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Azubi an der Uni

In der Uni findet Ausbildung statt. Logisch: Vorlesungen, Seminare, Kolloquien, aber Ausbildung in ganz normalen Lehrberufen wie Elektroniker, Buchbinder oder Tierpfleger? Wenn es um Lehrstellen geht, sind die Hochschulen oft ganz weit vorn. An der Universität Bielefeld machen zum Beispiel 75 Jugendliche ihre ersten Schritte in die Arbeitswelt, in 20 unterschiedlichen Berufen.

Von Antje Althoff |
    "Wie weit soll ich die zurückschneiden? - Die schneiden wir dicht überm Boden zurück, die Blüten sind schon verblüht. Das Unkraut auch schön raus machen."

    Gärtnermeister Detlev Balten wirft noch einen kurzen Blick auf seinen Lehrling, der dabei ist, eine vertrocknete Chrysantheme in Form zu bringen. Dann wendet er sich wieder seiner eigenen Arbeit mit den Tomatenpflanzen zu. Seit acht Jahren bildet Detlev Balten junge Leute zu Gärtnern, Fachrichtung Zierpflanzenbau aus. Das Besondere: Der Betrieb gehört zur Universität Bielefeld.

    "Man kann sich hier mehr Zeit lassen für die Ausbildung. Im gewerblichen Betrieb ist der Druck doch ziemlich groß. Durch die Kosten, die Heizölkosten sind im Moment sehr hoch, da ist die Personaldecke eben sehr gering, da kann man sich nicht so intensiv um die Ausbildung kümmern."

    Die verblühte Chrysantheme ist umgetopft, jetzt muss Tassilo Heinz das 60 Meter lange Gewächshaus ausfegen. Obwohl der Bielefelder seine Lehre gerade erst angefangen hat, kennt er sich in der Gärtnerei schon ziemlich gut aus. Grund ist ein neunmonatiges Praktikum.

    "Die ersten Pflanzennamen hab ich da gelernt, wie alles funktioniert, wo alles ist . Das hat mir gut gefallen. Da hab ich mich auf die Stelle beworben, es hat funktioniert und jetzt bin ich hier."

    Gewächshaus und Beete gehören zum Unigelände, liegen zwischen den Fakultäten für Sport und Biologie. Praktisch, gerade die Biostudenten und -dozenten kommen oft vorbei, wenn sie Pflanzen für Experimente brauchen.

    "Der Unterschied ist, dass in gewerblichen Betrieben die Pflanzenvielfalt viel geringer ist und wir hier in der Uni 1500 Arten haben und das kriegt man halt sonst nirgendwo zu sehen. Auch viele exotische Pflanzen, die von Professoren mitgebracht werden und um die wir uns kümmern müssen."

    Tassilo Heinz ist nicht der einzige Azubi an der Bielefelder Uni. 74 andere junge Leute zwischen 16 und 30 Jahren lernen hier die unterschiedlichsten Berufe. Feinwerkmechaniker, Verwaltungsfachangestellte, Mediengestalter - die Palette ist groß. Koordiniert werden Angebote, Bewerbungen und Vorstellungstests von Angelika Spilker. Sie ist Ausbildungsbeauftragte an der Hochschule.

    "Wir stehen immer in Abhängigkeit davon, wieviele Stellen uns das Land zur Verfügung stellt und die versuchen wir natürlich voll auszuschöpfen Wir denken immer darüber nach, ob wir irgendwelche Ausbildungsfelder schließen, um neue zu öffnen. Wir sind einem ständigen Wandel unterzogen, so dass wir für den Markt ausbilden."

    Gute Aussichten auf einen Job hat Tim Henkenjohann. Der 18-Jährige ist im zweiten Lehrjahr und will Chemielaborant werden. Auf seine Bewerbungen bekam er gleich fünf Zusagen, entschieden hat er sich für den Ausbildungsplatz an der Uni.

    "Es sind sehr viele verschiedene Abteilungen hier und ich würde sagen, in anderen Betrieben ist man auf eine Abteilung beschränkt, weil die vielleicht nur Qualitätssicherung machen. Hier in der Uni machen wir alles: Forschung und Qualitätssicherung und so weiter. Hier wird man echt gut aufs Berufsleben vorbereitet."

    Sein Dienst beginnt morgens um neun und endet nachmittags gegen 16 Uhr. Während Tim anfangs noch unter Anleitung gearbeitet hat, führt er jetzt einzelne Versuchsreihen und deren Auswertung allein durch. Für ihn das Ergebnis des Werkunterrichts. Einer speziellen Uni-AG, die von einem Doktoranden der Chemie geleitet wird.

    "Wir treffen uns einmal in der Woche für zwei, drei Stunden, gehen den Stoff aus der Schule noch mal durch, geben uns Aufgaben, um uns einfach noch zu verbessern, viele aus unserer Berufsschulklasse haben das nicht, die kommen dann mit dem Stoff nicht hinterher und haben Lücken."

    Mit seinen 18 Jahren gehört der Gütersloher zu den jüngeren Semestern an der Uni. Ihn stört das nicht. Er hat auch nicht das Gefühl von den Studenten belächelt zu werden. Im Gegenteil. Tim mischt sich gern unter die anderen, nutzt das riesige Sportangebot, oder macht Mittag in der Mensa - übrigens zum günstigen Azubi-Tarif. Und wenn die Lehre vorbei ist? Vielleicht hängt er ein Chemie-Studium dran. Schnuppern kann er jetzt schon.

    "Man kann verschiedene Vorlesungen und Seminare belegen, ich wollte jetzt ein Seminar über quantitative Verbrennung belegen. Das haben schon mehrere Azubis gemacht, und das ist hier selbstverständlich, dass man mal kurz vom Arbeitsplatz flüchten darf und Vorlesungen besuchen darf."

    Portal der Uni Bielefeld für Schülerinnen und Schüler