Einerseits, Wasser, wo man nur hinschaut. Andererseits, wer ortsfremd in Glindow ankommt, findet nicht mal einen Hinweis zum großen Campingplatz und dem danebenliegenden Strandbad, beide direkt am Glindow See. Und diesem sauberen Strandbad würde ich sofort 4 Sterne vergeben, so gepflegt ist die dicht-grüne Rasenfläche. Keine sonnenverbrannte Liegewiese mit Zigaretten-Kippe.
Zufrieden jauchzet Groß und Klein …. der Blick aufs Wasser, Natur, Boote… Das Strandbad liegt (hier) inmitten von Datschen. Kleine Grundstücke mit Seezugang. Auf der Terrasse sieht man noch gedeckte späte Frühstückstische, in den Gärten prallvolle Obstbäume. Und an einem dieser Stege am Glindow-See fragen wir Einheimische oder Besucher nach ihrer Beziehung zu Wasser, Ort, und Landschaft …
"Wir sind eigentlich aus Berlin und haben Stadtflucht betrieben. Wir genießen die Ruhe hier, die abendliche Ruhe, wenn wir von der Arbeit kommen. Über eine Stunde Arbeitsweg hierher."
Ach so, da hinten wird malocht, Geld gemacht, und hier wird das alles an den Nagel gehängt?
"Ja, abends die erste Amtshandlung ist zum See gehen und Wasser gucken."
Und nehmen dafür auch ne Stunde Stau und Stress.
"Hier, mit der Bahn fahren wir, einmal in der Stunde. In einer halben Stunde ist man am Kurfürstendamm, das ist ja nicht weit weg."
"Und wenn wir uns in Berlin über die Arbeit geärgert haben, dann ist das schon weg. Wir kommen hier raus und sind richtig glücklich, wenn wir das hier sehen. Wir sind total zufrieden."
Zufrieden jauchzet Groß und Klein, hier bin ich Mensch, hier kann man’s sein, frei aus Goethes-Osterspaziergang. Der 29-jährige Weimarer Jung-Minister Goethe kommt auch nach Potsdam, bekommt aber nicht die Ehre, beim schon alters-tatterigen Alten Fritzen vorgelassen zu werden. Der hauste, wie Goethe notiert, hinter zerrissenen Vorhängen mit Affen, Papageien und Hunden, vereinsamt in seinem Schlösschen "Sorgenlos". Sanssouci ist nur eine gute halbe Fahrradstunde von Glindow entfernt. Rein geographisch könnte Goethe damals über Glindow… Richtung Potsdam, Berlin angereist sein. Warum Goethe im Blütenmonat Mai 1778 keine Eloge über die prachtvoll blühenden Obstbäume geschrieben haben mag … Fragezeichen? Zu Goethes Zeiten qualmen in Glindow schon die Schornsteine der 13 Ziegelei-Öfen und verräuchern die Gegend. Auf die Ziegelei-Vergangenheit kommen wir noch zurück.
Heute wie gesagt: Wasser und Obstbäume. Auch der Ort Glindow selbst liegt eingekesselt von Obstplantagen. Kirschen, Erdbeeren (in der 2. Ernte), Äpfel, Birnen, Pflaumen. Glindow ist ein Ortsteil der Blütenstadt Werder. Rosel Schiffmann hat alte Bilder aus Glindow und Werder dabei und dreht für uns die brandenburgischen Sanduhren 150 oder 200 Jahre zurück.
Schiffmann: "Ich habe hier verschiedene Bilder, wo die Mütterchen, die früh aufs Land gingen, die waren früh um vier schon auf ihrem Acker und haben da die leckersten Früchte angebaut. Auch Fontane schwärmte schon von den Ananas -Erdbeeren, die schmeckten ganz hervorragend. Und das wurde alles aufs Schiff verladen und … für die hungrigen Berliner."
Über 30 Kilometer, aber fast eine Tagesreise, bis das in Berlin auf den Markt dann ankommt.""
Schiffmann: "Ja, man musste ja flussaufwärts die Sache befördern. Also man konnte mit Segelkraft, wenn der Wind reichte oder man musste staken oder treideln, das heißt ziehen."
