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Austern im Wattenmeer

Ein bis zwei Euro kostet eine Auster im Geschäft - so viel Geld für so wenig Essbares geben die Meisten von uns wohl nur zu besonders feierlichen Anlässen aus. Wie zum Beispiel Weihnachten oder Silvester. Austern gibt es auch an der deutschen Nordseeküste, gezüchtet werden sie im Wattenmeer vor Sylt.

Von Annette Eversberg |
    Weihnachtszeit ist Austernzeit. In der einzigen deutschen Austernzucht in List auf Sylt, die der Safthersteller Dittmeyer betreibt, werden nicht nur Austern verspeist. Hier läuft auch der Versand auf Hochtouren. Leo Wuggazer ist für die Sylter Royal, so der Markenname verantwortlich.

    Wir sprechen von einer Million, die wir im Jahr verkaufen. Es gibt natürlich auch Spitzenmonate, wo wir am Tag so 15.000 bis 20.000 am Tag verpacken müssen, die rausgehen. Frage: Wie hoch ist denn der Marktanteil, denn es gibt ja auch Austern aus Frankreich. Antwort: Ich denke 25 Prozent haben wir schon erreicht in den Jahren, die wir es jetzt machen, seit 1986.
    Die Austern, die jetzt in den Helterbecken in einer großen Halle untergebracht sind, wachsen von Frühjahr bis Herbst auf der 30-Hektar-großen Farm im Wattenmeer zwischen der Nordspitze von Sylt und dem Hindenburgdamm. Dort werden – so Austernfischer Leo Wuggazer – auch die jungen Muscheln ausgesetzt.

    Wir kriegen sie aus Irland, da haben wir einen speziellen Züchter, der die gleiche Form und Art der Auster hat. Und die werden dann dort gekauft und liegen dann hier draußen, immer hier im Wattenmeer oder bei uns im Betrieb. Dann werden die durchsortiert, je nach Größe, kommen wieder raus, und das zieht sich zwischen zweieinhalb und drei Jahre hin.

    Doch die Austern in der Sylter Zucht wachsen nicht nur schnell, sie laichen auch in den Sommermonaten kräftig ab. Das heißt, sie haben sich im schleswig-holsteinischen Wattenmeer inzwischen tüchtig ausgebreitet, obwohl es eigentlich nicht die Austernart ist, die früher im Wattenmeer vorkam, betont Dr. Georg Nehls vom NABU.

    Das ist nicht die europäische Auster, die ist vor über 100 Jahren im Wattenmeer ausgestorben, sondern es geht um die pazifische Auster, Crassostrea gigas, auch die krause Auster genannt, die ist auf Sylt aber auch in vielen anderen Bereichen der Nordsee eingeführt worden. Es ist eine pazifische Auster, die aus viel wärmeren Gebieten kommt, man hat nicht geglaubt, dass sie sich ausbreiten würde, es hat auch ein paar Jahre gedauert, aber seit 1990 sieht man es sind auf Muschelbänken sehr viele Austern vorhanden.

    Das liegt daran, dass eine einzige Auster bis zu 100 Millionen Eier hervorbringen kann, aus denen entsprechend viele Larven schlüpfen, erläutert Susanne Diederich, die für das Alfred-Wegener-Institut die Austern auf Sylt untersucht.

    Diese Larven schwimmen bis zu vier Wochen in der Wassersäule umher und in diesen vier Wochen können die Larven sehr weit verdriftet werden, wenn sie dann auf eine Muschelschale stoßen, oder einen Stein, oder auf eine Hafenbefestigung, dann kann sie sich die Larve dort heranwachsen.

    Die Nährstoffbedingungen im Wattenmeer sind ideal. Das gilt nicht nur für Miesmuschel, sondern auch für die Austern. Außerdem ist die pazifische Auster immun gegen Krankheiten, die die Schalentiere befallen können. Ganze Riffe haben sich schon gebildet. Und sie scheinen in Konkurrenz zu den Miesmuscheln und anderen Arten zu treten. Susanne Diederich verweist jedoch darauf, dass das Wattenmeer immer wieder mit eingeschleppten Arten zurecht kommen muss:

    Hier ist es jetzt so, dass es hier im Wattenmeer sehr viel Nahrung gibt, und es ein junger Lebensraum ist, der noch nicht so stark besiedelt ist, dass es keinen Platz mehr geben würde. Meiner Meinung nach hat die Auster einen freien Platz gefunden und es wird nicht dazu kommen, dass durch die Auster eine andere Art aussterben muss.

    Dass es wieder wilde Austern gibt, das hat sich nicht nur bei den Küstenbewohnern, sondern auch den Touristen im Wattenmeer herumgesprochen. Und zuweilen entsteht eine richtige Goldgräbermentalität. Obwohl sie keineswegs mit der Sylter Royal aus der Austernzucht zu vergleichen sind. Diese Austern werden in Säcken gehalten und mehrfach gedreht, damit sie alle dasselbe Nahrungsangebot haben und in eine bestimmte Form wachsen, die sich auf dem Markt verkaufen lässt. Die wilde Auster aus dem Nationalpark Wattenmeer steht dagegen unter Schutz. Georg Nehls vom NABU nennt den Grund:

    Weil die Muschelfischerei im Wattenmeer so geregelt ist, dass nur wenige Betriebe eine Genehmigung haben. Und ansonsten sind die Muschelarten generell im Nationalpark eben geschützt.