"Buchkinder" gibt es seit drei Jahren. Persönlich bin ich Lehrer und hab Erfahrung schon seit fast 15 Jahren mit Erstschreibern, mit dem freien Schreiben, mit der Entstehung von Ersttexten. Und hab dann irgendwann begriffen, dass diese Texte einfach auch zusammengehören und zum Buch zusammengebunden werden sollten. (...) Angefangen mit 7 Kindern bei mir in der Wohnung. Werkstatt angemietet, die jetzt hier sichtbar ist. Erst eine Wohnung, aus den 7 Kindern sind jetzt insgesamt 84 Kinder. 84 Kinder sind jetzt da, in unterschiedlichen Gruppen.
Die Autorin Janka Havighorst legt Wert auf die Präzisierung, dass sie inzwischen sieben Jahre alt ist und damit das Vorwort zu ihrem zweiten Buch überhaupt nicht mehr stimmt. Mittlerweile sitzt sie an ihrem vierten Werk und gehört zu den produktivsten Autorinnen eines Leipziger Literaturinstituts ganz besonderer Art. Nein, hier wird kein Nachschub für die nimmersatten deutschen Verlage produziert – jedenfalls nicht absichtlich –, hier sprudelt Literatur von der Urquelle. Schreiben kann jeder, der noch nicht schreiben kann, lautet das paradoxe Credo dieses ungewöhnlichen Projekts. Hauptsache, er oder sie hat etwas zu erzählen.
Das sind ganz normale Kinder, die einfach jetzt hier zu uns kommen. Es gibt keine herausragende Begabung hier. Obwohl es ist natürlich so, dass es jetzt Kinder gibt, die schon einige Fertigkeiten haben im Geschichtenaufbau oder in der Illustration, das kommt dann automatisch, indem man’s tut, indem man’s zwei, drei Jahre gemacht hat ... da haben sie schon so was mitbekommen.
Vornehmes Understatement von Rulo Lange, Gründer und Spiritus Rector der "Buchkinder". Denn wem die Bücher auf der Frankfurter oder Leipziger Messe zum ersten Mal in die Hände fallen, der verwechselt sie todsicher mit etwas, was sie eben nicht sind: bibliophile Buchkunst, geschaffen für Glasvitrinen und Museen, teure Sammelobjekte in Miniaturauflage. Mit diesem Zweig der Erwachsenenkunst hat das Projekt wenig zu tun, obwohl es mit ihm konkurrieren könnte. Die bisweilen backblechgroßen Bücher aus Kinderhand sind Unikate mit Original-Linolgrafiken in einer Auflage von höchstens 50 Stück und kosten trotzdem maximal 35 Euro, im Durchschnitt gar nur 22 Euro.
Dafür bekommt man dann mehr Buch als in konventionellen Verlagen, ja sogar mehr Buch als bei manchen Edelpressen. Dass das Alter der Autorinnen und Autoren weit unter dem üblichen Durchschnitt liegt, merkt man erst, wenn man die krakeligen Schriftzüge mit ihrer eigenwilligen Orthographie studiert und sich in ungewohnte Gedankenwelten versenkt. Die haben nichts gewollt Künstlerisches an sich, sondern sind ganz nah am Leben angesiedelt. Also: am Märchen. Denn darin spiegelt sich ja das wahre Leben, wenn man zwischen fünf und zehn Jahre alt ist.
Es gibt selbstverständlich die Prinzessinnen. Die tauchen in Mädchentexten auf. Da gibt’s richtige Kisten. Also wir machen die Illustrationen meistens über Linolschnitte, und da gibt’s halt eine Prinzessinnenkiste, die ist übervoll. Es gibt bestimmt 200 Prinzessinnen schon, also die Mädchen machen meistens halt Prinzessinnenbücher. Oder selbstverständlich spielen Reiterinnen eine Rolle in diesen Büchern oder niedliche Tiere. Und meistens wollen die sich miteinander befreunden. Jungstexte sind anders, Jungstexte handeln von Abenteuern. Meistens ziehen irgendwelche Gestalten, Tiere, durch die Welt und erleben diese Abenteuer, und diese Abenteuer können erlebt werden unter Wasser, auf Bergen, im Fesselballon und natürlich gibt es Kämpfe, gibt es Ritterkämpfe, gibt es Wikingerkämpfe, es gibt überhaupt Kämpfe.
