"Wir wollen nicht vergessen, dass Tod auch eine Erlösung sein kann, denn er hat nicht nur physisch gelitten, er hat auch den Schmerz und die große Schnödigkeit der Welt kennengelernt."
Heinrich Bölls Abschiedsworte am Grab Rudolf Hagelstanges, mit denen er 1984 des Poeten und Demokraten gedachte und daran erinnerte, dass Hagelstange historisch gesehen "eigentlich der allererste Autor" der Bundesrepublik gewesen sei. Damals, 1946, war Hagelstanges Sonettzyklus "Venezianisches Credo" erschienen.
"Denn was geschieht, ist maßlos. Und Entsetzen / wölkt wie Gewitter über jedem Nacken. / Es jagt der Tod mit flammenden Schabracken durch Tag und Nacht, und seine Hufe fetzen, was Werk und Leben heißt, zu tausend Stücken."
Geschrieben im Sommer 1944 an der italienischen Front, Ausdruck einer poetischen Gewissheit über das Unheil, das Hitler im Namen Deutschlands anrichtete, kursierten die Gedichte zunächst unter Hagelstanges Kameraden. Sie wurden in Verona auch zu einem Band gebunden, bis die kurz nach der "Stunde Null" im Insel Verlag erschienene Ausgabe auch einem größeren Publikum den Blick öffnete für den von Autoren wie Hagelstange im Nazi-Deutschland geleisteten inneren Widerstand. Das öffentliche Ansehen, das Hagelstange genoss, war enorm.
"Der Feige weihe sich dem Untergange / der Narr dem Taumel und der Knecht dem Raube. / Mir aber, unzerstörbar, brennt der Glaube / an neuen Tag."
Rudolf Hagelstange glaubte an diesen neuen Tag und propagierte ihn in der Nachkriegszeit. Natürlich war er es, der 1949 zur Erinnerung an ein Goethe-Jubiläum in der Frankfurter Paulskirche sprach. Sein öffentliches Ansehen korrespondierte mit seinem Erfolg bei einem breiten Publikum. Statt Trümmerliteratur und Kahlschlag bot er traditionelle Formen der alten humanistischen Schule an, zu der sich der am 14. Januar 1912 in Nordhausen im Harz als Sohn eines Kaufmanns geborene Hagelstange immer bekannt hat. In seiner "inneren Emigration" während der Nazizeit hatte er 1939 schon eine Novelle sowie zwei Gedichtbände veröffentlicht, aber erst das Erscheinen des "Venezianischen Credo" war seine eigentliche Geburtsstunde als Schriftsteller. Später hat sich Hagelstange erinnert:
"Dreieinhalb Monate währte die Gefangenschaft im Lager bei Pisa, wo wir uns, wie alle Gefangenen, mit Büchern und Vorträgen, Sprachkursen und Vortragsabenden über die Leere des Lagerlebens hinweghalfen …Meine Gedichte gingen durch manche Hände, wurden auch abgeschrieben, aber niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, sie öffentlich vorzutragen beziehungsweise den Agitator meiner selbst zu spielen … Es wäre mir wie plumpe Rechthaberei vorgekommen, sie auf dem Markt des Elends auszubieten."
Hagelstange war ein Kosmopolit. Er zog nicht nur in Deutschland umher - wohnte in den Nachkriegsjahren zunächst in seiner Heimatstadt Nordhausen, dann in Hemer in Westfalen, auch am Bodensee und schließlich in Erbach im Odenwald -, sondern auch in Europa und in Amerika - diese Erfahrungen, von denen er in zahlreichen Reisebüchern berichtete, sind auch in seine Romane eingegangen ebenso wie in seine Hörspiele, Kinderbücher, Essays und autobiographischen Schriften. Die Kritik äußerte sich seit den 1960er Jahren zwar zunehmend negativ, rückte manche Texte wie den Roman "Altherrensommer" in die Nähe des Kitsches, aber Hagelstanges treue Leserschaft ließ sich dadurch nicht beirren. Vor allem die Bände mit seinen traditionellen Gedichten erreichten Auflagen, von denen anderen Lyriker nur träumen konnten.
"Ich knie hin am Brunnenrand der lauen blauen Nacht / zu schöpfen mit der hohlen Hand / was mich vergessen macht."
War das Erbauungsliteratur? Hagelstange selbst war sein heftigster Kritiker:
"Alle Strickstrümpfe Rudolf Hagelstanges sind mit mehr oder weniger religiöser, weltanschaulicher, moralischer Schafwolle und parallel gestrickt und im Kern gereimte oder auch ungereimte Bußpredigten, Erbauungsandachten, Festappelle, moralisierende, gelegentlich politisierende Traktate. Sie verraten den verhinderten Seelsorger und Missionar."
So schnöde Hagelstanges Werk zuletzt auch von der Kritik abgetan wurde, über seine Person waren sich alle einig:
"Ein eleganter Stilist, ein Anti-Philister ohne Dandy-Allüre, ein deutscher Bonhomme."
