Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Back to Black

Dass die Farbe Schwarz seit der klassischen Moderne der abstrakten Malerei vorbehalten sein soll, damit wollte man sich in der kestnergesellschaft Hannover nicht ohne weiteres zufrieden geben. Was in dieser Ausstellung jedoch an gegenständlichen Gemälden zu sehen ist, unterstreicht nur, dass die Unterscheidung von "abstrakt" und "figürlich" in der Malerei inzwischen oft obsolet geworden ist.

Von Carsten Probst | 14.06.2008
    Die hier ausgestellten Künstler lassen sich jedenfalls nicht über einen Kamm scheren, auch wenn das Interesse für die Farbe Schwarz in ihren Gemälden etwas Verbindendes sein könnte. Aber die Arbeitsthese dieser Ausstellung ist nun einmal, dass Schwarz nie einfach nur Schwarz ist und daher jede der insgesamt 21 Positionen dieser Farbe auch jeweils eine andere Bedeutung geben. Das vermeintlich Verbindende erweist sich als Trugschluss.

    Aber warum überhaupt Schwarz? Veit Görner, Direktor der kestnergesellschaft, verweist darauf, dass diese Farbe für viele Maler seit der klassischen Moderne, vor allem seit Malewitschs "Schwarzem Quadrat", eine besondere Herausforderung gewesen sei. Mit Schwarz zu malen, das bedeutet, schon allerlei technische Schwierigkeiten auf sich zu nehmen. Man kann kaum Kontraste bilden, Lichteinfall glänzt auf der Oberfläche und wird dadurch optisch zu Weiss. Bei einem Teil der hier ausgestellten Künstlerinnen und Künstler scheint das Schwarz mit einer symbolistischen Faszination behaftet zu sein, wenn sich schemenhaft Figuren oder Landschaften aus den wolkigen Untergründen herausbilden.

    Bei Philippe Haager oder Janis Avotins fühlt man sich an die alte Rembrandtsche Schule des Helldunkel erinnert. Die Deutsch-Kanadierin Pat Rosenmeier bezieht sich sogar in einigen ihrer Bildtitel direkt darauf. Offenbar vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung als Pilotin wählt sie ausschnitthafte Draufsichten von weit oben auf Landschaften, die wie dramatisch-abstrakte Muster aus einer opaken irdischen Finsternis auftauchen. Natürlich gibt es auch einige Epigonen einer geometrischen Abstraktion zu sehen oder auch solche wie Florian Süssmayr, die sich in der Manier Gerhard Richters an fotografischen Vorlagen schadlos halten, die unscharf verfremdet das Schwarz als eine Art Gedächtnisflimmern einbringen.

    Am interessantesten erscheinen solche Arbeiten, die ihre Schwarzeffekte mit ungewöhnlichen Mitteln erzielen. Der 1974 geborene Gregor Hildebrand zum Beispiel klebt in mühevoller Handarbeit Tonbänder auf die Leinwände, die dadurch eine künstlich schimmernde, fast hölzerne Anmutung erhalten und als Malerei ganz ohne Ölfarbe und Pinsel auskommen. Der Thailänder Udomsak Krisanamis produziert dagegen kollageartige Bilder, die zum einen abstrakt wirken, aber assoziativ gelesen werden können wie Schaltkreise, Stadtpläne, Organigramme, logistische Strukturen aller Art. Krisanamis scheint auch einer der wenigen Künstler zu sein, bei denen die Farbe Schwarz eher beiläufig verwendet wird, ohne betonte Bedeutungsaufladung. Schon gut bekannt dagegen sind die Affinitäten eines Jonathan Messe zu allem Schwarzen schlechthin und auch die Arbeiten der israelischen Malerin Yehudith Sasportas mit ihren scherenschnittartigen Landschaftsbildern, in denen sie die Natur der deutschen Romantik mit einem kabbalistischen Symbolismus kreuzt und dadurch die Landschaft zu abstrakten Mustern gerinnen lässt.

    Alles in allem erscheint der Umgang mit dem Schwarz in dieser Ausstellung oft eher technisch abgehandelt zu werden und lässt einen ansonsten etwas ratlos zurück. Über die schiere Vielfalt der Schwarz-Anwendungen lässt sich natürlich staunen. Aber eine Horizonterweiterung ist dadurch nicht notwendigerweise gegeben. Merkwürdigerweise empfindet man gerade diese mögliche Vielfalt immer weniger als den springenden Punkt, je länger man durch die Ausstellung wandert. Am Ende wünscht man sich doch eine größere Strenge, ähnlich wie es seinerzeit die Ausstellung "Black Paintings" im Münchner Haus der Kunst mit Klassiker wie Ad Reinhard, Frank Stella oder Mark Rothko vorgeführt hat - die übrigens die Ausstellung in der kestnergesellschaft auch mit inspiriert haben soll. Doch in Hannover wirkt das Konzept eher zufällig als durchdacht.