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Bach:''Original & Transcription''

Norbert Ely |
    Es ist der Edition hoch anzurechnen, daß sie im Bach-Jahr nicht ideologisch oder akademisch vorgeht. Die Goldberg-Variationen zum Beispiel wurden von dem Pianisten Evgeni Koroliov auf einem modernen Flügel eingespielt - über diese Aufnahme wurde bereits vor einigen Wochen berichtet. Wiederum in eine andere Welt führte vor etlichen Monaten der Freiburger Cembalist Robert Hill. Er spielte Bach auf einem Lautenklavier, das ihm Keith Hill nach alten Angaben gebaut, freilich auch um einige trickreiche Features weiterentwickelt hatte. Das Lautenklavier ist mit Darmsaiten bezogen. Da dürfte beim Stimmen Freude aufkommen. Nun hat Robert Hill sein Lautenklavizimbel auch bei einer neuen Doppel-CD eingesetzt, diesmal allerdings neben einem Clavichord von Keith Hill nach Friderici und einem Cembalo, ebenfalls von Hill, nach Pascal Taskin. Der Taskin-Nachbau ist eine Wucht. Es ist natürlich ein Nach-Bachisches Cembalo und auf Klangpracht hin konstruiert. Hills neue Doppel-CD trägt freilich auch den Titel "Original & Transcription". Es geht um den Reflex auf Bachs Musik, und da können vor allem jene Bearbeitungen faszinieren, die auf Partiten und Sonaten für Violine solo beruhen. Die Partita E-dur wurde von Bach selbst für Tasteninstrument bearbeitet. Die Sonaten a-moll und C-dur wurden möglicherweise ebenfalls von Bach für Tasteninstrumente gesetzt, und zwar jeweils eine Quint tiefer. Sie finden sich im BWV unter den Nummer 964 und 968. Hill seinerseits hat die d-moll-Partita bearbeitet und läßt sie, dem alten Brauch folgend, auf dem Cembalo aus g-moll gehen; ähnlich verfuhr er mit der g-moll-Sonate, die nun in c-moll steht. Außerdem gibt es noch einige interessante, aber nicht unbedingt gewichtige Sonaten des hochbarocken Meister Johann Adam Reincken, die J. S. Bach eigenhändig für Cembalo transkribierte.

    Robert Hill spielt diese Stücke teils auf dem Cembalo, teils auf dem Lautenklavier oder auf dem Clavichord, je nach Charakter der Komposition. Für die d-moll-Partita wählte er das Cembalo. Doch spielt er sie nicht einfach als Cembalist geradeaus. Möglich, daß der Umgang mit dem Lautenklavizimbel Hills Neigung, sich mit der Tradition des Lautenspiels auseinanderzusetzen, noch verstärkt hat. Er greift jedenfalls immer wieder die Manier der Lautenisten auf, beim Sortieren der Finger in ein geradezu romantisches tempo rubato zu verfallen, Akkorde zu brechen, Töne, die gleichzeitig klingen sollen, nacheinander anzuschlagen. Damit kommt Hill gewiß auch der Spielweise auf der Violine näher, und die Musik wird auf eine komplexe Art besser durchhörbar. Daneben erfährt man sehr sinnenfällig, daß schließlich sowohl das Cembalo als auch die Violine ihre gemeinsame Wurzel in der Laute und deren Musik haben. Hills neue Produktion ist, so besehen, besonders reich an Imagination. Die Courante aus der d-moll-Partita. ·

    Musikbeispiel: J. S. Bach (bearb. Robert Hill) - 2. Corrente aus: Partita g-moll nach BWV 1004

    Soweit die Courante aus der d-moll-Partita, auf dem Cembalo in g-moll gespielt. Vollends spannend wird es in einem Satz wie der Chaconne aus dem gleichen Opus. Da erwacht nämlich der Pianist in Robert Hill, und es grüßen von fern die Herren Brahms und Busoni, die dieses Stück ja ebenfalls arrangierten, wenn auch für den modernen Konzertflügel. Hoch anzurechnen ist Hill indes, daß er nicht der Versuchung erliegt, als Cembalist mit flinken Fingern die Geiger das Fürchten zu lehren. Er nimmt den jeweiligen rhythmischen Gestus ernst und entgeht gleichzeitig der Gefahr, den von ihm angereicherten Klang etwa dickflüssig erscheinen zu lassen. Alles in allem gewinnt man das Eindruck, hier eine Luxusausgabe Bachscher Partiten vor sich zu haben, quasi mit Goldschnitt und Ledereinband. ·

    Musikbeispiel: J. S. Bach (bearb. Robert Hill) - 5. Ciaccona aus: Partita g-moll nach BWV 1004

    Soweit Robert Hill mit seinen Bearbeitungen Bach'scher Werke für Solovioline. Erschienen sind sie ebenfalls in der Bach-Edition des Hänssler-Verlags.