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Auto-Kopilot für Hubschrauber

Technik. - Hubschrauber fliegen im Gegensatz zum Flugzeug aerodynamisch instabil. Daher gibt es bislang auch keine Autopiloten für sie. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt seit einem Jahr in seinen Instituten in Braunschweig das System PAVE – "Pilot Assistant in the Vicinity of Helipads". Dieser elektronische Copilot ist in den modernsten Hubschrauber den Welt, den Fliegenden Hubschraubersimulator des DLR eingebaut. Er gibt seinem menschlichen Kollegen Flugempfehlungen und hilft in einem anderen Projekt dabei, lärmarme Manöver zu fliegen.:

Von Stefan Bitterle |
    Cochstedt, ein stillgelegter Flugplatz in der Nähe von Magdeburg. Doch in den letzten Septembertagen ist Betrieb auf dem einstigen sowjetischen Flugfeld. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt will den Lärm vermessen, den ihr Fliegender Hubschraubersimulator FHS, ein umgerüsteter Eurocopter 135 erzeugt.

    Jede Flugphase hat ihre Eigenschaften. Im Steigflug ist der Heckrotor besonders laut, weil die Triebwerke am meisten Leistung brauchen, aber was sehr charakteristisch für Hubschrauberlärm ist, ist der Anflug. Der Sinkflug bei 6 Grad 65 Knoten ist typisch.

    Sagt Pierre Spiegel vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungsdynamik:

    Das ist diese Blattwinkelinteraktion, das macht diesen sehr impulsiven Lärm: An jedem Rotorblatt wird ein Wirbel erzeugt, und wenn dasselbe Blatt oder ein nächstes in diese Wirbel kommt, gibt es sehr starke Druckschwankungen auf dem Blatt und diese Druckschwankungen werden dann Lärm und hörbar am Boden.

    Doch diesen aerodynamisch erzeugten Lärm kann man vermeiden, wenn man seine Ursachen kennt:

    Was wir probieren wollen, ist, dass man nicht durch diesen lauten Zustand fliegt, wenn man einen Anflug macht. Das heißt, man müsste vielleicht steiler anfliegen oder in einem Zustand, wo die Strömung von unten nach oben geht, das heißt, dass die Wirbel mit der Strömung schnell weg von der Rotorscheibe weggenommen werden, dass sie nicht mehr die Möglichkeit haben auf ein anderes Blatt zu kommen. Das ist eine Kombination von Flugparametern.

    Das Ergebnis der Kampagne dürfte insbesondere Umgebungen von Hubschrauberlandeplätzen wie Krankenhäusern oder andere Einrichtungen in der dicht besiedelten Innenstadt zugute kommen. Sie sind besonders betroffen von Helikopterlärm: Um die Messdaten erheben zu können, sind in Cochstedt an dreißig Messpunkten auf dem Platz je zwei Mikrophone installiert. Drahtlos laufen die Daten auf einem Rechner zusammen. Zusätzlich wird in den nächsten Tagen ein zweiter Hubschrauber, eine Bölkow Bo 105 erwartet. Diese Maschine verfügt an ihrem Haupt- und Heckrotor zusätzliche Messsonden. Über die Druckwerte, die man an über einer Zeitachse abbilden kann, erhalten die Forscher ein Lärmprofil direkt an der Maschine. Da diese Manöver sehr genau geflogen werden müssen, stellen sie an den Piloten zusätzlich hohe Ansprüche:

    Man muss also sehr präzise fliegen, um wirklich messbare Anflüge und Abflüge auch darstellen zu können. Es wird also genau gesagt: Fliege jetzt mit 3,5 Grad Anflugwinkel und mit diesem Gerät haben wir die Möglichkeit, diese Sachen über unser so genanntes Experimentalsystem einzuprogrammieren und der Pilot kriegt also wertvolle Hinweise in sein Cockpit eingespeist, mit denen er dann sehr präzise arbeiten kann und genau diese Anflüge darstellen kann.

    Uwe Göhmann fliegt den FHS des DLR, den modernsten Hubschrauber der Welt. Um die geforderten Manöver präzise fliegen zu können, hilft ihm PAVE.

    PAVE bedeutet "Pilot Assistent in the Vicinity of Helipads”. Das heißt also, wir wollen den Piloten unterstützen insbesondere im An- und Abflug, ihm ein erhöhtes Situationsbewusstsein zu geben, ihn zu informieren, was erwartet ihn an seinem Starthelipad und an seinem Zielhelipad.

    Erklärt Thomas Lüken vom DLR-Institut für Flugführung. PAVE ist ein gemeinsames Projekt des DLR und seinem französischen Pendant, der ONERA. Es ist der Versuch, dem Piloten ein dreidimensionales Assistenzsystem zur Verfügung zu stellen. Hochauflösende Stereobilder mit einer Genauigkeit von 15 Zentimetern erzeugen eine dreidimensionale Anflugkarte, die auch Höheninformationen von Gebäuden und Hindernissen enthält. Diese Angaben sind für den Piloten besonders wichtig. In diese Anflugkarte kann PAVE eine Flugbahn, eine Trajektorie hineinprojizieren, die der Pilot nur noch abfliegen muss. Thomas Lüken:

    Es wird eine Karte dargestellt und auf dieser Karte kann der Pilot Wegpunkte setzen, zunächst lateral, gesehen, also in Draufsicht sozusagen und er kann anschließend ein Höhenprofil und ein Geschwindigkeitsprofil auswählen, unter anderem kann er auch aus unterschiedlichen Anflug- und Abflugprozeduren auswählen. Und diese Prozeduren werden in der heutigen Messkampagne generiert.

    Für Flächenflugzeuge spricht man hier von einem Flight Director, ein System, das dem Piloten Anweisungen gibt, um ein bestimmtes Verfahren zu fliegen. In einem nächsten Schritt soll PAVE auf dem Fliegenden Hubschraubersimulator aber auch in die Flugregelung eingreifen. Das bedeutet, das Verfahren wird dann automatisch geflogen. Bei Flächenflugzeugen erledigt das der Autopilot – bis hin zur vollautomatischen Landung. DLR-Pilot Uwe Göhmann:

    Ein Flugzeug fliegt sehr stabil in der Luft, wenn es entsprechend ausgetrimmt ist und dort braucht der Autopilot nicht mehr die große Arbeit machen. während ein Hubschrauber von sich aus instabil ist, müssen also mehr, in mehreren Achsen ständig Steuereingaben gemacht werden.

    Für Hubschrauber ist automatisiertes Fliegen bisher nur mit großem Aufwand möglich. Ausgerechnet dann und dort, wo man ihn am meisten braucht, bei schlechter Sicht und unzugänglichen Landplätzen, müssen Hubschrauber heute meistens am Boden bleiben. Mit PAVE wird sich das vielleicht schon bald ändern, sagt Thomas Lüken vom DLR:

    Unser Ziel ist es, dass wir den FHS später auch mal vollautomatisch abfliegen lassen wollen, so dass wir zunächst eine Trajektorie generieren und schalten dann Führungsgrößen auf diesen Flugregler, so dass dann der Helikopter automatisch diese Trajektorie abfliegen kann.

    Am Ziel der Forschungsreihe Vision 2020 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt steht ein lärmarmer, wirtschaftlicher Drehflügler, der Tag und Nacht bei jedem Wetter einsatzbereit sein wird.