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Bachelor auf dem Prüfstand

In Köln lauft eine der größten Jobmessen Deutschlands, der sogenannte Absolventenkongress. "Campus & Karriere" ist auf der Messe unterwegs, um die Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses bei Unternehmen zu prüfen.

Von Kate Maleike und Michael Böddeker | 26.11.2009
    Jörg Biesler: Damit Arbeitgeber und Hochschulabsolventen einander näherkommen können, gibt es Jobmessen. Dort stellen große Unternehmen aus - und sind ohne Voranmeldung für Jungakademiker zu sprechen. In Köln läuft gerade eine der größten Jobmessen Deutschlands, der sogenannte Absolventenkongress. Gestern haben wir von dort gehört, wie die Absolventen eine solche Messe erleben und was bei Vertragsabschlüssen zu beachten ist.

    Heute sind Kate Maleike und Michael Böddeker auf der Messe unterwegs, um die Akzeptanz des Bachelors zu prüfen. Der soll ja berufsqualifizierend sein. Herr Böddeker, die Studierenden verlangen derzeit durchgreifende Änderungen im Bachelorstudium, sie leiden unter dem neuen Verfahren, sagen sie. Schätzen denn die Arbeitgeber und die Berufsanfänger den Bachelor?

    Michael Böddeker: Nun, Herr Biesler, sie versuchen zumindest, sich darauf einzustellen, dass bald sehr viele Studierende mit dem Bachelorabschluss auf sie zukommen. Wir haben uns hier auf der Messe mal umgehört und sowohl Aussteller als auch Besucher gefragt, und hier gibt es sehr viele Aussteller - wir vom Deutschlandradio sind übrigens einer davon - und mit 12.000 Besuchern rechnen die Veranstalter.

    Und wir wollten von einigen Bachelorstudierenden wissen, ob sie denn in den Unternehmen willkommen sind. Und wir haben zunächst mal festgestellt, so viele Bachelorstudierenden sind hier gar nicht unterwegs, und wenn doch, dann planen sie zumindest noch, ihren Master zu machen. Einige waren dann doch bereit, sich zu äußern zu ihren Erfahrungen, und haben uns erzählt, wie denn die neuen Bachelorabschlüsse bei den Firmen hier ankommen.

    "Unterschiedlich. Also andere sagen, es gibt keinen Unterschied, ob Bachelor oder Master, und andere sagen, lieber Master bevorzugen, andere sagen, wir nehmen auch Bachelor und bilden selber die Master aus."

    "Allgemein ist es so, dass die Unternehmen doch noch sehr stark nach den 'Diplomern' gieren und dass es sich so langsam erst durchsetzt, dass ja jetzt mit dem Bachelor auch ganz andere Studienarbeiten vonnöten sind - und die Unternehmen diese dann auch anbieten."

    Böddeker: Also Angebote vonseiten der Unternehmen gibt es also, aber nicht unbedingt für den direkten Einstieg in den Beruf. Es gibt noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel Traineeprogramme, die dann ein bis zwei Jahre dauern; oder was manche Unternehmen auch anbieten, ist eine Kombination aus Ausbildung und einem berufsbegleitenden Masterstudium.

    Die ausstellenden Unternehmen hier auf dem Absolventenkongress haben wir natürlich auch noch nach ihren Erfahrungen mit dem Bachelorabschluss gefragt. Hier gibt es ungefähr 250 Aussteller, darunter auch viele große Firmen, Namen, die man kennt, Banken, Finanzprüfer, Pharmaunternehmen. Und wir haben festgestellt, dass von Arbeitgeberseite der Bachelor nicht unbedingt willkommen ist, zumindest gibt es nicht ausschließlich Begeisterung über die neuen Abschlüsse, sondern auch viel Skepsis.

    "Also im Moment haben wir noch relativ wenig Erfahrungen mit Bachelorabsolventen, weil zwar einige schon eingestellt sind, aber noch nicht seit langer Zeit. Von daher empfehle ich jedem im Moment noch, den Master draufzusetzen."

    "Wir versuchen, intern die Strukturen so umzubauen, dass sie auch für Bachelor Einsatzmöglichkeiten haben. Das wird in vielen Fällen nicht möglich sein."

