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Australiens Regierung unter Druck

Das in den Neunzigern im Irak eingeführte UN-Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel" galt lange als richtungsweisend. Einnahmen, die der damalige Diktator Saddam Hussein aus Öl-Verkäufen erwirtschaftete, wurden von der UN verwaltet und darauf verwendet, Lebensmittel und humanitäre Güter in den Irak zu bringen. Über 4500 internationale Firmen beteiligten sich an dem Programm. Doch mehr als die Hälfte bezahlte dabei Schmiergelder an den Irak. Über den Skandal, der in Australien weite Kreise zieht, berichtet Andreas Stummer.

Von Andreas Stummer |
    Weizenernte auf der Farm von Leon Bradley, zwei Autostunden nördlich von Melbourne. Das goldgelbe Korn wird auf Lastwagen geladen und dann in riesigen Silos gelagert. Zum ersten Mal in zehn Jahren hat Bradley keinen Abnehmer. Bisher ging all sein Getreide im Rahmen des "Öl-für-Lebensmittel"-Programms der Vereinten Nationen in den Irak. Jetzt aber bleibt der Farmer darauf sitzen. Denn der damalige Diktator Saddam Hussein kaufte nur deshalb australisches Getreide, weil ihm der Weizen-Exporteur AWB Schmiergelder in Millionenhöhe bezahlte.

    " Der australische Getreideverband hat ein humanitäres Hilfsprogramm missbraucht, das den Menschen im Irak helfen sollte, die unter Saddam litten. Damit hat man Profit gemacht - und Saddam Millionen davon abgegeben. Etwas Verachtenswerteres kann ich mir kaum vorstellen. "

    AWB ist Australiens einziger Getreide-Exporteur. Jedes Korn, das im Land produziert und ausgeführt wird, vertreibt AWB. Bis zum Sturz Saddams brachte der Verband für die UN insgesamt sieben Millionen Tonnen Weizen in den Irak. Damit war AWB Saddams größter Lebensmittel-Lieferant. Der Auftrag war so lukrativ, dass die australischen Getreide-Manager ohne zu zögern bezahlten, als das irakische Regime plötzlich "Transportkosten" berechnete. Ausgaben, die nie anfielen - und jahrelang auch nicht auffielen. So wanderten insgesamt 180 Millionen Euro von AWB direkt in die Taschen von Saddam Hussein.

    " Dieser Skandal ist eine Schande für Australien. Ich schäme mich für unser Land", sagt Labor-Oppositionsführer Kim Beazley, "wir haben den bewaffneten Aufstand im Irak mitfinanziert, der die australischen Truppen dort gefährdet und bereits tausende US-Soldaten und unzählige Irakern das Leben gekostet hat. Es ist unsere moralische Pflicht diese Machenschaften näher zu untersuchen."

    Ob tatsächlich australisches Schmiergeld im Irak für Bomben, Waffen und Selbstmord-Attentäter abgezweigt wurde, klärt derzeit ein Untersuchungsausschuss. Doch das Gremium hat nur beschränkte Befugnisse: Parlamentarier oder Minister können nicht als Zeugen vorgeladen werden. Diese Woche haben Mitarbeiter von AWB erstmals die Schmiergeldzahlungen an das irakische Regime zugegeben, das Management aber behauptet weiter selbst von Saddam durch Scheinfirmen getäuscht worden zu sein. Und die Regierung in Canberra versichert sich nie in die Geschäfte des nationalen Getreide-Exporteurs eingemischt zu haben. Labors außenpolitischer Sprecher Kevin Rudd ist empört.

    " Als sich unsere Regierung darauf vorbereitete dem Irak den Krieg zu erklären hätte sie sich auch darum kümmern müssen, was australische Firmen dort im Land treiben. Unser Getreide war der wichtigste Import-Artikel im/ für den Irak.. Die Regierung hat versagt. Dadurch haben unsere Sicherheit und internationale Glaubwürdigkeit gelitten. Australien gilt jetzt als ein Land, das Sanktionen einfach missachtet."

    Briefe und Emails zeigen wie eng die australische Regierung und AWBs Management auch nach der Privatisierung des Getreide-Exporteurs zusammenarbeiteten. Doch die Frage ist: Wie viel wussten Regierungsstellen von den Schmiergeldern. Die Antwort von Außenminister Alexander Downer: Überhaupt nichts.

    " Wir lehnen Korruption und Schmiergelder ab. Es war nie die Politik der australischen Regierung einfach wegzusehen damit Bestechungsgelder bezahlt werden können. Wenn wir davon erfahren hätten, dann wären wir auch dagegen vorgegangen."

    Doch die australische Regierung wurde mehrmals gewarnt. Seit langem warfen Kanada und die USA den Australiern vor die UN-Sanktionen im Irak zu verletzen. Als Mitglieder des US-Senats letztes Jahr die australischen Getreide-Lieferungen an den Golf näher untersuchen wollten, gab ihnen Australiens Botschafter in Washington sein Ehrenwort, dass alles mit rechten Dingen zugehe. Damit zufrieden ließ US-Senator Tom Daschle alle offiziellen Ermittlungen einstellen. Heute weiß er, dass er belogen wurde.

    " Ich bin in meiner Zeit als Politiker noch nie so getäuscht worden. Wir haben die australische Regierung um Aufklärung gebeten wie das alles passieren konnte. Wir wollten Antworten und haben keine bekommen."

    Die USA und Kanada sind Australiens Haupt-Konkurrenten auf dem Welt-Getreidemarkt. Beide Länder wollen seit Jahren Weizen an den Irak liefern. Die Australier aber haben die besseren Kontakte. Die Manager von AWB sprechen fließend arabisch und haben im Hafen von Umm Qasr, zum Entladen des australischen Getreides, sogar ein eigenes Dock gebaut. Der frühere AWB-Mitarbeiter Andrew Vincent meint: Wer erfolgreich Weizen an den Irak verkaufen will, der darf keine kleinen Brötchen backen.

    " In diesem Teil der Welt gehören Schmiergelder und versteckte Zahlungen mit zum Geschäft. Das ist nun einmal die Realität. Und wenn australische Exporteure die Behörden nicht schmieren, dann machen das eben unsere Konkurrenten. Wir laufen jetzt Gefahr nicht nur den Irak-Auftrag für Weizen zu verlieren, sondern vielleicht auch andere Märkte im Mittleren Osten."

    Nirgendwo in Australien sind die Konservativen populärer als in ländlichen Gebieten. Sollte sich aber zeigen, dass die Regierung von den Schmiergeld-Zahlungen gewusst oder sie gebilligt hat, könnte sich das ändern. Die meisten Weizenfarmer besitzen Anteile am Getreide-Exporteur AWB. Seit der Irak-Skandal publik wurde ist der Aktienpreis um die Hälfte gefallen. Die Zukunft der australischen Getreide-Industrie steht auf dem Spiel. Viele Weizen-Farmer fürchten, dass ihr früher guter Ruf international - vielleicht für immer - ruiniert ist. Und einige werden deshalb wohl die Flinte ins Korn werfen müssen.