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Ausverkauf von Großbritanniens Wäldern

Die britische Regierung hat den Wald als potenzielle Einnahmequelle entdeckt, und das ausgerechnet im Internationalen Jahr des Waldes. Der Verkauf der öffentlichen Waldflächen stößt landesweit auf Kritik. Bürger fürchten um den freien Zugang, Umweltschützer um die Artenvielfalt.

Von Jochen Spengler | 03.02.2011
    Der Erzbischof von Canterbury, der Schriftsteller Bill Bryson und die Sängerin Annie Lennox protestieren. Bärtige Umweltschützer und greise Lords, rechte und linke Zeitungen sind sich einig wie selten. Im ganzen Land entstehen Bürgerinitiativen und an den Wochenenden versammeln sich Hunderte an den Orten des vermutlichen Frevels – in den Wäldern.

    "Wir sind hier, um gegen die Regierungspläne zu protestieren, die öffentlichen Wälder in England zu verkaufen, wettert Baroness Jan Royall. Wir können und dürfen nicht erlauben, dass unsere Wälder verkauft werden. Wir sollten die Frage, 'Möchtest Du nicht Deinen Wald kaufen?', nicht einmal erwägen, weil er uns bereits gehört."

    Was den Deutschen ihr Wald, ist den Briten ihre countryside – ihre wunderbare Landschaft, von der nur noch neun Prozent bewaldet sind. Vom Wald sind vier Fünftel in privater Hand. Für die Pflege des Rests sorgt die staatliche Forestry Commission. Mustergültige Informationszentren und 40 Millionen Besucher im Jahr auf Wanderwegen, Reitpfaden und barrierefreien Fahrradstrecken zeugen davon, so sagt David Babbs von Save Our Forests, dass die Forstkommission ihre Aufgabe vorbildlich erfülle:

    "Die Waldgebiete die von der Forestry Commission verwaltet werden, gehören zu den am besten gemanagten Wäldern des Landes mit hohen Umweltstandards und mit leichtem Zugang für Besucher, das ist nicht der Fall bei Waldgebieten in Privatbesitz."

    Doch die Regierung Cameron will die Kommission entmachten und mindestens 100.000 Hektar privatisieren. Ausgerechnet im internationalen Jahr des Waldes. Sie sucht nach Einnahmequellen und ist beseelt von ihrer Überzeugung, dass privat prinzipiell besser funktioniert als staatlich. Warum er 200 Jahre zurück und den Privilegierten wieder die Wälder überantworten wolle, wurde Cameron gestern im Parlament gefragt:

    "Ist es nicht der Fall, dass es Organisationen gibt wie den Woodland Trust oder den National Trust, die die Aufgabe besser erfüllen können als die Forestry Commission? Ja ich glaube, das tun sie ..."

    Private Stiftungen oder auch die Kommunen sollen die Verwaltung der Wälder übernehmen, lautet das öffentliche Argument der Regierung. In internen Papieren aber kalkuliert sie, dass sich die Kommunen allenfalls 2 Prozent der angebotenen Wälder leisten können. Nicht viel anders geht es den Stiftungen. Sue Holden vom Woodland Trust sagt, dass man keine Mittel habe, sich große Waldgebiete zu kaufen.

    Bleiben also Reiche, die Steuern sparen wollen, oder große Unternehmen als Investoren. Keine Sorge, versichert James Paice, der zuständige Staatssekreträr, der Wald solle nicht verkauft werden.

    "Wir schlagen langfristige Pachtverträge vor und in den Bedingungen werden wir sicherstellen, dass die Vorteile für die Öffentlichkeit, zum Beispiel der unbegrenzte Zugang zum Wald, erhalten bleiben."

    Ob Verpachtung oder Verkauf – Bürger fürchten um den freien Zugang, Umweltschützer wie Paul Hetherington um die Artenvielfalt:

    "Die alten Waldbestände sind unsere wichtigsten Biodiversitäts-Areale. Es gibt mehr gefährdete Arten, die in diesen Wäldern leben, als irgendwo anders im Vereinigten Königreich. Man kann sie wirklich als unser Gegenstück zum Regenwald bezeichnen."

    Die Bürger werden nicht klein beigeben. Lord Clark of Windermere, lange Jahre Chef der Forestry Commission prophezeit, dass der Waldverkauf Camerons Kopfsteuer werden wird. Maggie Thatcher hatte diese Steuer gegen den Willen der Briten durchzusetzen versucht - am Ende trat die Regierung zurück.