Der junge Fontane erinnert sich an die Werderschen und Glindower Marktfrauen, wenn er in Berlin auf dem Schulweg unterwegs war. Oft kommt dann grade die zweite Schicht, also die etwas später abgefahrenen Marktfrauen in Berlin-Mitte an. Fontane …
Fontane: "Jeden Morgen auf unserem Schulweg hatten wir ihren Stand zwischen Herkules- und Friedrichsbrücke zu passieren. Und dann sahen wir das zweite Treffen heranschwimmen. Große Schuten, dicht mit Tienen besetzt, während auf den Ruderbänken zwanzig Werderanerinnen saßen und ihre Ruder und die Köpfe mit den Kiepenhüten gleich energisch im Takt bewegen. Das war ein idealer Genuss, der Sieg über unsere Sinne. Pfirsiche in Weinblatt! Die Luft schwamm in einem erfrischenden Duft. Weithin standen die Himbeer-Tienen am Trottoire entlang. In Front aber, und zwar als besondere Prachtstücke, prangten unförmige, verspätete Riesenerdbeeren auf Schachteln- und Kistendeckeln. Und dazwischen lagen Korn-blumen und Mohn in ganzen Bündeln, auch Goldlack und Vergissmeinnicht. Alles primitiv und entzückend in seiner Heiterkeit."
Sehr authentisch geschildert. Das wird ja auch später Fontanes Markenzeichen in seinen "Wanderungen". Aber wir wollen in der heiteren Begeisterung des etwa 15-jährigen Fontane nicht die Maloche der Glindowerinnen vergessen. Früh auf die Felder, dann mit dem schnell verderblichen Obst über die Havel, weiter dem Templiner-See, an Potsdamm vorbei, Wannsee, weiter havel-aufwärts, dann in die Spree, bis zum Werderschen Markt, Nähe Friedrichstraße, Unter den Linden und dem Berliner Stadtschloss. Und am Nachmittag wieder zurück nach Glindow. Zusätzlich die eigene Kinderschar versorgen, Familie, Felder, Obstbäume. Den Männern wollen die Glindowerinnen den Obstmarkt in Berlin nicht überlassen. Die hätten sich dann anschließend mit dem Geld in Berlin die Hucke voll gesoffen und noch schlimmere Amüsements, wie es in anderen Quellen heißt. Etwas von der Ärmlichkeit der Glindower kann man –heute- im kleinen Heimat-museum sehen, ein niedriges Lehmhaus. Hier wohnte der Altbüdner mit dem Jungbüdner, mit Kindern. Also drei Generationen in drei winzigen Kammern und in einer fingerdick verrußten Küche, die keinen Herd kannte, es wurde auf dem Steinboden gekocht.
Und das Kapitel Obst wollen wir musikalisch abrunden. Die "Fercher-Oberkisten-bühne" spielt eine Ballade vom "Leben im Grünen".
Musik:
"Raus in Grüne
fahr’n Sie doch mal
in die Fercher Obstkistenbühne
schalten Sie mal ab,
warum sich so quälen?
Ruh’n Sie sich aus,
man muss doch nicht immer Geld zählen"
Der Ort Ferch mit seiner Obstkistenbühne liegt am Südende des benachbarten Schwielowsees. Und wir sind mittlerweile in einen Ruderkahn umgestiegen. Die besungene Philosophie vom Leben am Wasser… und unter Bäumen im Grünen, die uns ja auch die großen Maler Monet oder Max Liebermann festgehalten haben. Und wir wollen nun diesen Glindow-See etwas ausmalen.
Hotzel: "Der Glindowsee ist ein Arm der Havel, er ist mit der Havel verbunden. Das ist entstanden seinerzeit, Ziegel nach Berlin zu fahren. Die Caputher Schiffer haben also diesen Durchstich veranlasst, seiner Zeit. Und was ganz besonders für diesen See ist, dass er seht tief ist. Tiefe steht für Qualität, wird mit sehr viel eigenen Quellen gespeist. Wir brauchen ja nur mal hier runtergucken, wir haben Sichttiefen stellenweise bis drei, vier, fünf Metern, so dass das wirklich eine Freude ist hierher zu fahren und hier zu baden. "
Und was mich auch immer fasziniert, Seerosen. Das Helle, ist das ein Reiher?
