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Babylonisches Sprachgewirr bei multimedialen Silberscheiben

Technik. – Lange nach der Schallplatte droht jetzt einem weiteren altgedienten Veteranen aus dem Wohnzimmer das Aus: Auch der gute alte VHS-Videorekorder droht jetzt von handlichen Silberscheiben mit Riesenkapazität auf das Altenteil abgeschoben zu werden. Doch wer den unzähligen Kassetten, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben, schweren Herzens Lebewohl sagen möchte, um fortan mit DVD Spielfilme zu sammeln, steht vor der schwierigen Qual der Wahl. Denn allzu viele Formate verwirren den Verbraucher, der genau wissen muss, was er womit machen möchte.

    Einer der großen Trends, die die Unterhaltungselektronikbranche aus dem Tal der Tränen tragen sollen, heißt auf der gestern eröffneten CeBIT in Hannover ganz klar DVD. Doch während rund 30 Prozent der Haushalte hierzulande bereits solche Multimediascheiben abspielen können, will in den Vertrieb entsprechender Aufnahmegeräte nicht so recht Schwung kommen. Der Grund: Weil die Hersteller sich nicht auf einen durchgängigen Standard einigen konnten, verliert der Kunde die Orientierung im Formatwirrwarr der Geräte. Derzeit werden nicht weniger als vier verschiedene Standards zum Beschreiben so genannter DVD-RWs angeboten, die selbstredend untereinander weitgehend inkompatibel sind. Überdies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen, welches Unternehmen die besten Chancen hat, sich mit dem eigenen Format durchzusetzen. Wenn eine Sprache nicht ausreicht, dann muss man eben alle lernen, dachten sich daher gleich mehrere Anbieter von DVD-Brennern. "Weil es so viele verschiedene DVD-Formate gibt, entwickelten wir ein Gerät, das alle Formate schreiben kann und damit das Entscheidungsproblem für den Anwender löst", berichtet Renate Stoffel vom Unternehmen LG Elektronics. Der Vorteil dieser Brachialmethode: Der Benutzer kann je nach Zweck das passende Format verwenden oder auch für günstige Rohlinge entsprechende Schreibverfahren nutzen.

    Während die DVD bereits seit einigen Jahren auf dem Markt ist, stehen viele der Softwarehersteller erst am Beginn des DVD-Zeitalters, denn erst jetzt arbeiten die Autoren- und Schreibprogramme weitgehend reibungslos. Bislang war das DVD-Brennen eher ein Abenteuer, bei dem erst nach Schreibvorgang klar war, ob die Daten einwandfrei auf die Silberscheibe gelangten oder welche Komponente – Rohling, Schreiber oder Software – genau das eben verhinderte. Überdies legten die Programme in Sachen Bedienbarkeit und Leistungsumfang deutlich zu. So ist es jetzt ein Leichtes, den Urlaubsfilm vom Camcorder auf dem heimischen PC in einen Oscarpreis verdächtigen Streifen zu verwandeln und anschließend auf DVD zu verewigen. "Unser Studio 8 ist ein kombiniertes Videoschnitt- und DVD-Brennprogramm. Sobald der Camcorder per Firewire-Schnittstelle an den PC angeschlossen ist, werden die Aufnahmen automatisch in Filmszenen unterteilt und in virtuellen Alben abgelegt", erklärt Hannes Albrecht vom Multimediaspezialisten Pinnacle. Die so erfassten Urlaubsvideos können dann mit aufwändigen Übergängen geschnitten, nachvertont oder mit erklärenden Untertiteln versehen werden. Anschließend genügen wenige Mausklicke, um das Produkt auf DVD zu bannen.

    Während viele Anwender vor allem den altgedienten CD-Brenner durch die großkalibrige DVD ersetzen, um die sich auftürmenden CD-Berge abzubauen, sehnen sich andere nach einem Ersatz für den alten und überdies in relativ niedriger Auflösung aufzeichnenden VHS-Videorekorder. Zwar werden auf der diesjährigen CeBIT dazu bereits Geräte beworben, doch sie alle besitzen ein Manko: sie bieten nämlich nur zwei Stunden Aufnahmezeit, sofern nicht qualitätsmindernde Kompressionsverfahren zugeschaltet werden. "In höchster Qualität schrumpft die Aufnahmedauer sogar auf nur eine Stunde. Daher bieten wir eine Kombination aus DVD-Brenner und Festplatte an. Damit können Sie je nach Qualität bis zu 52 Stunden Video aufnehmen und anschließend alles entfernen, was sie nicht benötigen, und das bereinigte Material dann auf DVD schreiben", erläutert Ralf Hansen von Panasonic. Doch schon zeichnen sich auch erste DVD-Killer ab: das Nachfolgesystem "Blue Ray" arbeitet mit blauem Laserlicht und einer entsprechend kürzeren Wellenlänge. Damit lässt sich gleich die vierfache Datenmenge auf einer vergleichbar großen Scheibe ablegen. Auch die Hersteller scheinen dazugelernt zu haben: für Blue Ray einigten sie sich auf einen gemeinsamen Standard, der dem babylonischen Formatgewirr der DVD ein Ende bereiten soll.

    [Quelle: Wolfram Koch]