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Ausweis für Kolbenstange und Landeklappe

Raubkopien finden sich nicht nur von Musik und Software, sondern immer öfter auch unter etwa Ersatzteilen für Autos oder gar Flugzeuge. Jetzt sollen Funketiketten die Originale und ihren guten Namen schützen.

Von Wolfgang Noelke |
    Heute montiert man alle elektronischen Steuerungs- und Regelungselemente erst nachträglich an Maschinen oder deren Metallkomponenten. Die radikalsten Schritte zu künftig im Metall physisch eingebetteten elektronischen Systemen realisiert das Bremer Fraunhofer-Institut "Fertigungstechnik Materialforschung". Projektleiter Christoph Pille entwickelt Druckgussteile mit eingegossenen RFID- Funkchips.

    "Beim Druckguss sprechen wir, gerade, wenn wir Aluminiumschmelze verarbeiten, über hohe Temperaturen von circa 700 Grad Celsius und dazu ist es natürlich zunächst erforderlich, die Komponenten zunächst thermisch zu isolieren, zusätzlich müssen wir sie natürlich auch elektrisch gegen Kurzschluss isolieren, damit sie keinen Kurzschluss zum Metall selber erhalten und wir müssen sie natürlich auch gegen die hohen Drücke, also mechanisch isolieren, denn beim Druckgussverfahren arbeiten wir mit einem Nachdruck von circa 1000 Bar. Das würde normalerweise das Eingießen von elektronischen Komponenten völlig unmöglich machen."

    Nach welchem Verfahren die Bremer die empfindliche Elektronik schützen, will Christoph Pille noch nicht verraten. Tatsächlich aber präsentiert sein Institut erste Prototypen mit eingegossenen funktionsfähigen RFIDs. Die für die Kommunikation mit Lesegeräten notwendige Antenne befindet sich im Bauteil ein etwa zwei Millimeter breiter Schlitz, der natürlich die statische mechanische Belastung eines Bauteils verändert. Das erfordert eine ingenieurtechnisch interdisziplinäre Zusammenarbeit, bereits bei der Konstruktion eines Bauteils. Christoph Pille:

    "Der Ansatz verfolgt natürlich, nicht ein bestehendes Bauteil einfach zu nehmen und zu sagen, "da gieß ich jetzt mal was ein", sondern dann die Bauteile auch so konstruktiv auszulegen, dass die schon dafür vorbereitet sind, dass auch was eingegossen werden kann. Gerade das Thema Kontaktierung ist ein weiterer Punkt bei uns. Neben der thermischen und mechanischen Isolation und neben der Isolierung müssen wir auch gewährleisten, dass wir auch an die Daten rankommen, dass wir an den Sensor rankommen. Da gibt es bei uns auch zwei verschiedene Ansätze: Zum einen das steckerfertige Bauteil, was bei uns aus der Druckgussform heraus fällt und dann entsprechend schon steckerfertig vorbereitet ist, um sie mit Kabeln abzugreifen, die Information. Oder aber dass wir hier von den integrierten Transpondern per Funk die Daten aus dem Bauteil heraus senden, kabellos."

    Ein solches Bauteil hat durch den RFID eine weltweit eindeutige Kennung. Es kann nicht mehr gefälscht werden. Produktpiraten sind nicht mehr dazu in der Lage, ein, eventuell sicherheitsrelevantes Ersatzteil nachzugießen und gleichzeitig mit einem passenden RFID- Chip zu versehen. Nebenbei erleichtert die individuelle Kennung nicht nur eventuelle Rückrufaktionen, sondern auch Arbeiten in der Montage und Reparatur.

    "Wenn wir so einen kleinen RFID-Transponder im Bauteil miteingegossen haben, sind wir in der Lage, das Bauteil eindeutig identifizieren zu können, quasi eine eindeutige, weltweit einmalige Seriennummer von dem Bauteil zu erhalten. In einem zweiten Schritt können wir aber auch weitere Informationen auf so einem Transponder abspeichern, sei es eine Bedienungsanleitung oder sei es vielleicht auch eine Montageanweisung für einen Monteur, so dass er weiß: welches Bauteil ist es? Welches Bauteil hatte er gerade in der Hand? Und mit welchem anderen Bauteil soll er es kombinieren, wenn man sich das Ganze jetzt in einer Fertigungsstätte vorstellen könnte, in der entsprechende Monteure einen Kasten bekommen mit mehreren Bauteilen vor sich. Die könnte er einzeln per Funk abscannen, kabellos abscannen und hätte dann entsprechend auf einem Monitor eine Anweisung, die genau anzeigt, jenes mit jenem Bauteil miteinander zusammenschrauben. Und wenn man das System dann noch weiterspinnt und über die integrierte Sensorik nachdenkt, könnten zusammenmontierte Teile auch über ihren Zustand entsprechend Auskunft geben. Sie können dann sagen, ob zum Beispiel zwei Bauteile mit dem richtigen Drehmoment miteinander verbunden wurden..."

    ...oder wann es Zeit wäre, das verbrauchte Teil zu ersetzen. Dann allerdings müsse bereits ein einfacher Bordcomputer im Guss mit eingebaut sein, dessen Langzeitdatenspeicher quasi Tagebuch führt, welche individuellen Kräfte und Belastungen während der gesamten Arbeitszeit auf ein Bauteil einwirken. Das, so Christoph Pille sind jedoch erst die nächsten Schritte:

    "Wir sind momentan im ersten Schritt in der Lage, die Sensoren einzugießen oder Transponder anzugießen. Die komplette Platine sozusagen, die ganze Hauptelektronik, die dahinter sitzt, die wird momentan noch manuell nachträglich an das Bauteil angefügt. Es wird aber darüber nachgedacht, irgendwann in Zukunft das Ganze auch als komplettes Embedded System, also als komplettes System in das Bauteil zu integrieren."