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Australien und die NSA
Fünf Freunde für Totalüberwachung

Nachdem China mehrere Cyber-Angriffe auf australische Regierungsgebäude initiiert hat, herrscht zwischen den beiden Staaten dicke Luft. Peking will wissen, was Australien weiß. Denn gemeinsam mit den USA, England, Kanada und Neuseeland hört Australien die ganze Welt ab.

Von Andreas Stummer | 10.05.2014
    Symbolfoto Netzwerkkabel mit dem Logo der National Security Agency (NSA)
    Der amerikanische Geheimdienst arbeitet mit vier anderen Staaten daran, den ganzen Globus zu überwachen. (dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper)
    Unterwegs im Regierungsviertel von Canberra. Anti-Terrorexperte Athol Yates zeigt die etwas anderen Sehenswürdigkeiten der australischen Hauptstadt: bombensichere Stahltore und tiefe Schutzgräben vor Regierungsgebäuden, schussfeste Bürofenster. Rund ums Parlament zieht sich eine hüfthohe, 40 cm dicke Betonmauer. Man könnte meinen, Staatsgeheimnisse wären hier gut aufgehoben. Doch ausgerechnet das ASIO-Hochsicherheitsgebäude, das brandneue 500 Millionen Euro teuere Hauptquartier des australischen Geheimdienstes, wurde von den Chinesen verwanzt und das interne Datensystem gehackt. Für Tim Morriss, den obersten Computer-Polizisten des Landes, ist Chinas erfolgreiche Cyberattacke auf Australiens Spionagezentrale nur die Spitze des Reisbergs.
    "Die Cyber-Angriffe aus China häufen sich. Erst war es das Außenministerium, dann die Notenbank. Niemand ist sicher. Weder die Regierung, noch Unternehmen."
    Bleibt die Frage: Warum Australien? Was weiß der australische Geheim- und Nachrichtendienst, was die Chinesen nicht wissen? "Eine ganze Menge", glaubt Des Ball, ein Spezialist für Informationssicherheit an der Universität Canberra. Denn Australien gehört zu den "fünf Freunden". Zusammen mit den anderen vier - USA, England, Kanada und Neuseeland – haben die Australier ein Auge auf ihre Nachbarn. Nicht nur China. Deshalb heißt die Gruppe "Five Eyes", erklärt Des Ball. Ein harmloser Name für einen internationalen Spionage-Pakt.
    "Dieses Abkommen teilt die Welt in Regionen auf, in denen Informationen gesammelt werden. Australien ist für alle Länder um den Indischen Ozean bis hin zum westlichen Pazifik zuständig. Das ist unser Überwachungsgebiet und was immer wir dort ausspionieren, das teilen wir mit den Amerikanern."
    Australische Botschaften bespitzeln ihre Gastgeber
    Australiens acht Überwachungsstationen sind über den ganzen Kontinent verteilt. Sie fangen jede Form von Satelliten-Kommunikation auf, hören Telefongespräche ab, und lesen oder speichern Emails. Von Pine Gap in Zentralaustralien aus werden China und Südost-Asien ausspioniert, für die Briten wird ihre frühere Kolonie Hongkong von der australischen Westküste aus überwacht. Dazu kommt "State Room", eine Art "Wolf im Schafspelz"-Programm bei dem australische Botschaften und Hochkommissariate ihre Gastgeber bespitzeln. In Bangkok, Jakarta, Kuala Lumpur und Peking, selbst in Port Moresby, Papua Neuguinea. Das alles wäre top secret. Wären die Australier nicht dabei ertappt worden, wie sie die Mobiltelefone von Indonesiens Staatschef Yudionho und dessen Frau angezapft haben. Geheimdienst-Experte Hugh White wundert sich nicht, dass seitdem Eiszeit zwischen beiden Ländern herrscht.
    "Indonesien hätte gerne, was Angela Merkel von Präsident Obama in einer ähnlichen Situation bekommen hat: Ein Versprechen, dass es nicht wieder passieren wird. Regierungen spionieren einander aus, das ist nun einmal so. Aber die erste Regel im Geheimdienst-Geschäft ist, sich nicht dabei erwischen zu lassen."
    Jeder will Antworten, aber niemand redet, aus Geheimnisträgern sind in Australien Geheimniskrämer geworden. Der einzige Kommentar, den die Regierung abgibt, ist, dass sie zu Sicherheitsfragen keinen Kommentar abgibt. Eines aber ist nicht top secret. Australien spioniert im Auftrag der US-Sicherheitsbehörden.
    Eine Daten-Einbahnstraße, die der frühere Geheimdienstler Hugh White für eine Sackgasse hält.
    "Edward Snowden hatte Zugang zu unglaublich viel klassifiziertem Material - auch zu Australiens Staatsgeheimnissen. Wir machen die Drecksarbeit der Amerikaner und sie gehen so sorglos mit unserer nationalen Sicherheit um? Das ist ein weiterer Beweis für die schiere Inkompetenz der NSA. Die US-Regierung sollte sich dafür bei der australischen entschuldigen."
    Wenn jeder alles über jeden weiß, dann bräuchte eigentlich auch niemand mehr Geheimnisse voreinander zu haben. Doch solange die strategische Zukunft der USA nicht mehr im Atlantik, sondern im Pazifik liegt, wird Australien weiter für die Amerikaner dort Augen und Ohren offen halten. Vertrauen ist gut, Spionage ist besser. Australiens Geheimdienst ASIO wird sich jedenfalls nicht auf seinen vier Buchstaben ausruhen können.