"Das ist ein Reiher, ja."
Bewegt sich nicht. Und wenn wir jetzt näher auf ihn zurudern würden, dann würde er mit seiner unbeschreiblichen Eleganz, mit diesen weiten Schwingen würde er so tun, als wolle er sowieso da nicht weiter warten und würde sich da hinten in den Baum setzen. Das ist ein Blesshuhn?
Holzel: "Würde mal sagen, vier oder fünf Wochen alt sind die Kleinen schon. Grade zu sieht man unsere Liebesinsel. Wenn Sie hier schauen, eben. Warum sie Liebesinsel heißt, die Gedanken muss sich jeder alleine machen."
Andere Stimme: ""Da diese Insel mit zehn bis 12 Meter breiten Rohrgürtel umgeben war, war man da relativ ungestört. Und alles weitere kann man sich denken."
Und dann lassen wir uns bei der kleinen Kahnpartie wieder absetzen, nicht auf die Liebesinsel, sondern gegenüber. Hier steht der letzte noch erhaltene Glindower Ziegelei-Ofen. Heute ein Museum. Der Ofen wird aber von Zeit zu Zeit noch angeworfen, wenn man original Glindower Back-Steine brennt, wenn es um authentische Renovierung an denkmalgeschützten Gebäuden in Potsdam und Berlin geht. Und damit sind wir in der Glindower Ziegelgeschichte. Sie beginnt indirekt mit, Friedrich Barbarossa. Und wir lesen, zusammengefasst:
Zitat: "Friedrich I. bringt von seinen Feldzügen in Oberitalien, wo er u. a. Mailand in Schutt und Asche legt, das nördlich der Alpen unbekannte Rezept der Ziegel-brennerei mit. Und er bringt auch gleichzeitig italienische Spezialisten mit. Sehr grob gerechnet kolonisiert und erobert in gleicher Zeit Albrecht der Bär die Nordmark, das Land der Slawen, das Havelland. Dazu holt man auch die Zisterzienser ins Land. Die Mönche errichten das Kloster Lehnin, etwas 15 Kilometer von Glindow entfernt."
Und diese Zisterzienser Mönche finden, nicht uneigennützig, dann die besonders geeignete Tonerde hier bei Glindow. Und sie zeigen den ärmlichen Fischern, was man aus diesem Ton machen kann. Auch das Kloster Lehnin ist dann, in seiner späteren Ausführung, mit dem sprichwörtlichen Back-Stein errichtet worden.
Wir lesen zu Glindow weiter:
Zitat: "Überall entstanden Ziegeleien, die aber im Besitz von nur vier Familien waren. Und die Millionen von Steinen, die jahraus, jahrein am Ufer des Sees gebrannt wurden, erforderten bald eine Kahnflotte von mehr als 60 Schiffen. "
Und die soziale Entwicklung des Ziegelbooms bezüglich Berlins recherchiert dann auch Fontane. Und speziell sein kritisches Kapitel über Glindow wird in der Literaturwissenschaft besonders hervorgehoben. Der Fontanespezialist Dr. Gotthard Erler ….
Erler: "Fontane hat gerne ein Wort zitiert, das da heißt, man sieht nur, was man weiß. Und Glindow, da gibt es 1870 diesen wunderbaren Aufsatz. Ich halte den Glindow-Aufsatz für eines der bedeutendsten Kapitel in den Wanderungen. Da, da die ganze Spannweite der Kulturhistorie, nämlich der Ziegelbrennerei für das wachsende Berlin-, der enorme entstandene und gewachsene Reichtum bei den Ziegel-Lords, auf der einen Seite, …… und das Elend der Tagelöhner, auf der anderen Seite, zum Vorschein kommt. Und man muss bedenken, das ist 1870 in der Vossischen Zeitung, dass dieser sozialkritische Aufsatz dort veröffentlicht wurde. Und wenig später dann auch in den 3. Band der Wanderungen aufgenommen wird."
… diese Ziegelbarone, die also steinreich geworden sind….
