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Autor im Gefängnis: Gustavo Garzón

In unserer Reihe 'Autoren im Gefängnis' stellt Ihnen SAID, Präsident des deutschen P.E.N. Zentrums, den ecuadorianischen Schriftsteller Gustavo Garzón vor.

SAID | 03.09.2001
    In unserer Reihe 'Autoren im Gefängnis' stellt Ihnen SAID, Präsident des deutschen P.E.N. Zentrums, den ecuadorianischen Schriftsteller Gustavo Garzón vor.

    Gustavo Garzón wurde am 8. Juni 1958 in Quito, Ecuador, geboren. Er hatte das Studium der lateinamerikanischen Literatur mit einer Magisterprüfung an der Universität von Quito abgeschlossen, war unverheiratet und bekannt für seine kritische Einstellung gegenüber der ecuadoranischen Regierung .

    Von 1983 bis 1987 war er Mitherausgeber der Zeitschrift 'La Mosca Zumba', die die Arbeiten einer Gruppe junger Autoren und Künstler herausbrachte, mit der Garzón eng verbunden war. Diese Gruppe verstand sich als Gegner des magischen Realismus, propagierte dagegen den nackten Realismus.

    Im Laufe des Jahres 1989 ging Garzón mit einigen Freunden auf eine lange Tour durch das Land, um die ländliche Armut zu erforschen, die er als wichtigstes Motiv seiner literarischen Arbeiten verstand.

    Solche Forschungsreisen sind unter den ecuadorianischen Intellektuellen sehr beliebt.

    Am 7. August 1989 wurde Garzón durch den Servicio de Investigaciones criminales, die ecuadorianische Kriminalpolizei, auch zuständig für politische Delikte, in Pichincha verhaftet. Später sagte Garzón aus, er sei für vier Tage in Einzelhaft gewesen und auch gefoltert worden. Ihm wurden Kontake zur marxistischen Guerilla vorgeworfen.

    Nach diesen vier Tagen in der Provinz verlegte man Garzón nach Quito ins Gefängnis Garcia Moreno. Hier verbrachte er die nächsten 13 Monate.

    Am 7. September 1990 sprach ihn ein Gericht frei; ihm konnten keine Kontakte zur Guerilla nachgewiesen werden. Seine Freunde bestätigen, dass er, früher bekannt als Radikaler, das Gefängnis als ein moderater Linker verlassen hat. Nach der Freilassung gab er alle politischen Aktivitäten auf und widmete sich ganz seinen literarischen Ambitionen. Er schrieb Artikel, gab Anthologien heraus und veröffentlichte ein Buch mit Kurzgeschichten.

    Am 10. November 1990 - er war gerade 32 Jahre alt - feierte Garzón mit vier anderen aus der Gruppe La mosca zumba in der Diskothek El son candela ein Geburtstagsfest. Er verließ die Diskothek - und wurde nie wieder gesehen.

    Am Tag zuvor hatte Garzón einen Scheck von seinem Verlag El conejo, der sein letztes Buch veröffentlicht hatte, eingelöst: Es enthält eine Sammlung von Kurzgeschichten, deren Sujet im wesentlichen die Armut im Lande war. Sein Titel: Brutal como al rasgar de un fósforo (Brutal wie das Kratzen eines Streichholzes). Gustavo Garzón selbst hat sein Buch nie gesehen.

    Seine Familie befürchtet, gerade weil er freigesprochen wurde, könne er ein Opfer der Kriminalpolizei geworden sein. Denn diese pflegt gerade die Unschuldigen beiseite zu schaffen.

    Unmittelbar nach Garzóns Verschwinden gab seine Familie die Nachricht in der Presse und im Rundfunk des Landes bekannt. Alle Menschenrechtskommissionen in Ecuador und viele im Ausland wurden informiert; auch ein Parlamentsabgeordneter in Quito nahm sich des Falles an.

    Die ecuadorianische Regierung hat auf diese Anfragen nie eine Antwort gegeben.

    Inzwischen hat auch Amnesty International den Fall Gustavo Garzón zu den Akten gelegt.

    Nur die Mutter des Schriftstellers, Clarinda Guzman de Garzón, sucht weiter nach ihrem Sohn und hat den Glauben, ihn irgendwann zu finden, nicht aufgegeben.

    Sie wird es wohl niemals tun.

    Ein Beitrag von SAID, dem Präsidenten des P.E.N. Zentrums Deutschland. Die Reihe Autoren im Gefängnis wird am jeweils ersten Montag eines Monats fortgesetzt.