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Australien kauft neue Waffen

100 zusätzliche Kampfflugzeuge, sechs U-Boote, acht Kriegsschiffe - Australien plant das umfassendste Rüstungsprogramm in der Geschichte des Landes. 70 Milliarden US-Dollar will die Labourregierung für neue Waffen ausgeben. Damit will das Land auf die militärische Aufrüstung im gesamten asiatisch-pazifischen Raum reagieren.

Von Andreas Stummer |
    Garden Island, das Hauptquartier der australischen Marine im Hafen von Sydney: Premierminister Kevin Rudd hat sich verspätet. Eine Militärkapelle vertreibt den geladenen Gästen an Deck einer Fregatte die Zeit. Die Besatzung ist in ihren weißen Ausgehuniformen angetreten. Generäle der Luftwaffe, der Armee und der Marine und die Presse werden langsam ungeduldig. Doch das Warten lohnt sich.

    In einer 15-minütigen Rede revidiert Premier Rudd Jahrzehnte australischer Militärpolitik. Flankiert von zwei Nationalflaggen verkündet er das umfassendste Rüstungsprogramm in der Geschichte Australiens; mitten in einer Rezession.

    "Als Premier Australiens bin ich in erster Linie für die Sicherheit unseres Landes verantwortlich - und ich denke gar nicht daran, mich dafür zu rechtfertigen. Wir bauen unser Militärprogramm spürbar aus, weil auch anderswo - in Asien und im übrigen pazifischen Raum - aufgerüstet wird. Das ist eine Tatsache."

    Die Einkaufsliste der australischen Streitkräfte über die nächsten 20 Jahre ist lang: Mehr als 100 modernste Kampfflugzeuge und Hightech-Hubschrauber, dazu 1100 gepanzerte Fahrzeuge; acht neue Kriegsschiffe. Die Zahl der U-Boote soll auf zwölf verdoppelt werden und die Flotte mit weitreichenden Mittelstreckenraketen ausgerüstet werden.

    Australien wäre damit, neben den USA, das einzige Land im pazifischen Raum, das Cruise Missiles besitzt. Premier Rudd soll das Okay von Präsident Obama per Handschlag bei seinem Antrittsbesuch in Washington bekommen haben: eine Geste unter Freunden. Denn Australien und die USA können sich seit Ende des Zweiten Weltkrieges aufeinander verlassen.

    19. Februar 1942: Der Zweite Weltkrieg erreicht Australien. Die japanische Luftwaffe bombardiert die Hafenstadt Darwin im Norden des Kontinents. Mehr als 200 Menschen sterben, Hunderte werden verletzt. Australien macht mobil. Nur 300 Kilometer vor der eigenen Landesgrenze stellen sich die australischen Soldaten den Japanern im Dschungel von Papua-Neuguinea entgegen.

    Den Australiern gelingt es, die kaiserlichen Truppen zurückzuschlagen, an der Seite der USA helfen sie mit, den Vormarsch der Japaner im Pazifik aufzuhalten. Zwei Jahre später ist der Krieg vorüber. Australien hatte einen neuen Verbündeten. Seitdem konnten die USA in jedem bewaffneten Konflikt mit den Australiern rechnen: in Korea, in Vietnam und - zweimal - am Golf.

    März, 2003: Es brauchte nur zwei Telefonanrufe von Präsident Bush und 2500 australische Soldaten stehen bereit, um im Irak einzumarschieren. Der damalige, konservative Premier John Howard spricht von "nationalem Interesse". Zum ersten Mal greift Australien als Aggressor ein anderes Land; ohne Debatte im Parlament und ohne Zustimmung der Bevölkerung.

    Mehr als eine Million Menschen gehen auf die Straße, in Umfragen sind nahezu 80 Prozent der Australier gegen einen Irak-Feldzug ohne UN-Mandat. Eine Koalition der Unwilligen fordert für das australische Militär weniger Kriegseinsätze und mehr Friedensmissionen; ähnlich wie in Osttimor.

    Dili, 2005: Nach sechs Jahren an der Spitze einer internationalen Friedenstruppe ziehen Hunderte australische Soldaten mit Blumen in ihren Gewehrläufen aus der Hauptstadt Dili ab. Wenig später werden die Truppen in die Südsee geschickt, um einen Bürgerkrieg auf den Salomonen zu befrieden. Sicherheitsexperte Alan Dupont glaubt nicht, dass jetzt, 2009, größer unbedingt besser ist. Er hofft, dass die Regierung beim Ausbau des Militärs nicht nur die Krisenherde in aller Welt, sondern auch die in Australiens unmittelbarer Nachbarschaft im Auge behält.

    "Ich fürchte, die Regierung gibt zu viel Geld für teuere Hightech-Waffen aus, die sie nie brauchen wird. Das Militär darf nicht vergessen, dass es vor allem für Aufgaben in unserer Region gerüstet sein muss."

    Premier Rudd will sich die Aufrüstung des australischen Militärs mehr als 50 Milliarden Euro kosten lassen - trotz Rezession, Finanzkrise und Kreditklemme: ein Haufen Geld. Verteidigungsexperte Andrew Davies aber ist sicher, dass jeder Cent gut angelegt ist.

    "Die Machtverhältnisse in Asien verschieben sich. Die Zeit, in der die großen, asiatischen Nationen vor ihrer eigenen Haustür kaum Einfluss hatten, ist vorbei. Bisher waren die USA und ihre Verbündeten - darunter auch Australien - die bestimmenden Militärmächte in der Region. Das wird sich in Zukunft ändern."

    Unter Premier Howard und Präsident Bush waren die Australier meist nicht mehr als der Hilfssheriff der Weltpolizei USA, ein Außenposten Washingtons. Kevin Rudd aber möchte will, dass Australien - auch militärisch - mehr auf eigenen Füßen steht. Vom Indischen Ozean bis in den Pazifik. Denn sollte China tatsächlich mit dem Säbel rasseln, dann steht Canberra bereit, die Rolle des Krisenmanagers zu spielen. Und ein stärkeres Australien, glaubt Rudd, ist dafür einfach besser gerüstet.

    "In Asien und im Pazifik kann es zu Spannungen kommen, wenn die Interessen der USA, Chinas, Japans, Indiens und Russlands aufeinandertreffen. Vor allem die Expansion Chinas birgt sicherheitspolitische Gefahren. Sollte es zu Konflikten kommen, dann steht Australien als Vermittler bereit. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, aber es kann immer zu Missverständnissen kommen."

    Es überrascht, dass ausgerechnet Kevin Rudd China zum Unruheherd erklärt. Denn während der übrige Westen ein eher frostiges Verhältnis zur Staatsführung in Peking hat, herrschte in den Beziehungen zwischen Australien und China bislang politisches Tauwetter.

    Er kam, sah - und redete Fachchinesisch. Kevin Rudd spricht nicht nur fließend Mandarin, er war lange Zeit als Diplomat in China und weiß, wie sehr beide Länder aufeinander angewiesen sind. China ist Australiens größter Warenmarkt und Australien ist Chinas bedeutendster Energie- und Rohstofflieferant. Keiner kann ohne den anderen und daran werden wohl auch eine Handvoll australische Mittelstreckenraketen nichts ändern.