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"Auswandern" für den Doktorhut

Wer als FH-Absolvent in Deutschland promovieren will, hat es schwer: Erstens kann man nur an einer Uni promovieren. Und zweitens haben die Unis für FH-Absolventen hohe Hürden aufgebaut: Dazu gehören ein Numerus Clausus und Zusatzprüfungen. Zu viel für einige Studierende. Sie promovieren im Ausland, wo es solche Hürden nicht gibt. Und bleiben dann gleich dort.

Von Jens Wellhöner |
    Die 23-jährige Kim-Kristin Buttenschön hat an der Fachhochschule Kiel Mechatronik studiert. Ein Fach, zu dem Elektrotechnik und Maschinenbau gehören. Ihr Diplom hat sie seit einer Woche in der Tasche. Der Notendurchschnitt: Gute 1,8. Ihr Professor beurteilt sie als besonders qualifiziert. Und vermittelte ihr ein Praktikumssemester in Großbritannien:

    "Dann wurde mir halt dort eine Promotionsstelle angeboten. Da habe ich natürlich nicht Nein gesagt, weil ich genau weiß, dass es in Deutschland schwierig ist als FH-Absolvent eine Promotionsstelle zu bekommen. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, weil das immer ein Traum von mir war, zu promovieren."

    Ab diesem Wintersemester wird Kim-Kristin Buttenschön also an der Uni Durham ihren Doktor machen. Und ihren Karrieretraum erfüllen:

    "Ich hab mich für Deutschland gar nicht erst bemüht, was zu finden. Weil ich persönlich jemanden kenne, der das versucht hat, das ging überhaupt nicht, der hat es dann aufgegeben."

    FH-Absolventen können in Deutschland nur an Universitäten promovieren. Um dort überhaupt zugelassen zu werden, müssen sie hohe Hürden überwinden: Und die sind auch noch von Uni zu Uni verschieden. Seien es Aufnahmeprüfungen oder sogar noch ein Zusatzstudium. An der Uni Kiel zum Beispiel ist das Diplomzeugnis entscheidend. Professor Ludger Klinkenbusch von der Technischen Fakultät:

    "Nach der Promotionsordnung muss der Bewerber oder die Bewerberin den einschlägigen Studiengang an einer FH mit mindestens der Gesamtnote Sehr Gut, bis 1,5 heißt das, bestanden haben. "

    Kim-Kristin Buttenschön hätte also mit ihrem Schnitt an der Kieler Uni keine Chance. Und eine Gesamtnote von rund 1,5 wird von promotionswilligen FH-Absolventen an vielen deutschen Unis verlangt. So ist ihre Zahl beinah verschwindend gering. Zum Beispiel im Wintersemester 2002/2003. Neuere Angaben gibt es nicht. Gerade einmal drei Prozent aller FH-Absolventen stellten damals einen Antrag auf ein Promotionsstudium an einer Uni. Wesentlich erhöht haben sich diese Zahlen bis heute wahrscheinlich nicht. Professor Ulrich Sowada von der Kieler FH bedauert dieses geringe Interesse der FH-Abgänger. Und macht die Unis dafür mitverantwortlich:

    "Ich finde es schlecht, wenn man nur nach dem Notendurchschnitt geht. Ich finde es besser, wenn man sich den Bewerber und seine individuellen Fähigkeiten für die ins Auge gefasste Aufgabe genau anguckt."

    Sprich: Viele Nachwuchsforscher hätten zwar nicht die geforderte Note. Seien aber trotzdem sehr qualifiziert. Kim-Kristin Buttenschön hat zum Beispiel sehr gute Erfahrungen mit ihrem deutschen FH-Abschluss gemacht, an englischen Unis:

    "Worüber die sich freuen ist, dass man schon praktische Erfahrung hat von der FH. Also dass sehen die schon: Den Unterschied von Leuten, die von der Uni kommen und die von der FH kommen. Aber die sehen dass eher positiv, dass man eben schon mal im Labor gearbeitet hat und solche Sachen."

    Praktisches Wissen sei zwar nützlich für eine gute Doktorarbeit, räumt auch Uniprofessor Ludger Klinkenbusch ein. Aber:

    "Der Unterschied zwischen einem Fachhochschulstudium und einem universitären Studium ist schon vor allem im theoretischen Bereich zu sehen. Die Voraussetzung bei einer Promotion ist genau dieses analytische Denken, diese analytische Fähigkeit. Und die wird verstärkt an Universitäten vermittelt."

    Und so bietet die technische Fakultät der Kieler Uni FH-Absolventen, die ihren Doktor machen wollen, ein Aufbaustudium an. Dauer: drei Semester. Kim-Kristin Buttenschön würde das zu lange dauern. Sie fühlt sich wohl in England. Und hat dort schon Kommilitonen getroffen, die wie sie Deutschland verlassen haben. Weil ihnen die Promotionshürden dort zu hoch sind.