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Babylon im Internet

Schon längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die meisten Inhalte im World Wide Web aus den USA kommen und in englischer Sprache verfasst sind. Doch je mehr das Internet zum Kommunikationsmedium der Bürger wird, um so mehr müssen die Bürger auch Angebote in ihrer Muttersprache finden können. Und wenn das World Wide Web überdies noch zur Bildung beitragen soll, dann spielen unterschiedliche Sprachen eine herausragende Rolle. Europa mit seinen vielen Sprachen ist also eine Herausforderung für Website-Betreiber.

Mirko Smiljanic |
    "Das Monopol der englischen Sprache im Internet wird bald vorbei sein", erklärt Elisabeth den Os, Leiterin des EURESCOM-Projekts BabelWeb. Wissenschaftler aus den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Italien und Portugal entwickelten darin im Auftrag des europäischen Forschungsinstitutes für Telekommunikation Richtlinien, wie die Architektur multilingualer Webseiten aussehen könnten. Erster Schritt dabei war eine Prüfung bisheriger Übersetzungstools. Das Ergebnis kann jeder selbst nachvollziehen und ist wohl bekannt: Automatisch übersetzte Seiten wimmeln voller Fehler und teilweise unfreiwilliger Komik, mehr als den nackten Inhalt – und den nur holzschnittartig – geben sie nicht wieder. Weit effizienter, so Milton Gupta vom Mannheimer EURESCOM-Büro, sei der Einsatz von Datenbanken: "Dabei wird der Inhalt einmal von einem professionellen Übersetzer übertragen, in einzelne Fragmente aufgespaltet und in einer Datenbank erfasst." Die Qualität der Übersetzungen ließe sich steigern, außerdem spare man auf diese Weise viel Geld, weil Floskeln und Phrasen nicht ständig neu übersetzt werden müssen. Beim Programmieren neuer Websites sei aber entscheidend, dass die multilinguale Präsenz von vornherein einbezogen werde. Es gehe nicht um die reine Übersetzung von Texten, sondern vielmehr auch um die Berücksichtigung von Layout, Länge der Texte oder etwa bei Bildunterschriften die Größe der Fotos. Nach Meinung der Mitarbeiter des BabelWeb-Projektes reichen dazu aber die herkömmlichen Programmierverfahren nicht aus.

    "Kleinere Internetseiten werden überwiegend in statischem HTML-Kode programmiert. Um aber komplexe Web-Angebote zu unterhalten, müssen die Daten dynamisch über eine Datenbank verwaltet werden", so Gupta. BabelWeb entwickelte eine Drei-Ebenen-Struktur für die Architektur multilingualer Websites: Ebene eins ist eine relationale Datenbank für die Inhalte, während Ebene zwei eine übergreifende Struktur darstellt, in der die Inhalte organisiert werden. Schließlich umfasst die dritte Ebene die Darstellung der mehrsprachigen Inhalte auf dem Bildschirm des Nutzers. Große Probleme bereiten dabei immer noch nichtlateinische Schriftzeichen, wie etwa Chinesisch, Japanisch oder Arabisch. Allerdings werden diese Sprachen in den kommenden Jahren immer stärker auch im Internet vertreten sein. "Man muss die Seiten auch so programmieren, dass die Sprachen und ihre Zeichensätze korrekt angesteuert werden. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der einzelne Anwender sowie der von ihm benutzte Browser."

    Andererseits sprechen sich andere Experten dafür aus, eher dem Trend zu folgen und Englisch zur international anerkannten Internetsprache zu küren. Doch dagegen sprächen ökonomische Argumente, entgegnet Milton Gupka, denn Kunden blieben doppelt so lange auf Websites in ihrer Muttersprache und kauften dann auch dreimal mehr. Außerdem gebe es bildungspolitische Erfordernisse. "Bildungsangebote von der UNO, der EU und anderen, müssen sich auch an nicht-englischsprachige Menschen richten. Um den so genannten digitalen Graben in der Welt zu überbrücken, ist die Notwendigkeit mehrsprachiger Webseiten sehr groß."

    Details finden Sie dazu im Internet unter http://www.eurescom.de/~public-seminars/2000/AIMS2000/02denOs/index.htm - - allerdings auf englisch.