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Bärenplage in Rumänien

Die letzten großen Braunbärenbestände Europas gibt es in der Ukraine, in Russland und in Rumänien. Doch gerade in Rumänien kann mancherorts keine rechte Freude über die Bären aufkommen. Sie gelten zwar nach wie vor als begehrtes Jagdobjekt; doch zuweilen können sie auch ganz schön lästig sein.

Von Thomas Wagner |
    In der zentralrumänischen Stadt Brasov kommen die Bären aus den umliegenden Gebirgszügen fast jeden Abend in die Wohngebiete am Stadtrand. Dort suchen sie nach Futter - vorzugsweise in den Müllcontainern. Anfangs fanden die Städter das lustig, dann aber waren sie entsetzt. Denn einer der Bären war an Tollwut erkrankt und fiel eine Reihe von Passanten an. Zwei starben an den Folgen der Attacke. Nun versucht die Stadt Herr der Bärenplage zu werden - einer Plage, die Experten mittlerweile auf unbedachte menschliche Eingriffe in die Natur zurückführen.
    In den kalten Wintermonaten ist nicht viel los rund um den kleinen Kiosk . Den betreibt Maria Bogdan im Stadtteil "Valea Cetati", direkt am Stadtrand von Brasov . Ein paar Männer trinken nach der Arbeit Kaffee und Bier, einer blickt erwartungsvoll auf den Hügel hinter der Straße. Von dort erhält die Stadt regelmäßig ungebetenen Besuch, weiß die Kiosk-Betreiberin Maria:

    "Vor zwei Tagen war der letzte Bär da. Er kam vom Berg herunter und hat die Müllcontainer nach etwas Essbarem durchwühlt. "

    "Manchmal , wenn es etwas wärmer ist, kommen die Bären gleich rudelweise hierher. Und sie haben immer die Container durchgewühlt. Das war wirklich drollig: Da kamen kleine Bären, große Bären und Bärenmütter mit ihren Jungen. "

    Schon seit Jahrzehnten gehören die Bären zum Erscheinungsbild in den Randbezirken von Brasov. Für Experten wie den Wildbiologen Professor Aurel Negruitiu von der "Universitatae Transsilvania Brasov" ist das ein Zeichen dafür, dass das Öko-Gleichgewicht rings um die alte siebenbürgische Industriestadt längst aus den Fugen geraten ist:

    "Ceausescu, der frühere rumänische Diktatur, war höchstpersönlich an einer möglichst hohen Bärenzahl interessiert. Er war wie verrückt auf die Jagd nach Bären. Außer ihm, das war ein Gesetz, durfte niemand Bären schießen. Alles war darauf ausgerichtet, den Bärenbestand zu erhöhen. Einen Bären zu schießen, galt damals als Schwerverbrechen. "

    Ergebnis: Anfang der 50er Jahre wurden etwa 1000 Braunbären in Rumänien gezählt; derzeit ist von 5000 die Rede - 5000 Braunbären, die nach Nahrung suchen, wenn es sein muss, eben auch in den Müllcontainern von Brasov. Das treibt mittlerweile seltsame Blüten: Geschäftstüchtige Rumänen locken die Tiere mit Schokolade in die Stadt und führen gegen entsprechendes Entgelt Touristen zu den Bären, die in immer größerer Zahl auftauchten - eine gefährliche Entwicklung: Ein Bär, der an Tollwut erkrankt war, fiel schließlich eine Gruppe von Passanten an. Elf erlitten schwere Verletzungen, zwei Menschen verloren dabei ihr Leben. Doch wie die Bärenplage eindämmen? Der Stadtrat von Brasov sann auf Abhilfe - und erfand die wohl modernste Müllabfuhr Osteuropas. Flavius Babulescu von der Stadtverwaltung Brasov:

    "Jeweils um 20 Uhr werden alle Müllcontainer in den betroffenen Stadtteilen geleert, und zwar jeden Abend. Danach darf dort bis zum Morgen kein Müll mehr hineingeworfen werden. Außerdem werden diese Container jeden Abend mit Chlor desinfiziert. Damit wollen wir verhindern, dass die Bären irgendwelche Nahrungsreste wittern können. "

    Daneben schwärmen städtische Bedienstete täglich im die Wälder rings um Brasov aus, um dort Süßigkeiten zu deponieren. So wollen sie die Bären von der Stadt weglocken. Außerdem hat der Stadtrat den Bürgern untersagt, die Tiere anzufüttern, um Touristen zu ihnen zu bringen. Ob diese Maßnahmen Erfolg haben, werden erst die kommenden Monate zeigen. Wildbiologe Negrutiu zeigt sich skeptisch.

    "Die Naturschützer hier im Land fordern, dass man den Bestand der Braunbären durch Abschuss so weit herabsetzt, dass der Mensch zukünftig nicht mehr eingreifen muss. Ich glaube allerdings, dass diese Maßnahme nicht richtig wäre. Vor ein paar Jahrzehnten hätte das vielleicht noch Sinn gemacht, heute aber nicht mehr. Heute müssen wir im Rahmen eines umfangreichen Naturmanagements ständig den Bestand kontrollieren und ständig überlegen, ob der Braunbär als seltene Tierart gerade gehegt oder in seinem Bestand reduziert werden muss. In einer Zeit, in der der Mensch ohnehin in alle Bereiche der Natur eingreift, können wir die Sache mit dem Braunbären nicht mehr dem Zufall überlassen. "