"Di Märchenschtunde begint. Und der Könik wollte di Prinzesin nicht hergeben. Das Schwain...", hebt die Nacherzählung bekannter Motive im Sammelband "Um Hülfe" an. Wer’s noch härter, unkuscheliger, in einem Wort: kerlhafter haben will, sollte sich "Hausnears Geschichten" zu Gemüte führen. Der an ein Gesamtwerk gemahnende Titel verspricht nicht zuviel. Gleich neun lebenssatte Stories vom "ringsärmlischen Emil" bis zum "Geheimen Löwen" versammelt Johannes Hausner, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sechs Jahre alt, in seinem Debütband. Hören wir die finstere, dennoch anrührende Mär vom Raubdino. Es liest der Autor:
Bevor der Raubdino in Amerika geboren wurde, lebte er in einem achtzik Meter hohen Ei. Seine Mutter schtarp am siptzixten Mai in einer Vilschlucht. Dort rakte ein langer Nagel aus der Ärde – als Edlschtein. Die Mutter vil in diese Schlucht genau auf den Nagel, blipp schtekhen und schtarp. Er war schon gans schön kchäftig, weil er gerade das Ei aufgefresen hatte. Da in diesem Augenblig brach der kleine Raubdino aus dem Ei. Er sah die Mutter. Er zog die Mutter vom Nagel. Die Mutter war sein Vorat. Aber dann küste er sie TROTZDEM noch einmal auf dem Mund.
Ich bin ja auch unendlich froh über unsere Bücher, also ich bin über jedes Buch froh, mir macht jedes Buch Spaß. Es macht mir auch Spaß, die immer wieder vorzuzeigen, weil die nämlich wirklich witzig sind. Durch dieses Unverfälschte ist wirklich eine Lebensklugheit, ein Lebenswitz sichtbar, was ein Erwachsener, wenn er sich ganz, ganz doll Mühe gibt wahrscheinlich doch nicht so hinbekommt.
Man kann Rulo Lange zu seiner Idee nur beglückwünschen, denn bei diesem engagierten Projekt gibt es ausschließlich Gewinner: Kinder, die ausdauernd bei einer Sache bleiben, viele schon über Jahre hinweg; Erwachsene, die herzerfrischende Einblicke in Kinderwelten bekommen, und last not least die Leseförderung, der ein unkonventioneller Weg praktischer Literaturaneignung gewiesen wird:
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dadurch, dass sie ihre eigenen Geschichten selbst fertigen, haben sie auch Interesse, andere Geschichten wahrzunehmen, andere Geschichten zu lesen, quasi die Mustergeschichten, die man im Laden kauft oder sich in der Bibliothek holt, sich vorzunehmen, sie sind automatisch dadurch richtig gute Leser. Sie wollen einfach den Vergleich Sie kommen durch das Machen der eigenen Geschichte zum Lesen.
Freilich hängt es, wie so oft, am Gelde. Die "Buchkinder", deren opulente Erzeugnisse bass erstaunen, leben von geringen Elternbeiträgen, spendablen Förderern und dem Verkauf ihrer Werke. Auch außerhalb Leipzigs kann man sie via Internet beziehen. Unter "www.buchkinder.de" öffnet sich das gesamte Verlagsprogamm, neben aktuell 41 Büchern lassen sich die schönsten Motive und Zitate auf Postkarten erwerben. Für eine Fördermitgliedschaft von 6 Euro im Monat erhält man ein Buch pro Jahr gratis, und so manche sächsische Firma hat die "Buchkinder" schon als Sympathieträger entdeckt und verwendet ihre Produkte als Kundengeschenke. Manchmal ist es ein einziger Satz, der ein Buch zum Volltreffer werden lässt:
Der Renner ist zum Beispiel "Die Stute Jule" nur wegen einer Seite. Auf dieser Seite kommt die Kuh Marieluise vor, die eben halt auch auf diesem Bauernhof lebt, und die ist sehr gutmütig, und sie "kaut sich ihre Gedanken schön".