    "Ich denke mal, generell ist die Industrie wohl noch nicht so weit, jetzt spezielle Stellen für Bachelorkandidaten aufzusetzen."

    "Aber wir versuchen das darüber zu kompensieren, dass wir interne Schulungsprogramme aufsetzen, um das, was die Hochschulen nicht den Bachelorabsolventen beigebracht haben, dass wir das nachschulen."

    "Wir suchen natürlich Leute, die auch Praxiserfahrung schon mitbringen, und das scheint mir schwierig zu sein, im Bachelorstudium das unterzubringen. Also zu verschult, zu wenig Praxiserfahrung und vielleicht auch so ein bisschen zu wenig neigungsmäßige Möglichkeiten für die Studenten."

    Kate Maleike: Soweit also die Stimmen von den Unternehmern hier auf dem Absolventenkongress. Danke schön, Michael Böddeker! Ja, den weiteren beruflichen Weg der sogenannten Turboabsolventen, den hat auch Joachim Mohr täglich im Blick. Er ist bei der Bundesagentur für Arbeit in Bonn Berater für akademische Berufe und, ja, die Bundesagentur ist auch hier auf dem Absolventenkongress. Er hat auch schon mächtig Besuch gehabt heute Vormittag.

    Herr Mohr, es hat viele Studien und Befragungen zur Akzeptanz des Bachelors in Deutschland gegeben. Wie beurteilen Sie denn aus Ihrer Beratungsfunktion heraus die aktuelle Situation? Wie willkommen ist der Bachelor auf dem deutschen Arbeitsmarkt?

    Joachim Mohr: Also wir stellen in der Beratung fest, dass man den Bachelor unterscheiden muss, einmal als Absolvent einer Fachhochschule - da sehen wir eigentlich momentan keine großen Probleme, abgesehen von der wirtschaftlichen Situation. Und der Bachelor von klassischen Universitäten, der ist noch sozusagen optimierungsbedürftig.

    Maleike: Sind das Berührungsängste? Ist das mangelnde Kommunikation? Oder was ist es?

    Mohr: Also wir vermuten, dass die Studienreform etwas zu schnell durchgegangen ist, dass man die Unternehmen nicht mitgenommen hat. Man hat gesagt, ihr werdet in Zukunft von wissenschaftlichen Hochschulen Absolventen bekommen, die jünger sind, was die Unternehmen immer haben wollten, aber das gleiche fachliche Wissen mitbringen.

    Und wir stellen in der Beratung fest, dass dieses Wissen in den drei Jahren in der Regel nicht vermittelt wurde - und dass das den Unternehmen auch noch fehlt. Und deshalb haben viele Unternehmen, was wir auch eben im Vorbeitrag schon gehört haben, sich entschieden, noch Traineeausbildungen anzubieten, um das, was ein Unternehmen eigentlich noch an persönlicher Kompetenz braucht, dann betriebsintern zu vermitteln.

    Maleike: Hat es auch damit zu tun, dass das einfach preiswerter ist?

    Mohr: Das vermuten wir auch, ja. Also das ist ja auch so eine Aufgabe, die die Arbeitgeber mit den Gewerkschaften jetzt aushandeln müssen: Wo tarifiere ich eigentlich den neuen Bachelorabsolventen ein? Wie gesagt, bei den Fachhochschulen ist das kein Problem, man kann auf alte Tarifstrukturen zurückgreifen. Aber wenn ich mir vorstelle, einen Romanisten oder eine Romanistin mit Bachelor, das wird sehr schwer, sie einzugruppieren. Wir wollen sie ja nicht zur Fremdsprachensekretärin degradieren.

    Maleike: Wir haben ja vorhin schon gehört, es sind gar nicht so viele fertige Bachelor, wenn man das mal so sagen kann, hier gerade auf dem Kongress. Wer war heute bei Ihnen, was wollten die Absolventen und die Besucher wissen?

