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Automobilbranche
Fiat übernimmt Chrysler ganz

Der Deal soll ein Befreiungsschlag für Fiat sein: Konzernchef Sergio Marchionne hat sich die volle Kontrolle über die US-Tochter Chrysler gesichert. Der Zusammenschluss soll die Chancen des italienischen und amerikanischen Autoherstellers gegenüber VW und Toyota verbessern.

Von Brigitte Scholtes | 02.01.2014
    Die Nummer Sieben in der Welt wollen sie werden, die italienische Fiat und die amerikanische Chrysler. Das ist das erklärte Ziel von Fiat-Chef Sergio Marchionne. Mit der Komplett-Übernahme des amerikanischen Autobauers Chrysler kommt er diesem Ziel etwas näher. War Fiat zunächst nach der Insolvenz des amerikanischen Autobauers im Jahr 2009 eingestiegen, um Chrysler wiederaufzuhelfen, so hat sich inzwischen der amerikanische Autokonzern als Geldbringer für die Italiener entpuppt, sagt Jürgen Pieper, Analyst des Bankhauses Metzler:
    "Chrysler macht im Moment im Konzern eindeutig die beste Figur. Fast alle Gewinne kommen zurzeit von Chrysler und ist sicherlich im Moment in der Entwicklung auch positiver zu beurteilen als Fiat selbst."
    "Das globale Gesicht verändert sich nicht wesentlich durch diesen Zusammenschluss"
    Mit insgesamt 4,35 Milliarden Dollar oder knapp 3,2 Milliarden Euro kommen die Italiener recht günstig an die restlichen gut zwei Fünftel der Anteile, die ihnen noch zur vollständigen Übernahme fehlten. Von Umsatz und Absatz her zählt das Unternehmen nun auch zu den Global Playern, meint Analyst Pieper:
    "Trotzdem verändert man sich nicht insoweit, als man jetzt nicht mit einem Schlag zu den Besten gehört. Denn man ist in Nordamerika eben die Nummer Drei im Automarkt, man ist in Europa eben die Nummer fünf oder sechs. Und es wird sich auch durch diesen Zusammenschluss nicht wesentlich verändern. Chrysler wird durch den Zusammenschluss wenig bewegen können wie in den letzten Jahrzehnten schon. Und Fiat wird auch wenig bewegen können in Nordamerika. In anderen Regionen ist man nur punktuell stark. Im großen Markt China ist man zusammen auch schwach, wie man auch einzeln schon schwach war. Und insofern verändert sich das globale Gesicht nicht wesentlich durch diesen Zusammenschluss."
    Der Konzern und der europäische Markt
    Ausrichten kann der nun größere Konzern wohl vor allem etwas in Europa, da aber weniger wegen Chrysler und vor allem gegenüber den französischen Wettbewerbern, sagt Pieper:
    "In Märkten wie Frankreich/Italien sind eigentlich beide relativ stark unterwegs. Und insoweit kann hier Fiat vielleicht durch die Größe, durch bessere Einkaufsbedingungen schon ein paar Prozent Wettbewerbsvorteil gewinnen gegenüber Kandidaten wie Peugeot oder letzten Endes auch wie Opel."
    Gegenüber den deutschen Autobauern wird Fiat/Chrysler wenig ausrichten können. Denn Mercedes, BMW, Audi und Porsche spielen in einer anderen Qualitätsliga. Allenfalls Volkswagen könnte ein wenig mehr Konkurrenz für seine Tochtermarken Seat oder Skoda spüren. Und vielleicht Opel, das auch direkter Wettbewerber in Europa ist, meint der Analyst vom Bankhaus Metzler:
    "Man verkauft zwar Chrysler als Lancias in Europa, aber Lancia ist auch kein echter Wettbewerber für Opel. Wenn man es dann im Detail anschaut: Da entsteht nicht viel anderes und nicht viel Neues, weil Chrysler und Fiat sind einfach von den Märkten her, wo sie tätig sind, weitestgehend voneinander abgegrenzt."
    Die einst als "Hochzeit im Himmel" begonnene Verbindung von Daimer und Chrysler hielt neun Jahre, 2007 trennten sich die Wege. Auch Fiat und Chrysler steht nicht vor einer sorgenfreien Zukunft, meint Pieper:
    "Die Schwierigkeiten werden dann wieder massiv, wenn beide Marken unter Druck kommen. Das sehe ich insbesondere bei Chrysler in vielleicht zwei Jahren, wenn der amerikanische Markt mal gesättigt sein sollte, wenn es da wieder rückwärts läuft, dann wird Chrysler auch wieder erfahrungsgemäß unter Druck kommen. Das kann auch dann schnell gehen, dann hat man innerhalb von ein paar Quartalen Verluste. Und dann kann auch ein Fiat-Chrysler-Konzern sehr schnell unter Druck kommen."