Doch mögen Kinder die Geschichten von Kindern? Wenn sie so gut durchgekaut sind schon. Was gibt es Besseres als den Ansporn durch Altersgenossen? Da setzt man sich doch hin, greift selbst zu Feder – und vor der Autorenschwemme, die damit aus Leipzig droht, braucht sich wahrlich niemand zu fürchten.
Die Autorin Janka Havighorst legt Wert auf die Präzisierung, dass sie inzwischen sieben Jahre alt ist und damit das Vorwort zu ihrem zweiten Buch überhaupt nicht mehr stimmt. Mittlerweile sitzt sie an ihrem vierten Werk und gehört zu den produktivsten Autorinnen eines Leipziger Literaturinstituts ganz besonderer Art. Nein, hier wird kein Nachschub für die nimmersatten deutschen Verlage produziert – jedenfalls nicht absichtlich –, hier sprudelt Literatur von der Urquelle. Schreiben kann jeder, der noch nicht schreiben kann, lautet das paradoxe Credo dieses ungewöhnlichen Projekts. Hauptsache, er oder sie hat etwas zu erzählen.
Das sind ganz normale Kinder, die einfach jetzt hier zu uns kommen. Es gibt keine herausragende Begabung hier. Obwohl es ist natürlich so, dass es jetzt Kinder gibt, die schon einige Fertigkeiten haben im Geschichtenaufbau oder in der Illustration, das kommt dann automatisch, indem man’s tut, indem man’s zwei, drei Jahre gemacht hat ... da haben sie schon so was mitbekommen.
Vornehmes Understatement von Rulo Lange, Gründer und Spiritus Rector der "Buchkinder". Denn wem die Bücher auf der Frankfurter oder Leipziger Messe zum ersten Mal in die Hände fallen, der verwechselt sie todsicher mit etwas, was sie eben nicht sind: bibliophile Buchkunst, geschaffen für Glasvitrinen und Museen, teure Sammelobjekte in Miniaturauflage. Mit diesem Zweig der Erwachsenenkunst hat das Projekt wenig zu tun, obwohl es mit ihm konkurrieren könnte. Die bisweilen backblechgroßen Bücher aus Kinderhand sind Unikate mit Original-Linolgrafiken in einer Auflage von höchstens 50 Stück und kosten trotzdem maximal 35 Euro, im Durchschnitt gar nur 22 Euro.
Dafür bekommt man dann mehr Buch als in konventionellen Verlagen, ja sogar mehr Buch als bei manchen Edelpressen. Dass das Alter der Autorinnen und Autoren weit unter dem üblichen Durchschnitt liegt, merkt man erst, wenn man die krakeligen Schriftzüge mit ihrer eigenwilligen Orthographie studiert und sich in ungewohnte Gedankenwelten versenkt. Die haben nichts gewollt Künstlerisches an sich, sondern sind ganz nah am Leben angesiedelt. Also: am Märchen. Denn darin spiegelt sich ja das wahre Leben, wenn man zwischen fünf und zehn Jahre alt ist.
Es gibt selbstverständlich die Prinzessinnen. Die tauchen in Mädchentexten auf. Da gibt’s richtige Kisten. Also wir machen die Illustrationen meistens über Linolschnitte, und da gibt’s halt eine Prinzessinnenkiste, die ist übervoll. Es gibt bestimmt 200 Prinzessinnen schon, also die Mädchen machen meistens halt Prinzessinnenbücher. Oder selbstverständlich spielen Reiterinnen eine Rolle in diesen Büchern oder niedliche Tiere. Und meistens wollen die sich miteinander befreunden. Jungstexte sind anders, Jungstexte handeln von Abenteuern. Meistens ziehen irgendwelche Gestalten, Tiere, durch die Welt und erleben diese Abenteuer, und diese Abenteuer können erlebt werden unter Wasser, auf Bergen, im Fesselballon und natürlich gibt es Kämpfe, gibt es Ritterkämpfe, gibt es Wikingerkämpfe, es gibt überhaupt Kämpfe.
