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Bad mit Aussicht

In der jordanischen Stadt Petra sind Überreste eines Badehauses entdeckt worden. Das Sensationelle daran: Die Wellness-Anlage liegt auf dem höchsten Berg. Nach Ansicht des Archäologen Stephan Schmid handelt es sich dabei um eine "Machtdemonstration" des Besitzers der Anlage.

Der Archäologe Stephan Schmid im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: In der alten Felsenstadt Petra in Jordanien ist ein Palast mit den Überresten eines Badehauses entdeckt worden. Das Sensationelle daran: Er liegt auf dem höchsten Berg der Stadt und war vielleicht so etwas wie eine Wellness-Anlage mit Ausblick. Seit 2010 wird die Anlage ausgegraben, das Projekt wird finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), und beteiligt ist Stephan Schmid, Professor für klassische Archäologie am Winckelmann-Institut der Humboldt-Universität in Berlin. Herr Schmid, wenn man diese märchenhaft in den Fels gehauene Stadt Petra mit den umwerfenden Farbenspielen vor sich sieht, dann klingt es wie eine zusätzliche Erzählung aus 1001 Nacht, sich vorzustellen, dass dort vor 2000 Jahren Menschen im Sonnenuntergang in der Wanne lagen. Was hat es auf sich mit diesem Badehaus auf dem Berg?

    Stephan Schmid: Ja, eine gute Frage. Das Badehaus als solches war jetzt nicht besonders außergewöhnlich und luxuriös. Das war eine Art der verfeinerten Lebensart, aus dem Römischen Reich kommend, die zu der Zeit – wir sprechen von der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus – auch im Nahen Osten weit verbreitet gewesen ist. Das Besondere ist eben der Umstand, dass diese Anlage auf dem höchsten Berg der Gegend gebaut wurde, und das heißt, mit einem sehr großen Aufwand – nicht so sehr für die Herstellung, sondern für den Betrieb. Diese Anlagen funktionieren mit Wasser, das es auf Bergen in der Regel nicht gibt, und sie haben Boden- und Wandheizung. Das heißt, sie funktionieren mit verfeuerbaren Elementen, die man braucht, um diese Anlagen zu beheizen, und auch das musste man immer, jedes Mal, wenn man dort baden, oder auch nur in der Wärme sitzen wollte, von ganz unten nach ganz oben auf den Berg transportieren. Also es ist eine Art ganz eindeutiger Luxus- und Machtdemonstration vom Besitzer dieser Anlage.

    Fischer: Petra gibt, weil schriftliche Zeugnisse weitgehend fehlen, den Archäologen und Forschern immer noch erhebliche Rätsel auf. Fest steht aber, dass das Volk der Nabatäer, ehemalige Nomaden, dort an einem Knotenpunkt wichtiger Handelswege siedelten, woraus sich auch ihr Wohlstand erklärt, und dass sie intelligente Ingenieure hatten, was man beispielsweise eben an der von Ihnen erwähnten Wasserversorgung durch offene Aquädukte in der Stadt auch ablesen kann. Mit diesem Palast oder Badehaus wird das jetzt sozusagen auf die Spitze getrieben, oder?

    Schmid: Im wahrsten Sinn des Wortes. Im Moment können wir dort oben nachweisen das Sammeln von Wasser und die Wasserversorgung mit Hilfe von Zisternen, die in den anstehenden Felsen gehauen worden sind. Es gibt die Hypothese, die lässt sich aber noch nicht schlüssig beweisen, dass sogar Frischwasser nach oben geleitet wurde mithilfe einer Druckwasserleitung, wie man das von anderen Metropolen der hellenistischen und römischen Mittelmeerwelt, beispielsweise aus Pergamon her, gut kennt. Und so gesehen kann man sagen, dass sie das im wahrsten Sinne des Wortes auf die Spitze getrieben haben. Das gilt zu einem gewissen Teil auch für Petra als Stadt, welche an einem an und für sich ungünstigen Ort gebaut wurde. Ein heutiger Stadtplaner würde die Stadt nicht dort, wo sie eben gestanden hat, erbaut wurde, in der Mitte von einem Talkessel umgeben, von Bergen, die die Aussicht nehmen, anlegen, der würde sie weiter oben am Hang bei den Frischwasser führenden Schichten, bei den Quellen anlegen. Die Nabatäer haben das ganz offenbar ganz bewusst so als eine Art Schaukasten in Szene gesetzt.

    Fischer: Petra zieht heute Millionen von Touristen an. Es gibt rund 800 historische Orte in und um die Stadt, die neben den Nabatäern dann auch noch von griechischen und römischen Einflüssen erzählt. Was für eine Bedeutung im Gesamtzusammenhang dieser Stadt hat der jetzt ausgegrabene Palast?

    Schmid: Das ist schon eine gelungene Neuentdeckung, könnte man mal sagen. Wir haben nicht daran gedacht, so etwas zu finden. Dort oben hat sich überhaupt noch nie groß die Frage gestellt, was dort oben gestanden haben könnte in der nabatäischen Zeit. Man kennt seit Längerem eine eisenzeitliche Siedlung, einen Teil davon, der in den 1960er-Jahren von britischen Kolleginnen und Kollegen freigelegt wurde, aber aus nabatäischer Zeit fehlten bislang die Informationen weitestgehend. Besonders wichtig ist diese Anlage, weil sie sich typologisch sehr gut mit entsprechenden Höhenresidenzen westlich des Jordangrabens parallelisieren lässt. Wir sprechen von Anlagen, die Herodes der Große, der auch aus der Bibel weit herum bekannte König, in den Jahrzehnten 30 vor Christus bis zur Zeitenwende hat bauen lassen. Also da besteht ganz offenbar ...

    Fischer: Zum Beispiel Masada.

    Schmid: Zum Beispiel Masada, richtig und andere mehr. Der hat sich ja nicht nur mit einem Palast begnügt. Da bestehen ganz offensichtliche Parallelen und das lässt darauf schließen, dass hier so eine Art Wettbewerb im Guten, ein Wettbewerb zwischen diesen beiden Völkern links und rechts des Jordangrabens, stattgefunden haben könnte.

    Fischer: Dank an Stephan Schmid von der Humboldt-Universität in Berlin für diese Auskunft über eine Ausgrabung in der antiken Felsenstadt Petra.