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"Austritt" einer katholischen Schule

In den meisten Bundesländern sind katholische oder evangelische Schulen fest in Kirchenhand. In NRW gibt es solche Bekenntnisschulen auch in öffentlicher Trägerschaft. Nur so war es möglich, dass sich in Köln eine Elternschaft für den "Austritt" aus der Kirche und die Umwandlung der Bildungseinrichtung in eine staatliche Gemeinschaftsschule entscheiden konnte.

Von Andrea Lueg | 02.04.2012
    Der Kölner Stadtteil Rath hat etwas von perfekter Vorstadtidylle: gepflegte Einfamilienhäuser, ruhige Straßen und vor Ort alles, was man braucht. Unter anderem zwei katholische Grundschulen. Rath ist CDU-Hochburg, der Anteil der Katholiken hier ist selbst für Kölner Verhältnisse überdurchschnittlich hoch. Migranten gibt es nur wenige. Und ausgerechnet hier haben Eltern in dieser Woche eine der katholischen Grundschulen abgeschafft. Sie soll Gemeinschaftsschule werden. Der Grund ist nicht etwa ein Religionskrieg: Die Schule findet schlicht keine Schulleitung.

    "Seit dem letzten Schuljahr ist die Schulleiterstelle kommissarisch besetzt, unserer jetzige Schulleiterin ist evangelisch und wir haben die achte Ausschreibung, um die Schulleiterstelle zu besetzen, hinter uns: erfolglos - leider hat sich bisher keiner beworben. Das hat die Elternschaft - beziehungsweise die Schulpflegschaft - unserer Schule bewogen, zu Anfang des Jahres dem entgegenzutreten."

    Elternpflegschaftsvorsitzende Meike Gilbers hat überhaupt nichts gegen die katholische Ausrichtung der Schule. Aber Schulleiter für Grundschulen sind ohnehin dünn gesät – dann noch einen zu finden, der katholisch ist, grenzt den Bewerberkreis weiter ein. Und katholisch muss die Schulleitung einer katholischen Grundschule sein. Die evangelische Konrektorin kam vor Jahren mit einer Sondergenehmigung an die Schule. Sie leitet die Schule jetzt kommissarisch, aber Rektorin darf sie nicht werden, weil sie die in Anführungszeichen falsche Konfession hat.

    Gilbers: "Das sehen wir nicht mehr als zeitgemäß, denn es muss auf jeden Fall Qualifikation vor Konfession stehen und wichtig ist eben, dass wir überhaupt eine Schulleitung haben."

    Katholische und evangelische Schulen, sogenannte Bekenntnisschulen als öffentliche Schulen sind eine Besonderheit in Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens. In anderen Bundesländern gibt es sie nur in privater Trägerschaft. Die Regeln dafür sind in der Landesverfassung festgelegt. Sie richten sich nach der jeweiligen Konfession aus, Lehrer und Schulleitung müssen entsprechenden Glaubens sein und auch danach leben. Geschiedenes Personal zum Beispiel bekäme Probleme. Die Kirche bestimmt also die Regeln, obwohl sie weder zahlt noch Trägerin der Schulen ist, erklärt Ulrike Heuer vom Kölner Schulamt:

    "Das meinen sehr viele Leute, aber alle Grundschulen sind in städtischer Trägerschaft und da unterscheidet sich das in keiner Form auch nicht in den finanziellen Zuwendungen, es gibt also keine Zuschüsse von der Kirche."

    Um den Kreis möglicher Schulleiter zu erweitern und vor allem ihrer Konrektorin eine Chance zu geben, blieb den Eltern nur, die Schule umzuwandeln. Das geht, wenn sich in einer Abstimmung zwei Drittel der Eltern dafür aussprechen. Den Rather Eltern ist das gelungen.

    Heuer: "Da ist die Zweidrittelmehrheit überschritten, also auf alle Fälle kann die Schule jetzt umgewandelt werden, der Elternwille ist auch ausschlaggebend, aber formal muss das noch durch den Rat der Stadt Köln und durch die Bezirksregierung bestätigt werden."

    Zum kommenden Schuljahr wird also nicht mehr "katholisch" an der Grundschule Volberger Weg stehen. Ansonsten, so Pflegschaftsvorsitzende Gilbers, soll sich aus Sicht der Eltern wenig ändern:

    "Das christliche Profil wird weiterhin ein wichtiger Punkt an unserer Schule bleiben, wir stehen in sehr enger Zusammenarbeit mit der katholischen, mit der evangelischen Kirche und das wünschen wir auch zukünftig. Bei uns werden christliche Feste mit viel Engagement und sehr viel Freude von allen gefeiert und das wird auch in der Zukunft Bestand haben."

    Andrea Gersch, erzbischöfliche Schulrätin, sieht das anders:
    "Was die Eltern nicht so im Blick haben, ist, dass das eine sehr langfristige Entscheidung ist und selbst wenn jetzt eine Kontinuität in der Arbeit der Schule vielleicht zu erwarten ist, auf lange Sicht man einfach damit rechnen muss, dass sich das Schulprofil sehr ändert."

    Sie meint, die Eltern hätten weiter auf einen geeigneten Kandidaten warten sollen. Das Erzbistum versuche außerdem, durch Projekte und Fortbildungen mehr Lehrer für die Schulleitung an katholischen Grundschulen zu gewinnen. Andrea Gersch ist zudem überzeugt:

    "Gemessen an der Zahl der katholischen Grundschulen in Köln ist das einfach ein ganz klitzekleiner Einzelfall."

    Bis zum Jahr 2017 steht aber noch eine große Welle von Pensionierungen bei Schulleitern an. Sodass sich das Problem eher verschärfen wird. In Bonn stimmten denn auch fast zeitgleich die Eltern einer katholischen Grundschule für die Umwandlung in eine konfessionslose Schule. Und in Köln bereiten sich Eltern einer weiteren Schule auf die Abstimmung vor.