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Austauschschülerin aus Brasilien

Genau so, wie jährlich tausende deutscher Schülerinnen und Schüler ins Ausland gehen, um jenseits der Grenzen das Alltagsleben kennen zu lernen, kommen auch Schüler aus aller Welt nach Deutschland. Sie leben für einige Wochen oder Monate in Gastfamilien und besuchen deutsche Schulen. Damit so ein Aufenthalt für beide Seiten ein Erfolg wird, sollten sich Gastfamilien deshalb vorher selbstkritisch fragen, ob denn die Voraussetzungen für einen langfristigen Gast in der Familie gegeben sind. Armin Himmelrath hat die Familie Ruhland in Burscheid bei Leverkusen besucht, die zur Zeit mal wieder eine Gastschülerin zu Besuch hat.

Autor: Armin Himmelrath |
    Ausflugsplanungen am Wohnzimmertisch der Familie Ruhland. Seit vier Wochen haben Axel und Sylvia Ruhland eine dritte Tochter: Neben der 10jährigen Naima und der 12jährigen Charis gehört nun auch die 16jährige Carla zur Familie. Als Gastschülerin ist sie Familienmitglied auf Zeit. Die junge Brasilianerin ist zum ersten Mal in Deutschland.

    Ich habe Großeltern, die sprechen Deutsch. Und dann ich interessiere mich für Deutschland, weil meines Vaters Familie aus Deutschland ist. Und ich lerne als erste Fremdsprache in der Schule Deutsch. Und das ist für mich gut, weil ich dann mehr Deutsch sprechen kann. Ja, das ist alles.

    Vor drei Jahren hatten Ruhlands schon einmal eine Schülerin aus Südafrika zu Gast. Die Erfahrungen waren so gut, dass der Familienrat auch diesmal entschied: Carla soll zu uns kommen. Für das Familienleben sei das eine absolute Bereicherung, sagt Axel Ruhland.

    Ich find das einfach interessant, Menschen kennen zu lernen. Wir wären sonst so schnell nicht nach Brasilien gekommen, oder von dort jemanden als Gast hätten wir gar nicht gehabt, weil wir gar keinen Kontakt dahin haben. Und so ergibt sich das von selbst, das ist doch sehr schön.

    Auf dem Programm steht für Carla Holand vor allem normales Familienleben. Das ist schon ungewöhnlich genug, und hinzu kommen noch die Eindrücke des fremden Gastlandes.

    Es ist sehr kalt. Aber mein Bundesland ist auch kalt, aber nicht so kalt. Nette Leute, so. Ist wie in Brasilien, aber ist ein anderes Leben. Die Schule, die Arbeiten – alles anders. Es gibt hier viele Schulen – also Hauptschule, Gymnasium, und in Brasilien ist nur private Schule und die Schule der Regierung. Das ist ein bisschen anders.

    Gerade am Anfang, sagt Carla, sei ihr die Umstellung schwer gefallen. In den ersten Tagen waren deshalb Telefonate mit den Eltern in Brasilien ganz wichtig, um das Heimweh zu überwinden. Man müsse den Gastschülern unbedingt die Möglichkeit geben, sich in der neuen Umgebung gut einzuleben, betont Gastmutter Sylvia Ruhland.

    Was sicherlich von Vorteil ist, wenn ein Gastkind ein eigenes Zimmer hat. So können sich die eigenen Kinder zurückziehen, und was sehr viel wichtiger ist, das Gastkind auch. Es hat seinen eigenen Bereich. Also, wir zum Beispiel haben mehr oder weniger das Schlafzimmer geräumt und sind ins Dachstudio gegangen, um ihr einfach dann auch ihren Bereich zu geben.

    Solche eher technischen Aspekte seien aber nur eine Voraussetzung für einen gelungenen Aufenthalt, sagt Sylvia Ruhland. Mindestens genau so wichtig sei es, dass die Gasteltern gerade in der Phase des gegenseitigen Kennenlernens sehr sensibel auf das neue Familienmitglied zugehen.

    Was jetzt als Gastmutter auch so ist, dass man den Menschen ja erst langsam kennen lernen muss. Als sie die ersten Telefonate von zuhause bekommen hat, dann hat man schon gemerkt, dass die Tränen liefen, und man weiß aber gar nicht, oder ich weiß nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten kann. Soll ich sie in den Arm nehmen? Mag sie das, mag sie’s nicht? Mag sie lieber ihre Ruhe oder soll ich mit ihr sprechen, dass sie abgelenkt ist? Also, das sind schon – man ist auch gefordert. Auch als Gastmutter ist man gefordert, doch.