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Bäume gegen den Klimawandel
Zunehmende Waldbrandgefahr gefährdet Erfolg von Aufforstungen

Im Rahmen des Green Deals sollen in der EU bis 2030 mindestes eine Milliarde Bäume als natürliche Speicher für Kohlendioxid gepflanzt werden. Vor dem Hintergrund eines steigenden Waldbrandrisikos in Europa sehen Forscher die flächendeckende Aufforstung jedoch kritisch - und raten zu weiteren Maßnahmen.

Von Volker Mrasek | 27.04.2021
Eichensetzlinge werden in den Boden gepflanzt.
Die Pflanzung von Bäume soll helfen, den Klimawandel zu aufzuhalten (Ludger Fittkau)
Zuletzt traf es Portugal und Griechenland besonders schwer. In diesen beiden Ländern kam es in den zurückliegenden Sommern zu verheerenden Waldbränden. Das Risiko für derartige Feuer in Europa werde noch zunehmen, sagt Virgilio Hermoso aus dem Katalonischen Zentrum für Forstwissenschaft und -technologie:
"Nach den meisten Klima-Szenarien ist für ganz Europa zu erwarten, dass die Temperaturen weiter steigen und Trockenperioden zunehmen. Das bedeutet: Wir werden häufiger Wetterbedingungen erleben, die Waldbrände begünstigen und die dazu führen, dass Feuer leichter entstehen und sich stärker ausbreiten können."
Von Flächenbränden im Wald hört man bisher vorwiegend aus dem Mittelmeer-Raum. Doch das werde sich ändern, schreiben Hermoso und andere spanische Forscher jetzt in einem Artikel für die Fachzeitschrift "Global Change Biology":
"Wir erwarten, dass Wälder auch in höheren Breiten Zentraleuropas häufiger in Brand geraten werden. Das Feuerrisiko wächst zum Beispiel auch auf dem Balkan, in Frankreich und in Süd- und Südwestdeutschland."

"Baumpflanzungen nicht die einzige Option"

Milliarden Bäume zu pflanzen und Wälder neuaufzuforsten, wie es jetzt auch die EU-Kommission vorhat – in Zeiten zunehmender Megafeuer sei das ein zweischneidiges Schwert, warnt Umweltwissenschaftler Hermoso. Denn die zusätzlichen Speicher für CO2, die man sich wünscht, könnten sich frühzeitig in Rauch auflösen. Wenn Wälder und ihr ganzes Baumholz verbrennen, entweicht das Treibhausgas wieder in die Luft, der positive Effekt fürs Klima ist dahin:
"Wir werden vielleicht große, zusammenhängende Landstriche schaffen, die nur noch Wald tragen – und dann umso anfälliger für Feuer sind, die sich darin ausbreiten. Wenn unser Ziel ist, so viel CO2 wie möglich aus der Atmosphäre zu holen, dann sind Baumpflanzungen nicht die einzige Option. Wir sollten auch andere Habitate renaturieren, die viel Kohlendioxid speichern, zum Beispiel Graslandschaften und Feuchtgebiete. Und zwar vor allem dort, wo die Feuergefahr hoch ist! Wenn wir uns nur auf das Pflanzen von Bäumen konzentrieren, dann fördern wir brennbare Landschaften."
Nötig sei ein durchdachter Plan, aber auch ein solides Feuer-Management in Europas Wäldern. In den Mittelmeerländern existiert so etwas. Dort lichtet man Waldbestände aus, damit sie nicht so viel brennbares Baumholz enthalten, und man schafft Schneisen im Forst, an denen sich Feuersbrünste totlaufen. Ohne solche Strategien ist der Nutzen massiver Aufforstungen in Europa für Virgilio Hermoso fraglich: "In den nördlichen Ländern Europas ist man es noch nicht so gewohnt, mit Waldbränden umzugehen. Da empfiehlt es sich, vom Süden zu lernen. Denn dort hat man schon große Erfahrung damit."

Positive Wirkung von Waldbränden auf CO2-Speicherung

Wenn sie nur selten auftreten, können sich Feuer dagegen sogar positiv auf die CO2-Speicherung im Wald auswirken. Das schildern kanadische und US-amerikanische Forscherinnen jetzt im Fachmagazin "Science". In Alaska wurden Fichtenwälder demnach mit der Zeit von Birken und Zitterpappeln erobert, da sich ihre windgetragenen Samen in der verbrannten Erde viel besser entwickelten als die der Fichten.
In den Wäldern stecke heute fünfmal mehr Kohlenstoff als früher, vor den Feuern, sagt Michelle Mack, Professorin für Ökologie an der Northern Arizona University in den USA: "Lange Zeit dachten wir, dass mit Waldbränden auch die Kohlenstoff-Verluste zunehmen. Aber hier haben wir ein Beispiel, in dem Bäume die Verluste mehr als nur ausgleichen und so der Klimaerwärmung entgegenwirken."
In Kanada und Ostsibirien gebe es ähnliche Beobachtungen. Allerdings hat die Verwandlung in kohlenstoffreichere Bestände Jahrzehnte gedauert, in denen es nicht mehr brannte. Inzwischen häufen sich Feuer auch in den Wäldern rund um den Polarkreis.