Badeunfälle
Warum in Deutschland so viele Menschen ertrinken

Die Zahl der tödlichen Unfälle in Seen und Flüssen steigt seit Jahren. Auch Kinder gehören zu den Opfern. Experten fordern deshalb mehr Geld für Schulschwimmbäder. Denn die Schwimmfähigkeiten unter Grundschülern sind alarmierend gering.

    Einsatzkräfte von DLRG und Feuerwehr ziehen von einem Boot aus einen glatzköpfigen Mann aus dem Wasser.
    Einsatzkräfte von Deutscher Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der Feuerwehr demonstrieren eine Wasserrettung. Die allermeisten tödlichen Unfälle ereignen sich laut DLRG) in Binnengewässern. (picture alliance / Goldmann / Goldmann)
    Die Düsseldorfer Feuerwehr hatte zwei Tage lang vergeblich nach einem im Rhein abgetriebenen sechsjährigen Jungen gesucht. Am 4. Juli gab die Polizei die traurige Gewissheit bekannt: Das Kind ist tot. Das ist leider keine ungewöhnliche Nachricht, denn jeden Sommer kommt es in Deutschland zu Badeunfällen wie diesen.
    Die Zahl der tödlichen Unglücke in Flüssen, Seen und Meeren steigt von Jahr zu Jahr. Eine der Hauptursachen ist die nachlassende Schwimmfähigkeit in der Bevölkerung. Experten bereitet es deshalb Sorgen, dass in Deutschland immer mehr Schwimmbäder dichtmachen und Schwimmkurse für Schulkinder wegfallen.

    Inhalt

    Was sind die Gründe für Badeunfälle?

    Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hat im vergangenen Jahr 411 tödliche Unglücke in Gewässern verzeichnet. Das sind 31 Todesfälle mehr als 2023. Damit stieg die Zahl der Ertrunkenen in Deutschland das dritte Jahr in Folge. Unter Kindern bis zehn Jahren kam es zu 14 tödlichen Unglücken.
    Die allermeisten Unfälle ereignen sich laut DLRG in Seen, Teichen, Flüssen und Bächen. Denn von solchen Gewässern gehen besondere Gefahren aus. Beispiel Baggerseen: An Abbruchkanten kann deren Boden schlagartig mehrere Meter abfallen.
    Für geübte Schwimmer ist der Schritt ins Leere zwar meist kein Problem, weiß DLRG-Rettungsschwimmer Carsten Rosenberg. Ungeübte oder Nichtschwimmer könnten dagegen schnell in Panik geraten – selbst wenn das Ufer nur wenige Meter entfernt sei. „Da haben wir leider die Gefahr eines schweren Badeunfalls“, sagt Rosenberg.
    Im Frühjahr kann das Baden in Seen generell riskant werden. Denn auch wenn das Wasser in den oberen Schichten schon warm ist, kann in tieferen Schichten noch große Kälte herrschen. Herz-Kreislaufprobleme können die Folge sein.
    Unzureichende Aufsicht ist laut DLRG eine der Hauptursachen für tödliche Unglücke in Gewässern. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister, Peter Harzheim, kritisiert in diesem Zusammenhang unaufmerksame Eltern. „Viele achten nur noch auf ihr dämliches Smartphone, aber nicht auf ihre Kinder. Im Schwimmbetrieb sind die Dinger die Pest“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
    Und die DLRG appelliert an Eltern, stets aufzupassen, wenn Kinder sich am oder im Wasser aufhielten. "Schwimm- und Auftriebshilfen wie Schwimmflügel bieten keinen sicheren Schutz vor dem Ertrinken", so die Organisation für Wasserrettung.
    Alkoholkonsum, Unachtsamkeit und unerwartete Strömungen in Flüssen und am Meer sind demnach weitere potenziell todbringende Gefahren. Die „beste Versicherung“ gegen das Ertrinken ist laut DLRG das Schwimmenlernen. Doch mit den Schwimmfähigkeiten ist es in Deutschland immer schlechter bestellt.

