Durak: Nun sind aber die Politiker nicht Opfer der Medien, und wer sich freiwillig in Talkshows begibt, kommt darin um - beziehungsweise, man kann schon entscheiden, wen man wohin schickt, aber ist der Schritt von Friedrich Merz nicht doch als ein Rückschlag von Frau Merkel zu sehen, denn in dieser Situation jetzt auch noch sein Rückzug?
Austermann: Wenn Sie seine Begründung sehen, dann würde ich das nicht so verstehen. Er sagt ja, dass er die ganzen Diskussionen - und da geht es um Gesundheitsreform, um die Frage der Steuerreform -, die konkreten Debatten mit der CSU dadurch entkrampfen will, dass er sich ein Stück zurücknimmt. Das sehe ich nicht als Niederlage. Im Übrigen, wenn Sie manche Diskussionen der letzten Tage verfolgen, ist es durchaus nicht so, dass die Bevölkerung nicht mehrheitlich den Kurs trägt, den die Fraktionsvorsitzende und Bundesvorsitzende der Union will. Heute gibt es eine neue Umfrage, die sagt, 60 Prozent der Bürger sind für eine Volksabstimmung in Sachen Türkeifrage. Also wir müssen da schon unterscheiden zwischen dem, was Medien berichten, und dem, was in der Bevölkerung tatsächlich gewollt wird.
Durak: Aber warum muss sich dann Friedrich Merz zurückziehen, um sozusagen Personalquerelen aus der Sachdiskussion zu nehmen, wenn er denn den Reformkurs von Frau Merkel mitträgt, wenn er so ein kluger Mann ist?
Austermann: Er muss sich nicht zurückziehen. Er hat jederzeit die Möglichkeit, weiterzuarbeiten. Er hat von sich aus diese Begründung gegeben. Er will erkannt haben, dass die Debatte mit seinem Kontrahenten in der CSU, mit Herrn Seehofer dazu geführt hat, dass die Dinge nicht so richtig vorankommen, wie sie vorankommen müssten. Das hat er als Begründung genommen. Ich bin der Meinung, in solcher Situation - und so stand er eigentlich auch früher immer - muss man das durchstehen, muss man versuchen, seine Position zur Mehrheitsposition zu machen. Deswegen, sage ich, ist das seine Entscheidung. Ich hätte sie an seiner Stelle nicht getroffen.
Durak: Trifft er Sie speziell auch, wenn Sie denn im nächsten Jahr Landtagswahlen haben, und die Union nicht eben ein gutes Bild damit abgibt?
Austermann: Ich sage nochmals, das Bild beschränkt sich auf die Person von Friedrich Merz. Die Bundestagsfraktion ist dadurch nur bedingt betroffen. Aber ich sage Ihnen auch, dass das nicht die Wahl in Schleswig-Holstein entscheiden wird. Die Wahl in Schleswig-Holstein wird an der Tatsache entschieden, dass wir eine völlig ausgelaugte, abgewirtschaftete Regierung unter Frau Simonis haben, die das Land in einen schlimmen Zustand gebracht hat nach sechzehneinhalb Jahren. Die Menschen sehen, dass das Land die rote Laterne trägt im Vergleich zu allen anderen Flächenländern in Deutschland, und sie wollen eine Verbesserung. Unser Land kann mehr als Rot-Grün zur Zeit bietet. Das ist im Übrigen auf Bundesebene genauso. Über diese Frage werden wir diskutieren und nicht über Personalien.
Durak: Der Nachfolger von Friedrich Merz können oder wollen Sie vielleicht nicht werden. Sie wollen eigentlich Finanzminister werden, wenn Sie denn im Februar die Wahlen gewinnen, oder?
Austermann: Die Entscheidung, ob es in der gleichen Konstellation, wie wir sie jetzt im Fraktionsvorstand haben, bleibt oder nicht bleibt, ist noch nicht getroffen. Das werden wir in der nächsten oder übernächsten Woche machen. Wir haben ja den Vorstand bei der Neuwahl im Jahre 2002 völlig neu strukturiert, um eine Position erweitert. Möglicherweise ergibt sich auch die Situation, dass wir sagen, wir verkleinern den Vorstand wieder. Dann stellt sich die Frage gar nicht, wer welchen Nachfolger macht. Aber ich sage Ihnen ganz eindeutig, ich habe mich für Schleswig-Holstein entschieden, weil ich möchte, dass wir das Land zurückgewinnen und dass wir im Interesse des Landes eine bessere Politik machen, und deswegen setze ich in Schleswig-Holstein ganz eindeutig auf Sieg.
