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Bachelor und Berufseinstieg

Statt Diplom oder Magister haben nun immer mehr Universitätsabsolventen einen Bachelor und Master vorzuweisen, wenn sie sich um ihren ersten Job bewerben. Haben die Berufsanfänger mit den neuen Abschlüssen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? - Darüber diskutierten Hochschulen und Unternehmen auf einer Fachkonferenz an der Freien Universität Berlin.

Von André Hatting | 17.07.2008
    Im Norden sind die Hochschulen besonders fleißig. Nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz bietet kein anderes Flächenland so viel Bachelor- und Masterstudiengänge an wie Niedersachsen; insgesamt sind es 890. Die rasche Einführung der neuen Studiengänge könnte zum Standortvorteil für den Norden werden. Josef Lange, Staatssekretär im niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur:

    "Die Zahl der Studienanfänger an den niedersächsischen Hochschulen ist im vergangenen Jahr um neun Prozent gestiegen, und das ungeachtet der Einführung von Studienbeiträgen, 500 Euro pro Semester. Diese haben sich offensichtlich nicht negativ ausgewirkt. Offensichtlich hat die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstruktur und die Qualitätsverbesserung durch Verbesserung der Betreuungsrelation über die zusätzlichen Mittel aus Studienbeiträgen dazu geführt, dass die niedersächsischen Hochschulen für Studienanfänger attraktiv sind."
    Attraktiv ist die Umstrukturierung der deutschen Hochschullandschaft auch für die Wirtschaft. Vor allem die Bachelor-Studiengänge bieten Vorteile. Aber nicht so sehr, weil es die Auswahl von Bewerbern erleichtere, sagt Wolfgang Brickwedde, Verantwortlicher für die Suche und Einstellung von neuen Mitarbeitern beim Softwareunternehmen SAP. Auch seien Bachelor- oder Masterabschlüsse nicht automatisch besser als Diplom oder Magister.
    Der Vorteil liegt woanders. Das ist eigentlich eher, dass die zügiger fertig werden, wenn sie einen Bachelor gemacht haben und international vergleichbarer sind. Und dass die Studenten auch ins Ausland dann gehen können. Wenn man mit einem Vordiplom ins Ausland geht, dann fragen die erstmal, was ist das denn? Wenn man mit einem Bachelor ins Ausland geht, dann ist der Übergang einfacher.

    Brickwedde ist auch Vorstandssprecher des Arbeitskreises Personalmarketing. Dieser Zusammenschluss von 40 Unternehmen verfolgt unter anderem das Ziel, den Hochschulen genaue Vorstellungen über die Anforderungen der Praxis zu bieten. Dazu bewertet der Arbeitskreis seit 2006 Bachelor-Studiengänge in Deutschland:

    "Überraschend dabei ist, dass viele kleine Fachhochschulen oder Universitäten, an die man zunächst gar nicht so gedacht hat, aufgrund ihre Profils, dass sie sich selber Gedanken gemacht haben und ihre Anstrengungen in früher Phase durchaus gezeigt haben, dass die relativ weit oben sind. Im Gegensatz zu den arrivierten, die denken vielleicht, das lassen wir erst einmal auf uns zukommen."

    Nicht jede Uni setzt die im Bologna-Prozess geforderten Veränderungen auf die gleiche Weise um. Bachelor ist nicht gleich Bachelor. Die Leuphana Universität Lüneburg ist ein Beispiel für eine komplette Neustrukturierung. Sabine Remdisch ist Vizepräsidentin für den Bereich lebenslanges Lernen an der Leuphana Universität.

    "Am Anfang ist ja bei der Umsetzung der Bachelor und Masterstruktur zu beobachten gewesen, dass man doch sehr stark an den alten Diplomstudiengängen hängt und irgendwie mehr oder weniger dieselben Inhalte in eine neue Verpackung rein gibt. Man muss jetzt gucken, wie man richtig Bologna umsetzt. Da ist ja Lüneburg mit dem allgemeinen Bachelor, dem Leuphana-Bachelor, auf den dann die Masterstudiengänge aufsetzen, in die konsequente Umsetzung gegangen. Das muss sich jetzt erstmal beweisen. Aber die Bewerberzahlen sind sehr positiv."

    Für die Unternehmen ist es aber nicht entscheidend, ob sich jemand mit einem Diplom oder Masterabschluss bewirbt. Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages unter gut 2000 Unternehmen zeigt: Teamfähigkeit bleibt die wichtigste Kompetenz, die Hochschulabsolventen beim Berufseinsteig mitbringen sollten. Erst an fünfter Stelle kommt das Fachwissen.

    Von den Masterstudiengängen erhoffen sich die deutschen Firmen eine stärkere Anwendungsorientierung. Genau da aber hapert es offenbar noch. Denn diejenigen Unternehmer, deren Erwartungen sich nicht erfüllt hatten, gaben als Hauptgrund die mangelnde Umsetzung von Fachwissen an.