Heinrich Bölls Abschiedsworte am Grab Rudolf Hagelstanges, mit denen er 1984 des Poeten und Demokraten gedachte und daran erinnerte, dass Hagelstange historisch gesehen "eigentlich der allererste Autor" der Bundesrepublik gewesen sei. Damals, 1946, war Hagelstanges Sonettzyklus "Venezianisches Credo" erschienen.
"Denn was geschieht, ist maßlos. Und Entsetzen / wölkt wie Gewitter über jedem Nacken. / Es jagt der Tod mit flammenden Schabracken durch Tag und Nacht, und seine Hufe fetzen, was Werk und Leben heißt, zu tausend Stücken."
Geschrieben im Sommer 1944 an der italienischen Front, Ausdruck einer poetischen Gewissheit über das Unheil, das Hitler im Namen Deutschlands anrichtete, kursierten die Gedichte zunächst unter Hagelstanges Kameraden. Sie wurden in Verona auch zu einem Band gebunden, bis die kurz nach der "Stunde Null" im Insel Verlag erschienene Ausgabe auch einem größeren Publikum den Blick öffnete für den von Autoren wie Hagelstange im Nazi-Deutschland geleisteten inneren Widerstand. Das öffentliche Ansehen, das Hagelstange genoss, war enorm.
"Der Feige weihe sich dem Untergange / der Narr dem Taumel und der Knecht dem Raube. / Mir aber, unzerstörbar, brennt der Glaube / an neuen Tag."
Rudolf Hagelstange glaubte an diesen neuen Tag und propagierte ihn in der Nachkriegszeit. Natürlich war er es, der 1949 zur Erinnerung an ein Goethe-Jubiläum in der Frankfurter Paulskirche sprach. Sein öffentliches Ansehen korrespondierte mit seinem Erfolg bei einem breiten Publikum. Statt Trümmerliteratur und Kahlschlag bot er traditionelle Formen der alten humanistischen Schule an, zu der sich der am 14. Januar 1912 in Nordhausen im Harz als Sohn eines Kaufmanns geborene Hagelstange immer bekannt hat. In seiner "inneren Emigration" während der Nazizeit hatte er 1939 schon eine Novelle sowie zwei Gedichtbände veröffentlicht, aber erst das Erscheinen des "Venezianischen Credo" war seine eigentliche Geburtsstunde als Schriftsteller. Später hat sich Hagelstange erinnert:
"Dreieinhalb Monate währte die Gefangenschaft im Lager bei Pisa, wo wir uns, wie alle Gefangenen, mit Büchern und Vorträgen, Sprachkursen und Vortragsabenden über die Leere des Lagerlebens hinweghalfen …Meine Gedichte gingen durch manche Hände, wurden auch abgeschrieben, aber niemals wäre ich auf den Gedanken gekommen, sie öffentlich vorzutragen beziehungsweise den Agitator meiner selbst zu spielen … Es wäre mir wie plumpe Rechthaberei vorgekommen, sie auf dem Markt des Elends auszubieten."
Hagelstange war ein Kosmopolit. Er zog nicht nur in Deutschland umher - wohnte in den Nachkriegsjahren zunächst in seiner Heimatstadt Nordhausen, dann in Hemer in Westfalen, auch am Bodensee und schließlich in Erbach im Odenwald -, sondern auch in Europa und in Amerika - diese Erfahrungen, von denen er in zahlreichen Reisebüchern berichtete, sind auch in seine Romane eingegangen ebenso wie in seine Hörspiele, Kinderbücher, Essays und autobiographischen Schriften. Die Kritik äußerte sich seit den 1960er Jahren zwar zunehmend negativ, rückte manche Texte wie den Roman "Altherrensommer" in die Nähe des Kitsches, aber Hagelstanges treue Leserschaft ließ sich dadurch nicht beirren. Vor allem die Bände mit seinen traditionellen Gedichten erreichten Auflagen, von denen anderen Lyriker nur träumen konnten.
"Ich knie hin am Brunnenrand der lauen blauen Nacht / zu schöpfen mit der hohlen Hand / was mich vergessen macht."
War das Erbauungsliteratur? Hagelstange selbst war sein heftigster Kritiker:
"Alle Strickstrümpfe Rudolf Hagelstanges sind mit mehr oder weniger religiöser, weltanschaulicher, moralischer Schafwolle und parallel gestrickt und im Kern gereimte oder auch ungereimte Bußpredigten, Erbauungsandachten, Festappelle, moralisierende, gelegentlich politisierende Traktate. Sie verraten den verhinderten Seelsorger und Missionar."
So schnöde Hagelstanges Werk zuletzt auch von der Kritik abgetan wurde, über seine Person waren sich alle einig:
"Ein eleganter Stilist, ein Anti-Philister ohne Dandy-Allüre, ein deutscher Bonhomme."