Durak: Ist vielleicht auch der Druck aus München zu groß gewesen von der CSU, inzwischen so stark geworden, die Richtung in der Gesundheitspolitik, die Besetzung wichtiger Politikfelder mit Blick auf 2006? Einzelne CSU-Politiker, die schienen ja gestern kaum noch zu bremsen vor Verlustanzeichen und Trauer um Friedrich Merz Abgang.
Austermann: Ja, das war natürlich nicht sehr überzeugend, muss ich sagen, denn auch die CSU hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass die Situation auch demoskopisch so ist, wie sie zur Zeit ist. Insbesondere dass dort die ersten Reaktionen gekommen sind in der Form, wie sie gekommen ist, das spricht eigentlich eher dafür, dass man nun glaubt, seine eigene Position möglicherweise in Zukunft stärker spielen zu können. Meine Haltung wäre das nicht gewesen. Ich habe zunächst geglaubt, der Friedrich Merz sagt, nach 15 Jahren in der Politik habe ich jetzt eine andere Lebensplanung, ich habe ein Alter erreicht, in dem man sich noch mal überlegt, etwas völlig anderes zu machen. Das sollte in der Politik zur Selbstverständlichkeit gehören. Die Begründung, die er heute gibt, und die Perspektive, die er heute andeutet, spricht gegen diese Erwartung. Die CSU hat natürlich ein Interesse daran, möglichst stark zu sein in der Zusammenarbeit mit der CDU. Das verstehe ich einerseits. Auf der anderen Seite ist es ganz eindeutig so - das sagen alle Mitglieder, das sagen unsere Bürger -, wir können nur gemeinsam gewinnen, und dazu gehört, dass sich die CSU gelegentlich noch mehr zurücknimmt.
Durak: Ich möchte noch einmal auf die Medien zurückkommen. Die Politiker sind doch keine willenlose Instrumente in den Händen der Medien. Politiker geben Interviews im Fernsehen, im Morgenmagazin, in anderen Sendungen, in den ersten Programmen der ARD-Hörfunkanstalten, bei uns und anderswo. Sie haben doch die Gelegenheit, jeweils zur Sache zu sprechen. Weshalb erscheint dann das Bild bei den Leuten so - und sie beschreiben es ja so -, die CDU und die CSU ergeben ein schlechtes Bild, und sie sagen, die Medien sind Schuld?
Austermann: Ja, das hängt damit zusammen, wen man einlädt. Wenn Sie sich beispielsweise eine der meist gesehenen Sendung, die ich deswegen trotzdem nicht für gut halte, am Sonntag Abend ansehen, dann werden Sie feststellen, dass immer die gleichen Leute eingeladen werden. Eine große Langeweile breitet sich aus. Wenn Sie nicht eine bestimmte Funktion innerhalb einer Partei haben, dann werden Sie gar nicht eingeladen. Das heißt, das fixiert sich. Sie können sich auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln, Sie werden nicht zur Kenntnis genommen, und das betrifft einen großen Teil von Kollegen, die ich durchaus für fähig halte, dass sie öffentlich öfter mal in Erscheinung treten. Dann heißt es nachher, das Personaltableau ist ausgedünnt. Sie werden feststellen, dass, wenn wir eine Änderung vornehmen in der Zusammensetzung unserer Fraktionsspitze, ziemlich rasch sich die Lage verändert haben wird - das war in der Vergangenheit auch so. Aber auf der anderen Seite lieben natürlich die Medien auch besonders die Leute einzuladen, die eine Außenseiterposition haben. Das war mit Geißler so, das ist zur Zeit mit Blüm so, das ist in anderen Parteien mit Herrn Gysi so, der ja überhaupt nicht für seine extremistische Partei steht, und bei vielen anderen, die immer wieder eingeladen werden. Das ist wirklich eine Entscheidung der Medien. Da kann die Politik wenig Einfluss drauf nehmen.
Durak: Und die freie Wahl, in die Talkshows zu gehen oder Interviews zu geben, haben aber doch die Politiker, oder?
Austermann: Nur dann, wenn sie eingeladen werden. Wenn sie nicht eingeladen werden, können sie sich nicht vor die Tür stellen und sagen, ich möchte hier gerne rein, wie der Kanzler es mal im Kanzleramt gemacht haben soll.
Durak: Der hat es geschafft.
Austermann: Das ist richtig. Wir bemühen uns ja auch, durch qualifizierte Arbeit Positionen zu erreichen, dass möglichst viele von uns nach außen deutlich machen, die Union ist bereit, die Regierung 2006 zu übernehmen, und sie ist auch personell dazu in der Lage. Sie werden in den nächsten Wochen sehen, dass wir auch genügend gutes Personal haben, dass Lücken die entstehen, auch geschlossen werden.
Durak: Nicht nur Mut zur Lücke, sondern Mut auch zum Nein wünschen wir der CDU. Schönen Dank für das Gespräch.
