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Avocado-Boom
Gut für die Gesundheit, schlecht für die Umwelt

Grün leuchtende Avocado-Felder inmitten trockener Hügel: In Chile boomt der Avocado-Anbau. Doch Flüsse vertrocknen, Anwohner müssen mit Tankwagen versorgt werden. Umweltschützer sehen die Schuld bei Großkonzernen. Jetzt haben einige Aktivisten Morddrohungen erhalten. Der Kampf ums Wasser ist in vollem Gange.

Von Sophia Boddenberg | 12.07.2018
    Avocado
    Avocado gilt als Superfrucht - braucht aber jede Menge Wasser (jala | photocase.de)
    "Wir sind hier an einem Ort, der früher ein Fluss war. Heute gibt es hier Steine und Müll. Sonst nichts."
    Luis Soto steht im ausgetrockneten Flussbett des Río Ligua in der Provinz Petorca, etwa 220 Kilometer nördlich von Chiles Hauptstadt Santiago. Soto ist Mitglied der chilenischen Bewegung "MODATIMA", der Bewegung zur Verteidigung des Wassers, des Landes und für den Umweltschutz. Sie wurde 2010 gegründet, um die Rechte der Bewohner und kleinen Landwirte zu verteidigen.
    "Früher haben die Leute hier gebadet, es gab Enten und Vögel. Das ist alles vorbei, weil die Agrarunternehmer das Wasser abgepumpt haben. Sie haben sogar die Leute ohne Trinkwasser hinterlassen. In den Dörfern werden die Bewohner mit Tankwagen versorgt."
    Privatisierung der Wasserrechte als Problem?
    Chile ist das einzige Land der Welt, in dem die Wasserversorgung fast zu 100 Prozent privatisiert ist. Das aktuelle Wassergesetz, der "Código de Aguas" definiert Wasser zwar als ein "öffentlich genutztes nationales Gut", doch es ermöglicht dem Staat, Nutzungsrechte kostenlos und auf unbegrenzte Dauer an Dritte zu vergeben.
    Das Wasser ist außerdem vom Landbesitz getrennt. Es ist eine frei handelbare Ware. Gerade im Zusammenhang mit dem Anbau- und Exportboom von Avocados hat sich das als Verhängnis erwiesen. So konzentrieren sich die Wasserrechte mittlerweile in den Händen weniger Großunternehmer aus dem Agrar-, Bergwerks- und Forstwirtschaftssektor. Die Bewegung "MODATIMA" fordert, die Wasserrechte wieder zurück in staatliche Hände zu geben.
    Luis Soto und die Bewegung MODATIMA wollen, das Wasser wieder zum öffentlichen Gut in Chile wird.
    Luis Soto und die Bewegung MODATIMA wollen, das Wasser wieder zum öffentlichen Gut in Chile wird. (Sophia Boddenberg)
    Avocadobäume statt Pflanzenvielfalt
    "Wir wollen das Wasser rekommunalisieren. Die familiäre Landwirtschaft war divers. Heute gibt es keine Vielfalt mehr. Heute gibt es nur noch eins: Avocadobäume."
    Auch die Landwirtin Jimena Valdebenito baut Avocados an. Aber seitdem die Agrarindustrie sich in der Region Petorca niedergelassen habe, sei es immer schwieriger für sie, davon zu leben. Denn die Böden sind ausgetrocknet, die Brunnen versiegt, der Grundwasserspiegel gesunken.
    "Die Agrarunternehmen haben Geld und einfach Brunnen gebohrt. Und sie haben die Wasserrechte. Wir kleinen Bauern können das nicht machen, weil wir dafür kein Geld haben. Wir respektieren die Regeln. Wir mussten die Produktion eines gesamten Jahres opfern, um Wasser zu sparen. Sie legen so viele Brunnen an wie sie wollen, und den Fluss nehmen sie auch gleich mit."
    Dürre, steigender Wasserkonsum sorgen für Trockenheit
    Alfonso Ríos, Präsident von Agropetorca, dem größten Agrarverband in Petorca, argumentiert dagegen: "Meiner Meinung nach hat der Staat nicht genug investiert. Das Problem ist hier nicht, dass es zu wenig Wasser gibt. Es gibt genug. Es fehlt an Management und Investitionen."
    Landschaft in Chile: Grüne Avocadoplantagen sprießen aus trockenen Hügeln.
    Grüne Avocadoplantagen sprießen aus trockenen Hügeln. (Sophia Boddenberg)
    Thomas Fichet ist Agrarwissenschaftler an der Universidad de Chile in der Hauptstadt Santiago. Er stellt klar, dass mehrere Faktoren die Situation beeinflussen: "Erstens ist Petorca ein geschlossenes Tal und erhält nur wenig Wasser aus dem Gebirge der Anden. Zweitens gibt es seit acht Jahren eine Dürre. Ein dritter Faktor ist die gestiegene Zahl von Plantagen. Auch der menschliche Wasserkonsum hat zugenommen. Ein weiterer Faktor ist die Gesetzgebung. Es gibt verantwortungsbewusste Produzenten, aber es gibt auch Produzenten, die illegal Wasser abpumpen oder ihre Brunnen vertiefen. Und es wurden mehr Wasserrechte vergeben, als die Täler aushalten."
    Die Organisation "MODATIM" hat mehrere Agrarunternehmen wegen illegaler Wasserenteignung in Petorca angezeigt. Einige Mitglieder haben anschließend Morddrohungen erhalten und befinden sich jetzt unter besonderem Schutz von Amnesty International.