Erler: "Nah, die Herrn hatten natürlich soviel Geld, dass sie nicht nur in Berlin ihre Villen gehabt haben. Einige waren auch noch am Ort des Geschehens in Glindow selbst. Und da beschreibt er diese wunderbaren Parkanlagen, die sie sich angelegt haben. Im Kontrast zu den Lehmkaten der Tagelöhner. Das, was wir heute als die Schere zwischen Reich und Arm bezeichnen, ist in diesem Glindow-Aufsatz vor 140 Jahren geschrieben worden."
Hier, in dieser –heute- so idyllischen Wasserlandschaft hat damals sprichwörtlich "der Schornstein geraucht", real "gerußt". Und Fontane schildert detailliert die 70-Stundenwoche der rund 500 Fremdarbeiter, die aus dem Lipperland angeworben waren und für jeweils ein dreiviertel Jahr im Akkord geschuftet haben. Und er beschreibt auch das Leben der noch erbärmlicheren Tagelöhner aus Glindow. Das große Geld machen die Ziegelbarone und die Besitzer der Schiffs-flotten, die sich ihre Pfründe auch damit absichern, dass sie diskret einem liebestollen Kronprinzen oder preußischem König einen lieblichen Pavillon für romantische Seitensprünge kostenlos in diese Landschaft bauen. Eine Hand wäscht die andere. Und in die vom Backsteinstapeln zerschundenen Hände der Tagelöhner kommen nur ein paar Pfennige an. Und da möchte man abschließend dem Fontane fast eine Girlande aus rotem Klatschmohn und "Vergissmalnicht" winden, für seine Wanderungen …. und abschließend fragen, ist Fontane nicht der Vorgänger oder Vorwanderer des "Sonntagsspaziergangs"?
Erler: "Fontane hat mit Recht immer wieder darauf hingewiesen, er habe keinen Baedeker geschrieben, keinen Reiseführer. Er gehe nicht ganz systematisch vor, sondern wie ein Ährenleser und ein Blumensammler durchs Feld. Da mal eine schöne Blume, da mal eine Ähre, da mal ein Grenzstein. Das findet er, und das beschreibt er."
Und was Fontane vor 140 Jahren am benachbarten Schwielowsee beschrieben hat, …..werde ich nun am Glindowsee auch probieren, Kaffee und Pflaumenkuchen verbringen. Und Fontane hat dann eine Segelpartie unternommen. Ich werde mit Badehose den Glindowsee am Strandbad ausprobieren.
Zufrieden jauchzet Groß und Klein …. der Blick aufs Wasser, Natur, Boote… Das Strandbad liegt (hier) inmitten von Datschen. Kleine Grundstücke mit Seezugang. Auf der Terrasse sieht man noch gedeckte späte Frühstückstische, in den Gärten prallvolle Obstbäume. Und an einem dieser Stege am Glindow-See fragen wir Einheimische oder Besucher nach ihrer Beziehung zu Wasser, Ort, und Landschaft …
"Wir sind eigentlich aus Berlin und haben Stadtflucht betrieben. Wir genießen die Ruhe hier, die abendliche Ruhe, wenn wir von der Arbeit kommen. Über eine Stunde Arbeitsweg hierher."
Ach so, da hinten wird malocht, Geld gemacht, und hier wird das alles an den Nagel gehängt?
"Ja, abends die erste Amtshandlung ist zum See gehen und Wasser gucken."
Und nehmen dafür auch ne Stunde Stau und Stress.
"Hier, mit der Bahn fahren wir, einmal in der Stunde. In einer halben Stunde ist man am Kurfürstendamm, das ist ja nicht weit weg."
"Und wenn wir uns in Berlin über die Arbeit geärgert haben, dann ist das schon weg. Wir kommen hier raus und sind richtig glücklich, wenn wir das hier sehen. Wir sind total zufrieden."
