellen, die Luft ist dermaßen staubig, wie man es sonst kaum kennt, kommt alles von den Abgasen da drüben, das ist das Eine, das Zweite, dass es natürlich erhebliches Gift produziert und einleitet in die Lagune. Es ist schon seit Jahrzehnten verboten, aber jedes Jahr findet man irgendwelche Ableitungen. Das dritte Phänomen ist, es gibt verschiedene Gründe, die dazu führen, das Venedig sinkt. Das ist der zentrale Punkt, weil die Industrie, die am Lagunenrand gewesen ist, dort Grundwasser entnommen hat, die Grundwasserentnahme hat dazu geführt, das in den letzten 50 Jahren Venedig um zwölf Zentimeter gesunken ist."
Auch in Porto Marghera zeigt der Rückgang der Produktion Folgen: Viele Hallen stehen heute leer. Jetzt plant die Stadtverwaltung, Teile des Industriegebiets zu einem Wissenschaftspark zu transformieren, saubere High-Tech-Produktion anzusiedeln. Das Interesse der Investoren sei groß, behauptet ein Vertreter der Lagunenstadt. Der Transformationsprozess ist bereits in Gang gekommen, neue Büros entstehen entlang der Hauptstraße, die auch auf die Altstadtinsel führt. Ob sich der Einwohnerverlust dort jedoch umkehren lässt, ist fraglich. Ein normales Alltagsleben lässt sich dort kaum mehr führen, wichtige Einrichtungen fehlen mangels Nachfrage. Das Fazit des Architekten Philipp Oswalt von "shrinking cities":
"Es gibt keine Kinos mehr in Venedig, die Schulen werden weniger, die Infrastruktur, die damit zusammenhängt, verändert sich auch, es gibt Leute, die sagen, Venedig wird so etwas wie zu einem Themenpark, den Tagestourismus, nachts wird abgeschlossen."
Damit würde Venedig eines nicht sehr fernen Tages nur noch die Kulisse einer lebendigen Stadt bieten, die in Wirklichkeit längst untergegangen ist.