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Automatischer Copilot

Technik. - In modernen Autos nimmt die Zahl der elektronischen Fahrhelfer, so genannter Fahrerassistenzsysteme, drastisch zu. Rein technisch könnten sie dem Menschen inzwischen die Fahrzeuglenkarbeit meist abnehmen, doch das ist nicht gewünscht.

Von Maximilian Schönherr |
    Das ist ein Horrorszenario. Der Fahrer ist eingeschlafen. Das Auto fährt weiter. Und weiter. Und dann macht es bumm. Das würde nicht passieren, wenn das Auto mitgedacht hätte.

    "Autonomes Fahren würde ja bedeuten: Das Auto fährt selbständig. Der Fahrer ist dann Passagier und muss nur noch eingreifen, wenn eine Entscheidung notwendig oder unabdingbar ist."

    Markus Fach, Ingenieur in der PKW-Entwicklung von Daimler in Stuttgart. Er spricht hier nicht von ABS und ESP, wo das Auto aktiv mitbremst oder stabilisiert. Auch nicht vom Tempomat, mit dem man auf der Autobahn eine feste Geschwindigkeit einstellt. Markus Fach geht es um Möglichkeiten, die der Radarsensor in den teuersten Mercedes-Modellen aufgetan hat. Er kann nicht nur sehr präzise den vorderen Verkehr wahrnehmen, sondern auch die weißen oder gelben Markierungsstreifen auf der Straße. Fach:

    "Wir werden in sehr kurzer Zeit Systeme im Fahrzeug sehen, die nicht nur beim Verlassen der Fahrspur warnen, sondern auch das Verlassen der Fahrspur durch aktive Eingriffe verhindern und sogar die aktive Unterstützung der Spurhaltung bieten. Das heißt, sie helfen dem Fahrer durch gezieltes Aufbringen von Lenkmomenten, die Fahrspurmitte besonders einfach halten zu können."

    Der Wagen lenkt dann nicht von selbst, aber er erinnert den Fahrer, etwa durch Rütteln des Lenkrads, daran, dass jetzt sein Eingreifen notwendig ist, und er gibt ihm die angemessene Lenkrichtung und -stärke fühlbar vor. Markus Fach entwickelt diese Steuerungen nicht, sondern er beurteilt sie. Er überlegt sich Testmethoden, um die Zuverlässigkeit solcher hoch automatischer Systeme zu beurteilen, und kommt zu dem Schluss:

    "Diese Systeme sind heute auf einem technischen Stand, dass sie zu gut sind, um sie in den Markt zu bringen."

    Zu gut, zu sicher?

    "Also wir könnten heute ohne Probleme ein System technisch darstellen, das das Fahrzeug optimal in der Fahrspurmitte hält, über lange Strecken hinweg, solange die Fahrbahnmarkierungen gut vorhanden sind. Wenn Sie das allerdings noch mit einer Distronic kombinieren, die den Abstand zum voraus fahrenden Fahrzeug regelt, dann wäre ja bereits heute der Zustand erreicht, dass der Fahrer denkt: Mensch, prima, endlich – ich schalte das Ding ein und kann nach hinten gehen und Kaffee machen."

    Was rein rechtlich nicht geht, denn der Führer jedes Fahrzeugs muss die Kontrolle über sein Fahrzeug haben, und zwar nicht nur, wenn es regnet oder neblig wird und der Radarsensor meldet, er sieht nicht mehr genug von den Markierungen rechts und links. Fach:

    "Die große Herausforderung ist, jetzt ein System zu bringen, das diese Funktionalität bietet, also den Fahrer unterstützt, ohne dass er auf die Idee kommt, sich zurückzulehnen und die Zeitung zu lesen. Das heißt, wir müssen jetzt die Regelungen, wie wir sie jetzt kennen, tatsächlich schlechter machen, sodass beispielsweise der Fahrer nicht mehr in der Fahrspurmitte gehalten wird, sondern wie ein Billardball zwischen den Linien hin und her pendelt, sodass er am Ende des Tages vielleicht denkt, was ist denn das für ein blödes System, aber auf keinen Fall auf die Idee kommt, das Lenkrad loszulassen und seiner Frau zu zeigen: Mensch, ist das nicht endlich mal eine gute Erfindung!"

    Im Moment kann man Fahrzeuge mit Sonderausstattungen kaufen, die zwar autonom bremsen, wenn’s brenzlig wird, aber erst wieder anfahren, wenn der Fahrer durch Andrücken des Gaspedals das ausdrücklich bestätigt. In seiner Firma überlegt man jetzt konkret, einen kleinen nächsten Schritt zu gehen, eine Art Fahrautonomie "Lite" für Geschwindigkeiten zwischen 0 und 10 Stundenkilometer einzuführen, wie sie etwa beim Stop-and-Go-Verkehr, beim Stau vorkommen.

    "Allerdings müssen wir noch den Gesetzgeber überzeugen. Wir haben also momentan kein technisches Problem, sondern ein politisch-strategisches Problem, einerseits vom Gesetzgeber her, andererseits auch von dem her, was wir uns produkthaftungstechnisch zutrauen. Wie nähern wir uns dem Thema Fahrerassistenzunterstützung weiter an, ohne den Fahrer so aus der Verantwortung zu nehmen, dass er tatsächlich fahrlässigerweise die Verantwortung ans Fahrzeug übergibt."

    Es gibt Binsenweisheiten, die inzwischen auch die Programmierer von Autonomiefahrelektronik erfahren haben, etwa diese: Der Mensch ist ein hervorragender Entscheider in komplexen Situationen, zum Beispiel darüber, ob er als Autofahrer dem Kind, dem Ball oder dem Baum ausweichen soll.

    "Was er allerdings nicht gut kann, ist, Routineentscheidungen kontinuierlich richtig zu treffen. Also, man sagt, bei 1000 Entscheidungen ist eine falsche dabei. Und das ist eine menschliche Schwäche. Das Routinegeschäft macht er im Verhältnis zu einer Maschine nicht gut. Die macht bei 1000 Entscheidungen keinen Fehler."