    Mohr: Also ich hatte, wie eigentlich jedes Jahr auf diesem Kongress, sehr viele Ingenieure da, die eigentlich auf einen exzellenten Arbeitsmarkt treffen würden, wenn wir nicht gerade so etwas hätten wie die Weltwirtschaftskrise. Und so war unsere Funktion jetzt, die Damen und Herren ein wenig zu beruhigen und ihnen Hoffnungen zu machen, dass sie noch ein halbes Jahr warten müssen und dann wieder auf einen doch vermutlich sehr guten Arbeitsmarkt für Ingenieure und Naturwissenschaftler treffen werden. Überwiegend ist aber noch der Teil der klassischen Hochschulabsolventen zu uns an den Stand gekommen, also Diplomabsolventen oder Diplomabsolventen von Fachhochschulen.

    Maleike: Jetzt ist natürlich auch die Frage, wie kann die Bundesagentur sonst noch agieren? Also Sie haben ja sonst auch noch Möglichkeiten, zum Beispiel über Seminare oder so, schlichtweg Informationen zu geben. Wie informieren Sie als Bundesagentur weiter?

    Mohr: Also wir haben uns deutschlandweit aufgestellt in 45 großen Hochschulstandorten mit sogenannten Teams, akademische Berufe oder Hochschulteams, indem wir genau für diese Zielgruppe passgenaue Fortbildungen anbieten. Das heißt einmal Assessment-Center-Trainings, Bewerbungstrainings, aber auch die Frage: Lohnt es sich für mich, als Bachelorabsolvent noch ein Masterprogramm zu absolvieren, und wenn ja, wo, und wie finanziere ich die Kosten?

    Maleike: Vorhin ist schon mal das schlimme Wort des Masters gefallen, lassen Sie uns darüber auch kurz sprechen, Herr Mohr. Der Master ist das, ja, das Maß aller Dinge?

    Mohr: Im Moment würde ich sagen: ja, vor allen Dingen aufgrund der Wirtschaftssituation. Viele Absolventen kennen die Chance zu versuchen, diese Nichtmöglichkeit, direkt in den Arbeitsmarkt einzutreten, dann in einer Weiterqualifikation. Sie sind relativ offen, auch fachlich flexibel, räumlich flexibel, um noch ein Masterprogramm zu machen. Es scheitert leider manchmal an der Finanzierbarkeit, weil viele Hochschulen doch sehr hohe Preise für die Masterprogramme nehmen.

    Maleike: Letztes Wort noch zu den Branchen: Gibt es eigentlich irgendeine Branche, wo Sie sagen würden, aus Ihrer Tätigkeit heraus, da ist der Master schon richtig gut angekommen, da wird er gut angenommen?

    Mohr: Ja, also im klassischen wissenschaftlichen Bereich ist das also ganz, ganz wichtig. Also diejenigen, die Masterprogramme gemacht haben, haben auch relativ gute Chancen, vor allen Dingen auch international, weil der Master in der Regel eine hohe Sprachkompetenz bedeutet - und alle wirklich sehr gut englisch können, jedenfalls die, die bei uns schon mal in der Beratung waren.

    Wo wir auch Möglichkeiten sehen, ist im Bereich der Forschung - da wird der Master ja auch weiterhin angewandt. Und was auch eine große Chance ist, also den klassischen MBA, den Wirtschaftsmaster, dann vielleicht auch noch ein bisschen besser zu verkaufen.

    Maleike: Das Internet gehört auch immer dazu. Wo findet man Informationen, wenn man sich bei der Bundesagentur für Arbeit über Karrierechancen informieren will?

    Mohr: Ja, wir haben also extra, nicht für diese Messe, das wäre ein bisschen überzogen, aber für große Messen unsere Internetseite optimiert: www.arbeitsagentur.de, und dort haben wir eine sehr griffige Seite eingestellt, die heißt "Karriere machen". Und ich kann jedem Hochschulabsolventen oder angehenden Absolventen nur empfehlen, auf diese Seite zu gehen. Er wird begeistert sein über das Angebot, das die Bundesagentur dort macht.

    Maleike: Danke schön für den Hinweis, Joachim Mohr - und danke schön auch für das Interview. Joachim Mohr ist Berater für akademische Berufe bei der Bundesagentur für Arbeit, eben in Bonn. Und damit geben wir zurück vom Absolventenkongress in den Kölner Messehallen zurück ins Studio zu Jörg Biesler.

    Biesler: Kate Maleike und Michael Böddeker haben vom Absolventenkongress in der Messe Köln berichtet.