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Australien
Warten auf den großen Anschlag

13 Mal wurde in Australien in den vergangenen drei Jahren ein Terrorakt verhindert. Ein Superministerium gegen den Terror, Wachdienste vor Touristenattraktionen, Betonblöcke in Fußgängerzonen: Was niemandem gefällt, soll beruhigen. Die Regierung richtet sich auf eine jahrelange Bedrohungslage ein.

Von Andreas Stummer | 26.08.2017
    An der Southern Cross Station passieren Fußgänger am 8. Juli 2017 quadratische und farbig gestaltete Betonblöcke, die gegen die Terrorgefahr neu installiert worden sind.
    Quadratische Betonblöcke an der Southern Cross Station in Melbourne sollen gegen Terrorattacken schützen. (imago/Xinhua)
    Auf einer etwas anderen Stadtrundfahrt durch das Regierungsviertel von Canberra. Der Anti-Terrorexperte Athol Yates zeigt durchs Autofenster die Sehensunwürdigkeiten der australischen Hauptstadt. Bombensichere Stahltore und tiefe Schutzgräben vor den Regierungsgebäuden, schussfeste Bürofenster, Metalldetektoren und Wachmänner. Rund um das Parlament zieht sich eine hüfthohe, 40 Zentimeter dicke Betonmauer. Früher konnten Besucher auf dem begrünten Dach picknicken, heute gilt: Betreten verboten.
    "Es ist eine Schande, aber heutzutage wohl notwendig. Niemand gefällt es, aber wir können es nicht ändern", meinen zwei Anwohner.
    "Würde etwas passieren, ohne diese Sicherheitsmaßnahmen, gäbe es Proteste. Aber so sind die Leute auch nicht zufrieden. Die Regierung sitzt zwischen allen Stühlen."
    Im Jahr 2014 wurde die Terrorstufe in Australien auf "wahrscheinlich" erhöht, die Sicherheitsbehörden fragen sich längst nicht mehr ob, sondern nur noch wann es zu einem großangelegten Anschlag kommt.
    13 Mal konnte in den vergangenen drei Jahren ein Terrorakt im Land verhindert werden, erst letzten Monat wurde eine Zelle radikaler Islamisten ausgehoben, die geplant hatte, in Sydney eine Bombe an Bord eines Flugzeuges zu schmuggeln. Für Premier Malcolm Turnbull höchste Zeit zu handeln:
    "Es sind die weitreichendsten Reformen seit 40 Jahren", sagte Turnbull.
    "Wir haben Hassprediger im Land"
    Australiens Sicherheitsbehörden werden in einem Super-Ministerium zentralisiert, das Einwanderung, Grenzschutz, den Geheimdienst und innere Sicherheit umfasst. Zuständig für all das ist jetzt Peter Dutton, der es als Einwanderungsminister Bootsflüchtlingen unmöglich gemacht hat, mit Hilfe von Schleppern durch die Hintertür nach Australien zu kommen:
    "Wir haben nicht nur heute ein Problem mit Terrorismus, diese Bedrohung wird über Jahre anhalten. Wir haben Hassprediger im Land, junge Leute werden online radikalisiert und es gibt IS-Sympathisanten unter muslimischen Mitbürgern. Australien ist sicherer, wenn wir all unserer Sicherheitskräfte bündeln - auch vor möglichen Terrorattacken."
    Bei den Terrorattacken von Nizza, London, Hamburg und Barcelona wurden mehr als hundert Menschen mit Fahrzeugen getötet, deshalb sollen künftig mehr Betonpoller, Treppen, Blumenkübel oder Bäume die Sicherheit auf Australiens öffentlichen Plätzen verbessern. Städtedesigner, aber auch die Organisatoren von Festivals, Sportveranstaltungen, Volksfesten oder Konzerten würden Hilfe bei der Planung von Sicherheitsmaßnahmen bekommen.
    In Sydney werden schon jetzt das Opernhaus und die Harbour Bridge rund um die Uhr von Wachdiensten patrouilliert, die Fußgängerzone in Melbournes Innenstadt wurde mit Betonklötzen gesichert, und an allen australischen Flughäfen gibt es verschärfte Gepäck- und Personenkontrollen.
    "Alarmbereitschaft ist gut", sagt der Anti-Terrorexperte Rick Smith, "aber sichtbare Sicherheitsmaßnahmen sind besser."
    "Den Privatsektor miteinzubeziehen sieht auf den ersten Blick gut aus, aber es sind einige Fragen offen: Wer trägt die Kosten, und vor allem wer trägt die Verantwortung, wenn es trotz verstärkter Sicherheit zu einem Anschlag kommt ? Die Idee ist gut, aber ob sie auch funktioniert, das muss sich erst herausstellen."
    Australien ist mehr denn je gegen Terrorgefahr gerüstet. Die Zusammenarbeit zwischen der Regierung, den Sicherheitsbehörden und dem Militär enger, die Koordination reibungsloser. Allein in den letzten drei Jahren gab es 30 Razzien im Land und mehr als 70 Festnahmen, aber auch fünf tödliche Geiselnahmen oder Attentate radikal-islamischer Täter.
    "Die Einschläge kommen immer näher", warnt Rugby-Coach Erik de Haart, der 2002 beim Bombenanschlag von Bali sechs seiner Spieler verlor. Sydney oder Melbourne wären genauso im Fadenkreuz der Terroristen wie London, Paris, Brüssel oder Barcelona:
    "Ich bin nicht mehr so naiv zu glauben, dass man uns Australier überall mag und gern mit uns zusammen ist. Früher dachte ich: Das Beste an Australien ist, dass wir von all den Sorgen der Welt weit weg sind. Das stimmt jetzt nicht mehr."