Zufrieden jauchzet Groß und Klein, hier bin ich Mensch, hier kann man’s sein, frei aus Goethes-Osterspaziergang. Der 29-jährige Weimarer Jung-Minister Goethe kommt auch nach Potsdam, bekommt aber nicht die Ehre, beim schon alters-tatterigen Alten Fritzen vorgelassen zu werden. Der hauste, wie Goethe notiert, hinter zerrissenen Vorhängen mit Affen, Papageien und Hunden, vereinsamt in seinem Schlösschen "Sorgenlos". Sanssouci ist nur eine gute halbe Fahrradstunde von Glindow entfernt. Rein geographisch könnte Goethe damals über Glindow… Richtung Potsdam, Berlin angereist sein. Warum Goethe im Blütenmonat Mai 1778 keine Eloge über die prachtvoll blühenden Obstbäume geschrieben haben mag … Fragezeichen? Zu Goethes Zeiten qualmen in Glindow schon die Schornsteine der 13 Ziegelei-Öfen und verräuchern die Gegend. Auf die Ziegelei-Vergangenheit kommen wir noch zurück.
Heute wie gesagt: Wasser und Obstbäume. Auch der Ort Glindow selbst liegt eingekesselt von Obstplantagen. Kirschen, Erdbeeren (in der 2. Ernte), Äpfel, Birnen, Pflaumen. Glindow ist ein Ortsteil der Blütenstadt Werder. Rosel Schiffmann hat alte Bilder aus Glindow und Werder dabei und dreht für uns die brandenburgischen Sanduhren 150 oder 200 Jahre zurück.
Schiffmann: "Ich habe hier verschiedene Bilder, wo die Mütterchen, die früh aufs Land gingen, die waren früh um vier schon auf ihrem Acker und haben da die leckersten Früchte angebaut. Auch Fontane schwärmte schon von den Ananas -Erdbeeren, die schmeckten ganz hervorragend. Und das wurde alles aufs Schiff verladen und … für die hungrigen Berliner."
Über 30 Kilometer, aber fast eine Tagesreise, bis das in Berlin auf den Markt dann ankommt.""
Schiffmann: "Ja, man musste ja flussaufwärts die Sache befördern. Also man konnte mit Segelkraft, wenn der Wind reichte oder man musste staken oder treideln, das heißt ziehen."
Der junge Fontane erinnert sich an die Werderschen und Glindower Marktfrauen, wenn er in Berlin auf dem Schulweg unterwegs war. Oft kommt dann grade die zweite Schicht, also die etwas später abgefahrenen Marktfrauen in Berlin-Mitte an. Fontane …
Fontane: "Jeden Morgen auf unserem Schulweg hatten wir ihren Stand zwischen Herkules- und Friedrichsbrücke zu passieren. Und dann sahen wir das zweite Treffen heranschwimmen. Große Schuten, dicht mit Tienen besetzt, während auf den Ruderbänken zwanzig Werderanerinnen saßen und ihre Ruder und die Köpfe mit den Kiepenhüten gleich energisch im Takt bewegen. Das war ein idealer Genuss, der Sieg über unsere Sinne. Pfirsiche in Weinblatt! Die Luft schwamm in einem erfrischenden Duft. Weithin standen die Himbeer-Tienen am Trottoire entlang. In Front aber, und zwar als besondere Prachtstücke, prangten unförmige, verspätete Riesenerdbeeren auf Schachteln- und Kistendeckeln. Und dazwischen lagen Korn-blumen und Mohn in ganzen Bündeln, auch Goldlack und Vergissmeinnicht. Alles primitiv und entzückend in seiner Heiterkeit."
Sehr authentisch geschildert. Das wird ja auch später Fontanes Markenzeichen in seinen "Wanderungen". Aber wir wollen in der heiteren Begeisterung des etwa 15-jährigen Fontane nicht die Maloche der Glindowerinnen vergessen. Früh auf die Felder, dann mit dem schnell verderblichen Obst über die Havel, weiter dem Templiner-See, an Potsdamm vorbei, Wannsee, weiter havel-aufwärts, dann in die Spree, bis zum Werderschen Markt, Nähe Friedrichstraße, Unter den Linden und dem Berliner Stadtschloss. Und am Nachmittag wieder zurück nach Glindow. Zusätzlich die eigene Kinderschar versorgen, Familie, Felder, Obstbäume. Den Männern wollen die Glindowerinnen den Obstmarkt in Berlin nicht überlassen. Die hätten sich dann anschließend mit dem Geld in Berlin die Hucke voll gesoffen und noch schlimmere Amüsements, wie es in anderen Quellen heißt. Etwas von der Ärmlichkeit der Glindower kann man –heute- im kleinen Heimat-museum sehen, ein niedriges Lehmhaus. Hier wohnte der Altbüdner mit dem Jungbüdner, mit Kindern. Also drei Generationen in drei winzigen Kammern und in einer fingerdick verrußten Küche, die keinen Herd kannte, es wurde auf dem Steinboden gekocht.
