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Autonomieansprüche ohne Verantwortung

Wenn heute in Katalonien das neue Regionalparlament gewählt wird, geht es nicht nur um die Geschicke der nordöstlichsten Region Spaniens, sondern auch um ein politisches Signal für die Zentralregierung in Madrid. Denn die katalanischen Nationalisten verhelfen dem Regierungschef mitunter zur notwendigen Mehrheit.

Von Hans-Günter Kellner |
    Die spanische Volkspartei sammelt Unterschriften gegen das neue katalanische Autonomiestatut, katalanische Touristen mischen sich empört ein, es kommt zum Tumult. Die Szene aus dem Zentrum Madrids ist schon einige Monate alt. Aber die Statutsreform, mit der die Katalanen noch stärkere Autonomierechte erhielten, hat die Stimmung im Land nachhaltig verschlechtert. Auch die spanische Regierung geriet im Zuge der Reform in Schwierigkeiten. Für Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero ist es aber trotzdem vor allem die Rechte, die Fehler gemacht hat. Im spanischen Rundfunk erklärte er:

    "Ein Teil der Rechten hat in Katalonien die Achillesferse unserer Regierung gesehen. Aber es wurde ja nicht nur dort das Statut reformiert. Die neuen Autonomiestatute werden sich dank einer größeren Entscheidungsfreiheit der Regionalregierungen positiv auf den Alltag der Menschen auswirken. Sie wurden ja überall im Konsens mit den Konservativen beschlossen: In Andalusien, in Aragón, auf den Balearen-Inseln... - nur in Katalonien nicht. Die Volkspartei hat das ganze Land gegen Katalonien aufgebracht. Das war ein taktisches, ein kurzsichtiges Spiel."

    In Katalonien haben die Streitereien zu einer großen Politikverdrossenheit geführt. Die Meinungsforscher sagen eine niedrige Wahlbeteiligung voraus. Fast 25 Jahre lang haben die konservativen Nationalisten die Region regiert, erst 2003 folgte die Drei-Parteien-Koalition aus Sozialisten, Links-Nationalisten und Grünen. Den letzten Umfragen zufolge würden die konservativen Nationalisten nun zwar wieder die Wahlen gewinnen, hätten aber keine absolute Mehrheit. Eine schwierige Regierungsbildung steht bevor. Zapatero sieht darin kein Problem:

    "Wer die Mehrheit im Parlament bekommt, soll regieren. Die Parteien dort müssen sehen, mit wem sie ein solides Regierungsprogramm ausarbeiten können. Das darf keine Frage persönlicher Sympathien sein. Wer letztlich regiert, müssen nach der Wahl die Parteien in Katalonien entscheiden."

    Auf den Fluren des spanischen Kongresses gewähren unterdessen katalanische Politiker dagegen tiefe Einblicke in die komplizierten Verflechtungen der spanischen Politik: Zwar stehen dem neuen Regionalparlament so oder so schwierige Koalitionsverhandlungen bevor - denn es gilt als ausgeschlossen, dass eine einzige Partei es zur absoluten Mehrheit schafft. Doch den konservativen Nationalisten kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Sie waren es, die dem neuen Autonomiestatut zur Geburt verhalfen, sie sind es, die Zapatero in Madrid unter Druck setzen: Die Katalanischen Nationalisten versagen dem spanischen Regierungschef die Zusammenarbeit, so lange sie selbst nicht in Barcelona an der Macht sind. Ihr Kandidat, Artur Mas, versichert dennoch, es gebe keinen geheime Absprachen zwischen ihm und Zapatero:

    "Nein, wir haben kein Geheimabkommen. Ich habe schon mehrfach erklärt: Wir haben damals nur über das katalanische Autonomiestatut verhandelt. Natürlich haben wir uns auch zu anderen Gelegenheiten schon gesprochen, über alles mögliche. Aber das einzige wirkliche Abkommen schlossen wir zum katalanischen Autonomiestatut."

    Doch der Einfluss seiner Partei ist beachtlich: Zuletzt fand Zapateros Haushalt mit den Stimmen der Nationalisten aus Katalonien und dem Baskenland die notwendige Mehrheit. Freilich nicht umsonst: Sie hoffen jetzt auf verstärkte staatliche Investitionen in ihren Regionen. Dieser Handel hat Tradition. Schon die Regierungschefs Felipe González und José María Aznar regierten mit der Hilfe der Nationalisten. Doch die Einladungen, auch Regierungsverantwortung für den Staat mitzutragen, haben sie bis heute ausgeschlagen, beklagt Juan Ramón Jáuregui, der Sprecher der Sozialisten in der Verfassungskommission des spanischen Parlaments. Er fordert tiefgreifende Reformen:

    "Die Nationalisten haben diese Tendenz, sich immer gegen den Staat zu wenden. An allem Übel ist der Staat Schuld. Unser Senat ist leider keine Länderkammer, in der die Regionen auch politische Verantwortung für den Staat übernehmen. Er müsste reformiert werden. Wir kennen natürlich das deutsche Modell mit dem Bundesrat, das wäre ein Weg. Das hat nicht nur Vorteile. Der Staat wurde teilweise blockiert. Leider lassen die Konservativen derzeit nicht mit sich über eine Verfassungsreform reden."