"Di Märchenschtunde begint. Und der Könik wollte di Prinzesin nicht hergeben. Das Schwain...", hebt die Nacherzählung bekannter Motive im Sammelband "Um Hülfe" an. Wer’s noch härter, unkuscheliger, in einem Wort: kerlhafter haben will, sollte sich "Hausnears Geschichten" zu Gemüte führen. Der an ein Gesamtwerk gemahnende Titel verspricht nicht zuviel. Gleich neun lebenssatte Stories vom "ringsärmlischen Emil" bis zum "Geheimen Löwen" versammelt Johannes Hausner, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sechs Jahre alt, in seinem Debütband. Hören wir die finstere, dennoch anrührende Mär vom Raubdino. Es liest der Autor:
Bevor der Raubdino in Amerika geboren wurde, lebte er in einem achtzik Meter hohen Ei. Seine Mutter schtarp am siptzixten Mai in einer Vilschlucht. Dort rakte ein langer Nagel aus der Ärde – als Edlschtein. Die Mutter vil in diese Schlucht genau auf den Nagel, blipp schtekhen und schtarp. Er war schon gans schön kchäftig, weil er gerade das Ei aufgefresen hatte. Da in diesem Augenblig brach der kleine Raubdino aus dem Ei. Er sah die Mutter. Er zog die Mutter vom Nagel. Die Mutter war sein Vorat. Aber dann küste er sie TROTZDEM noch einmal auf dem Mund.
Ich bin ja auch unendlich froh über unsere Bücher, also ich bin über jedes Buch froh, mir macht jedes Buch Spaß. Es macht mir auch Spaß, die immer wieder vorzuzeigen, weil die nämlich wirklich witzig sind. Durch dieses Unverfälschte ist wirklich eine Lebensklugheit, ein Lebenswitz sichtbar, was ein Erwachsener, wenn er sich ganz, ganz doll Mühe gibt wahrscheinlich doch nicht so hinbekommt.
Man kann Rulo Lange zu seiner Idee nur beglückwünschen, denn bei diesem engagierten Projekt gibt es ausschließlich Gewinner: Kinder, die ausdauernd bei einer Sache bleiben, viele schon über Jahre hinweg; Erwachsene, die herzerfrischende Einblicke in Kinderwelten bekommen, und last not least die Leseförderung, der ein unkonventioneller Weg praktischer Literaturaneignung gewiesen wird:
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dadurch, dass sie ihre eigenen Geschichten selbst fertigen, haben sie auch Interesse, andere Geschichten wahrzunehmen, andere Geschichten zu lesen, quasi die Mustergeschichten, die man im Laden kauft oder sich in der Bibliothek holt, sich vorzunehmen, sie sind automatisch dadurch richtig gute Leser. Sie wollen einfach den Vergleich Sie kommen durch das Machen der eigenen Geschichte zum Lesen.
Freilich hängt es, wie so oft, am Gelde. Die "Buchkinder", deren opulente Erzeugnisse bass erstaunen, leben von geringen Elternbeiträgen, spendablen Förderern und dem Verkauf ihrer Werke. Auch außerhalb Leipzigs kann man sie via Internet beziehen. Unter "www.buchkinder.de" öffnet sich das gesamte Verlagsprogamm, neben aktuell 41 Büchern lassen sich die schönsten Motive und Zitate auf Postkarten erwerben. Für eine Fördermitgliedschaft von 6 Euro im Monat erhält man ein Buch pro Jahr gratis, und so manche sächsische Firma hat die "Buchkinder" schon als Sympathieträger entdeckt und verwendet ihre Produkte als Kundengeschenke. Manchmal ist es ein einziger Satz, der ein Buch zum Volltreffer werden lässt:
Der Renner ist zum Beispiel "Die Stute Jule" nur wegen einer Seite. Auf dieser Seite kommt die Kuh Marieluise vor, die eben halt auch auf diesem Bauernhof lebt, und die ist sehr gutmütig, und sie "kaut sich ihre Gedanken schön".
Doch mögen Kinder die Geschichten von Kindern? Wenn sie so gut durchgekaut sind schon. Was gibt es Besseres als den Ansporn durch Altersgenossen? Da setzt man sich doch hin, greift selbst zu Feder – und vor der Autorenschwemme, die damit aus Leipzig droht, braucht sich wahrlich niemand zu fürchten.