Und das Kapitel Obst wollen wir musikalisch abrunden. Die "Fercher-Oberkisten-bühne" spielt eine Ballade vom "Leben im Grünen".
Musik:
"Raus in Grüne
fahr’n Sie doch mal
in die Fercher Obstkistenbühne
schalten Sie mal ab,
warum sich so quälen?
Ruh’n Sie sich aus,
man muss doch nicht immer Geld zählen"
Der Ort Ferch mit seiner Obstkistenbühne liegt am Südende des benachbarten Schwielowsees. Und wir sind mittlerweile in einen Ruderkahn umgestiegen. Die besungene Philosophie vom Leben am Wasser… und unter Bäumen im Grünen, die uns ja auch die großen Maler Monet oder Max Liebermann festgehalten haben. Und wir wollen nun diesen Glindow-See etwas ausmalen.
Hotzel: "Der Glindowsee ist ein Arm der Havel, er ist mit der Havel verbunden. Das ist entstanden seinerzeit, Ziegel nach Berlin zu fahren. Die Caputher Schiffer haben also diesen Durchstich veranlasst, seiner Zeit. Und was ganz besonders für diesen See ist, dass er seht tief ist. Tiefe steht für Qualität, wird mit sehr viel eigenen Quellen gespeist. Wir brauchen ja nur mal hier runtergucken, wir haben Sichttiefen stellenweise bis drei, vier, fünf Metern, so dass das wirklich eine Freude ist hierher zu fahren und hier zu baden. "
Und was mich auch immer fasziniert, Seerosen. Das Helle, ist das ein Reiher?
"Das ist ein Reiher, ja."
Bewegt sich nicht. Und wenn wir jetzt näher auf ihn zurudern würden, dann würde er mit seiner unbeschreiblichen Eleganz, mit diesen weiten Schwingen würde er so tun, als wolle er sowieso da nicht weiter warten und würde sich da hinten in den Baum setzen. Das ist ein Blesshuhn?
Holzel: "Würde mal sagen, vier oder fünf Wochen alt sind die Kleinen schon. Grade zu sieht man unsere Liebesinsel. Wenn Sie hier schauen, eben. Warum sie Liebesinsel heißt, die Gedanken muss sich jeder alleine machen."
Andere Stimme: ""Da diese Insel mit zehn bis 12 Meter breiten Rohrgürtel umgeben war, war man da relativ ungestört. Und alles weitere kann man sich denken."
Und dann lassen wir uns bei der kleinen Kahnpartie wieder absetzen, nicht auf die Liebesinsel, sondern gegenüber. Hier steht der letzte noch erhaltene Glindower Ziegelei-Ofen. Heute ein Museum. Der Ofen wird aber von Zeit zu Zeit noch angeworfen, wenn man original Glindower Back-Steine brennt, wenn es um authentische Renovierung an denkmalgeschützten Gebäuden in Potsdam und Berlin geht. Und damit sind wir in der Glindower Ziegelgeschichte. Sie beginnt indirekt mit, Friedrich Barbarossa. Und wir lesen, zusammengefasst:
Zitat: "Friedrich I. bringt von seinen Feldzügen in Oberitalien, wo er u. a. Mailand in Schutt und Asche legt, das nördlich der Alpen unbekannte Rezept der Ziegel-brennerei mit. Und er bringt auch gleichzeitig italienische Spezialisten mit. Sehr grob gerechnet kolonisiert und erobert in gleicher Zeit Albrecht der Bär die Nordmark, das Land der Slawen, das Havelland. Dazu holt man auch die Zisterzienser ins Land. Die Mönche errichten das Kloster Lehnin, etwas 15 Kilometer von Glindow entfernt."