    Wie viele Nichtschwimmer gibt es Deutschland?

    Die jüngsten Zahlen zu den Schwimmfähigkeiten in Deutschland stammen aus dem Jahr 2022, aus einer repräsentativen Befragung der DLRG. Demnach konnten alarmierende 20 Prozent der Grundschüler nicht schwimmen – doppelt so viele wie nur fünf Jahre zuvor. Weit mehr als die Hälfte der Sechs- bis Zehnjährigen konnte nicht sicher schwimmen.
    Sicher schwimmen kann man aus Sicht von Schwimmverbänden erst ab dem Schwimmabzeichen in Bronze, dem Freischwimmer. Ein Seepferdchen, für das Prüflinge sich lediglich 25 Meter über Wasser halten müssen, ist unzureichend.
    Laut DLRG gaben fünf Prozent der Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahren an, Nichtschwimmer zu sein. Das entspricht 3,5 Millionen Menschen in Deutschland.
    Ein Grund für die abnehmende Schwimmfähigkeit ist laut Experten, dass immer mehr Schwimmbäder geschlossen werden. Gab es vor 25 Jahren bundesweit noch rund 7.800 Frei- und Hallenbäder, sind es laut DLRG heute nur noch rund 6.000, die Hälfte davon ist laut den Wasserrettern sanierungsbedürftig. 800 müssten sogar geschlossen werden, wenn in den nächsten zwei Jahren nichts passiere.
    Geschlossen werden Bäder oft wegen klammer Kassen: Manche Kommunen können sich den Unterhalt oder eine Sanierung der Becken und Anlagen schlicht nicht leisten. Die billigste Lösung ist für sie dann oft, ein Schwimmbad einfach dichtzumachen.
    Hinzu kommt Personalmangel. Mehr als 3.000 Bademeister fehlen in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister von 2023. Manche Bäder können deshalb den Betrieb nicht aufrechterhalten, sie werden zeitweise geschlossen.
    Ein weiterer Grund für die geringe Schwimmfähigkeit unter Kindern ist, dass der Schwimmunterricht an Grundschulen längst nicht mehr Standard ist. Oft fehlen dafür schlicht die Schwimmschulbäder. Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder deshalb privat zum Schwimmkurs. Das zeigen eindrucksvoll Zahlen der DLRG: Die Organisation für Wasserrettung hat zuletzt so viele Schwimmabzeichen vergeben wie seit zehn Jahren nicht mehr.
    Doch die Lücke schließen, die durch fehlenden Schulschwimmunterricht gerissen wurde, kann die private Schwimmausbildung nicht. Und für Anfängerkurse gibt es laut DLRG-Präsidentin Ute Vogt zudem lange Wartelisten.

    Wie können die Schwimmfähigkeiten der Bevölkerung verbessert werden?

    Die schwarz-rote Bundesregierung will mindestens eine Milliarde Euro für die Sanierung und Modernisierung von maroden Sportstätten ausgeben. So steht es im Koalitionsvertrag. Ausdrücklich erwähnt sind Schwimmbäder: Die Schwimmfähigkeit der Menschen soll nach dem Willen der Koalitionäre verbessert werden.
    Ob das Geld reicht, ist aber fraglich. Bund, Länder und Kommunen müssten allein für die Schwimmbäder eine Milliarde Euro bereitstellen – und das jährlich für die nächsten zwölf Jahre. Das fordert die Bäderallianz, ein Bündnis von Verbänden aus dem Bereich Schwimmsport und -unterricht.
    Priorität soll demnach die Sicherung des Schwimmunterrichts für Kinder haben. Das Ziel: Ein Schwimmbad, in dem die Schüler mindestens das Bronze-Schwimmabzeichen machen können, in erreichbarer Nähe jeder Grundschule. „Wenn wir wollen, dass Kinder sicher aufwachsen, brauchen wir wohnortnahe, funktionstüchtige Schwimmbäder“, sagt DLRG-Präsidentin Ute Vogt.
    tmk