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Badeärzte gesucht!

Es klingt etwas altmodisch nach Sommerfrische und Badenanzügen für Männer: Badearzt. Tatsächlich werden sie immer weniger: In den nächsten Jahren geht die Hälfte aller Badeärzte in den Ruhestand. Trotz Seeluft und Meerblick fehlt der Nachwuchs.

Von Anna Postels |
    "Herr Fritsch ist heute das erste Mal hier, da machen wir das noch nicht so heiß, so 39, 40 Grad, das ist in Ordnung." - "Dieses Gefühl hier in der warmen Brühe ist herrlich!"

    Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern, ein staatlich anerkanntes Heilbad. Herr Fritsch liegt im heißen Moor - denn im Moorbad sollen seine rheumatischen Beschwerden gelindert werden.
    Um eine ambulante Kur machen zu können, muss ein Badearzt die Anwendungen – wie zum Beispiel ein Moorbad - verschreiben.

    Badearzt - diese etwas altmodische anmutende Bezeichnung meint einen Arzt, der eine Zusatzausbildung absolviert hat und an einem amtlich anerkannten Kurort tätig ist. In Orten mit einem Bad nennt sich das: Badearzt. Ansonsten: Kurarzt. In jedem Heilbad oder Seeheilbad müssen zwei Badeärzte ansässig sein – sonst verliert der Ort sein "staatlich anerkanntes" Prädikat.

    An der Ostsee liegt so ein Ort, der um seinen Status als staatlich anerkanntes Seeheilbad fürchtet: Graal-Müritz, 25 Kilometer nordöstlich von Rostock. Verzweifelt sucht hier Bernd Kuntze von der Kurverwaltung nach einem zweiten Badearzt, denn ein Badearzt wird mit 71 nun auch in den Ruhestand gehen.

    "Das Problem ist, das wir als Seeheilbad zwei Badeärzte vorhalten müssen, und wenn jetzt der zweite Badearzt in den Ruhestand geht, dann wird es problematisch für uns. Weil wir dann nur einen haben. Und es ist zur Zeit also keiner in Aussicht. Wir haben als Ort gesucht, wir haben auch in der Gemeindevertretung besprochen, welche Möglichkeiten es gibt, einen Anreiz zu schaffen. Das heißt, wir wollten durchaus auch ein lukratives Angebot machen, was Niederlassung betrifft. Aber es hat sich einfach keiner gefunden, der das machen will. Wir waren an Universitäten, haben da nachgefragt, wir haben inseriert, es ist keiner zu finden, der als Badearzt tätig sein will."

    Badeärzte sind meistens Allgemeinmediziner, die neben den normalen Patienten eben noch die Kurgäste behandeln. Ein Zubrot, denn allein von der Kurmedizin leben ist heute nicht mehr möglich.

    Um Badearzt zu werden, muss der Arzt eine Zusatzausbildung absolvieren, in "Physikalischer Therapie und Balneologie". 2003 wurden die Regeln zur Weiterbildung geändert, seitdem muss der Arzt neben 240 Seminar-Stunden ein Jahr in einer Klinik arbeiten – und das ist das Problem an der Sache. Denn währenddessen muss der angehende Badearzt seine Praxis schließen – für viele aus finanziellen Gründen unmöglich. Deswegen absolvieren immer weniger die Ausbildung zum Badearzt.

    Dr. Dirk Kühn ist Badearzt in Graal-Müritz und Vorsitzender der Badeärzte in Mecklenburg-Vorpommern. Er sieht es wie viele andere: Nur durch eine vereinfachte berufsbegleitende Weiterbildung kann das Problem gelöst werden:

    "Die Verbesserung wäre, dass wir zur alten Zusatzbezeichnung kommen, wo dieses Jahr Tätigkeit in einer Einrichtung wegfällt. Dass die Praxissammlung oder die Erfahrung dann letztendlich erworben wird durch eine einjährige Tätigkeit am Kurort, neben dieser theoretischen Ausbildung."

    Dirk Kühn ist einer von 32 zugelassenen Kur- und Badeärzten in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Durchschnittsalter: 55 Jahre. Sollten sich in den nächsten Jahren nicht genug junge Badeärzte finden, kann das auch wirtschaftliche Folgen haben, sagt Marianne Düsterhöft vom Bäderverband Mecklenburg-Vorpommern:

    "Also wenn der Ort seinen Status aufgrund der Tatsache, dass dort kein niedergelassener Badearzt mehr tätig ist, verlieren sollte, als Heilbad oder Seeheilbad, verliert der Ort natürlich auch die Möglichkeit, ambulante Kuren durchzuführen. Demzufolge wären die Ortsansässigen Physiotherapeuten, Hotels, Pensionen et cetera nicht mehr dementsprechend ausgelastet, und es wäre natürlich ein wirtschaftliches Manko für diesen Ort."

    Das Problem beschränkt sich nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern. Deutschlandweit wird von gut tausend Badeärzten in den nächsten fünf Jahren fast die Hälfte aus Altersgründen ihre Arbeit aufgeben. Im Gegensatz dazu absolvieren momentan 15 Ärzte in Deutschland die Ausbildung zum Bade- oder Kurarzt. Dirk Kühn aus Graal-Müritz ist auf jeden Fall glücklich in seinem Beruf als Badearzt:

    "Es macht Spaß, man hat in der Regel nur zufriedene Patienten, weil man tatsächlich viel ereicht. Wir versuchen immer, in aktive Maßnahmen hineinzugehen, damit der Patient nach drei Wochen tatsächlich sagen kann, ich merke, das ich beweglicher bin, ich merke, dass ich belastbarer bin und ich merke, dass ich wieder voll durchstarten kann."

    Die Entscheidung über die Änderung der Weiterbildung liegt bei den Ärztekammern der einzelnen Bundesländer. Niedersachsen und Bayern haben aus der Not heraus bereits ihre Weiterbildung geändert. Beim 114. Deutschen Ärztetag in Kiel Ende Mai soll über dieses Problem gesprochen werden.