Und diese Zisterzienser Mönche finden, nicht uneigennützig, dann die besonders geeignete Tonerde hier bei Glindow. Und sie zeigen den ärmlichen Fischern, was man aus diesem Ton machen kann. Auch das Kloster Lehnin ist dann, in seiner späteren Ausführung, mit dem sprichwörtlichen Back-Stein errichtet worden.
Wir lesen zu Glindow weiter:
Zitat: "Überall entstanden Ziegeleien, die aber im Besitz von nur vier Familien waren. Und die Millionen von Steinen, die jahraus, jahrein am Ufer des Sees gebrannt wurden, erforderten bald eine Kahnflotte von mehr als 60 Schiffen. "
Und die soziale Entwicklung des Ziegelbooms bezüglich Berlins recherchiert dann auch Fontane. Und speziell sein kritisches Kapitel über Glindow wird in der Literaturwissenschaft besonders hervorgehoben. Der Fontanespezialist Dr. Gotthard Erler ….
Erler: "Fontane hat gerne ein Wort zitiert, das da heißt, man sieht nur, was man weiß. Und Glindow, da gibt es 1870 diesen wunderbaren Aufsatz. Ich halte den Glindow-Aufsatz für eines der bedeutendsten Kapitel in den Wanderungen. Da, da die ganze Spannweite der Kulturhistorie, nämlich der Ziegelbrennerei für das wachsende Berlin-, der enorme entstandene und gewachsene Reichtum bei den Ziegel-Lords, auf der einen Seite, …… und das Elend der Tagelöhner, auf der anderen Seite, zum Vorschein kommt. Und man muss bedenken, das ist 1870 in der Vossischen Zeitung, dass dieser sozialkritische Aufsatz dort veröffentlicht wurde. Und wenig später dann auch in den 3. Band der Wanderungen aufgenommen wird."
… diese Ziegelbarone, die also steinreich geworden sind….
Erler: "Nah, die Herrn hatten natürlich soviel Geld, dass sie nicht nur in Berlin ihre Villen gehabt haben. Einige waren auch noch am Ort des Geschehens in Glindow selbst. Und da beschreibt er diese wunderbaren Parkanlagen, die sie sich angelegt haben. Im Kontrast zu den Lehmkaten der Tagelöhner. Das, was wir heute als die Schere zwischen Reich und Arm bezeichnen, ist in diesem Glindow-Aufsatz vor 140 Jahren geschrieben worden."
Hier, in dieser –heute- so idyllischen Wasserlandschaft hat damals sprichwörtlich "der Schornstein geraucht", real "gerußt". Und Fontane schildert detailliert die 70-Stundenwoche der rund 500 Fremdarbeiter, die aus dem Lipperland angeworben waren und für jeweils ein dreiviertel Jahr im Akkord geschuftet haben. Und er beschreibt auch das Leben der noch erbärmlicheren Tagelöhner aus Glindow. Das große Geld machen die Ziegelbarone und die Besitzer der Schiffs-flotten, die sich ihre Pfründe auch damit absichern, dass sie diskret einem liebestollen Kronprinzen oder preußischem König einen lieblichen Pavillon für romantische Seitensprünge kostenlos in diese Landschaft bauen. Eine Hand wäscht die andere. Und in die vom Backsteinstapeln zerschundenen Hände der Tagelöhner kommen nur ein paar Pfennige an. Und da möchte man abschließend dem Fontane fast eine Girlande aus rotem Klatschmohn und "Vergissmalnicht" winden, für seine Wanderungen …. und abschließend fragen, ist Fontane nicht der Vorgänger oder Vorwanderer des "Sonntagsspaziergangs"?
Erler: "Fontane hat mit Recht immer wieder darauf hingewiesen, er habe keinen Baedeker geschrieben, keinen Reiseführer. Er gehe nicht ganz systematisch vor, sondern wie ein Ährenleser und ein Blumensammler durchs Feld. Da mal eine schöne Blume, da mal eine Ähre, da mal ein Grenzstein. Das findet er, und das beschreibt er."
Und was Fontane vor 140 Jahren am benachbarten Schwielowsee beschrieben hat, …..werde ich nun am Glindowsee auch probieren, Kaffee und Pflaumenkuchen verbringen. Und Fontane hat dann eine Segelpartie unternommen. Ich werde mit Badehose den Glindowsee am Strandbad ausprobieren.