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Auswilderung fraglich

Tiermedizin. - Auffangstationen, in denen junge, verwaiste Menschenaffen wieder aufgepäppelt und irgendwann ausgewildert werden, gelten als wichtiges Instrument für den Artenschutz. Die Tiere können menschliche Krankheitserreger aufnehmen und später dann unter ihren Artgenossen verbreiten.

Von Marieke Degen | 24.08.2012
    Eine Auffangstation in Afrika, Fütterungszeit. Die Schimpansen, die hier gelandet sind, haben viel mitgemacht. Ihre Familien wurden getötet, sie selbst jahrelang als Haustiere gehalten. Jetzt werden sie liebevoll aufgepäppelt, damit sie irgendwann vielleicht wieder ausgewildert werden können. Eine Pflegerin hält einen Schimpansen auf dem Arm, ihr Gesicht tief in sein Fell vergraben.

    " Da ist es wie bei uns Menschen, die Kleinen brauchen einfach Körperwärme, und mit denen muss man spielen, sie brauchen einfach intensiven Kontakt."

    Fabian Leendertz forscht am Robert Koch-Institut in Berlin. Eine Auffangstation für Menschenaffen – für Krankheitserreger die Gelegenheit, um vom Affen auf den Menschen überzuspringen. Das Bakterium Staphylococcus aureus zum Beispiel. Es gibt menschliche Stämme, es gibt aber auch Stämme, die nur bei Affen vorkommen. Und Fabian Leendertz wollte wissen, ob sich die Pfleger mit solchen Stämmen angesteckt haben. Deshalb hat er Nasenabstriche von Menschen und Affen analysiert - zusammen mit Staphylokokkenexperten von der Uniklinik Münster.

    "Ja das Ergebnis, was die Kollegen aus Münster erst eigentlich langweilig fanden, war dass die Schimpansen halt unsere Staphylococcus aureus Stämme tragen, und nicht andersherum, was dann natürlich für uns Menschen von Bedeutung gewesen wäre."

    In den beiden Auffangstationen, die bei der Studie mitgemacht haben, war jeder zweite Affe mit menschlichen antiobiotikaresistenten Staphylokokken infiziert. In anderen Auffangstationen dürfte das ähnlich aussehen, schließlich hatten die Tiere ein Leben lang engen Kontakt zu Menschen. Die infizierten Affen waren zwar nicht krank:

    "Aber wir wissen dass es bei uns Menschen ja so ist, dass viele Leute den Erreger tragen und ab und zu wird man dann krank. Je nachdem, ob man eine vorhergehende Erkrankung hatte, ob das Immunsystem geschwächt ist und so weiter. Und genauso wird’s beim Menschenaffen sein. Ich gehe davon aus, dass die Symptome ähnlich sein werden wie beim Menschen. Das können eben Hautgeschichten sein, das ist ja so üblich, aber es kann auch zu ernsthaften Lungenentzündungen führen oder das Herz befallen, also es kann auch tödlich sein."

    In Gefangenschaft könne man die Tiere dann behandeln. In freier Wildbahn nicht.

    "Ich würde wirklich davon abraten, Tiere, die diesen Erreger tragen, auszuwildern."

    Denn es könnte gut sein, dass sie andere wildlebende Affen mit dem Erreger anstecken, vielleicht mit verheerenden Folgen, die sich so tief im Dschungel abspielen, dass sie niemand mitbekommt.

    "ich sage jetzt nicht, dass alle an diesem Erreger sterben werden. Das wäre übertrieben, wir sterben auch nicht alle an Staphylococcus aureus, und viele Menschen tragen es bei uns. Aber es würde zu der Mortalität einen Beitrag leisten, und dass könne wir uns nicht leisten, weil die Tiere sind sowieso gefährdet durch Wilderei oder Abholzung oder andere Krankheiten, das heißt, das wäre vielleicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, und das wollen wir einfach nicht verantworten."

    Ob die Affen in den Auffangstationen die Bakterien jemals wieder los werden, ist fraglich. Staphylococcus aureus ist extrem hartnäckig, vor allem dann, wenn der Stamm resistent ist gegen diverse Antibiotika. Menschen müssen ein strenges Hygieneprogramm absolvieren, immer neue Handtücher benutzen, immer neue Zahnbürsten. So etwas ist bei Affen kaum möglich.

    "Weil man wird dem Schimpansen nicht sagen können, dass er sich so hygienisch verhalten soll, wie wir das machen. Man könnte sie natürlich in Einzelhaft sperren und versuchen, dieses Programm durchzuziehen, aber dann darf man auch nicht vergessen, dass das sehr soziale Tiere sind. Also die aus ihrem Familienverbund herauszuholen und in Einzelhaft zu sperren, ist vielleicht ein größerer Schaden, als sie vielleicht einfach so zu belassen. Nur sie dann natürlich nicht auszuwildern."

    Fabian Leendertz arbeitet mit den Tierärzten in den Auffangstationen zusammen, um eine Lösung zu finden. Man könnte zum Beispiel alle Pfleger und Affen regelmäßig auf Staphylokokken testen. Die Staphylokokken-freien Affen dürften auch nur von nicht-infizierten Pflegern betreut werden. Dann stünde einer späteren Auswilderung nichts im Wege.

    "Sie müssen eine Lösung finden. Sonst sehe ich da schwarz für die Auffangstationen. Die quellen über, sie haben Druck von den Regierungen, die Tiere wieder auszuwildern, und so weiter. Also sie müssen eine Lösung finden, und das ist technisch möglich."