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Bahn gegen Blogger

Die Blogger geraten ganz schön unter Druck, wenn Sie sich mit den Konzernen anlegen. Das hat auch einer der bekanntesten Datenschutz-Blogger diese Woche zu spüren bekommen, der den Untersuchungsbericht des Berliner Datenschutzbeauftragten über den Skandal bei der Bahn in Gänze publizierte.

Von Wolfgang Noelke | 07.02.2009
    Das Memorandum des Berliner Datenschutzbeauftragten Dr. Alexander Dix liest sich wie ein Agentenkrimi: Welche Bahn-Mitarbeiterin mit dem phantasievollen Namen "Rubens" gemeint ist und ausgeforscht werden sollte, ist ebenso wenig bekannt wie die Bezeichnungen "Eichhörnchen", "Uhu" oder "Twister" - also Wirbelwind. Der Wirbel entstand erst, nachdem bereits verschiedene Medien auszugsweise Einzelheiten veröffentlichten, aus dem immerhin acht Seiten starken Memorandum, in dem die angeblichen Datenschutzverletzungen der Bahn- AG in nüchternen Sätzen aufgezählt sind. Der Blogger Markus Beckedahl veröffentlichte am letzten Samstag kurzerhand die acht Seiten komplett:

    "Das Memo ist schon durch die Medien gegeistert, die daraus zitiert haben und ich hielt es trotzdem für relevant, es zu publizieren in seiner Ganzheit, damit jeder sich selbst eine Meinung bilden kann. Ich glaube, dass dieses klassische Vorfiltern von Journalisten nicht mehr ganz zeitgemäß ist für unsere vernetzte Kommunikationsinfrastruktur und ich bin der Meinung, dass sich jeder aufgeklärte Bürger auch ein eigenes Bild der Realität verschaffen können sollte. Und dafür braucht man Originaldokumente und wenn die schon vorliegen, dann sollte man sie auch ins Netz packen, denn das Netz hat noch genug Platz."

    Am Mittwochabend sendete ein Rechtsanwalt der Bahn- AG per E-Mail eine juristische Abmahnung, die den erstaunten Blogger dazu aufforderte, das Dokument umgehend aus dem Netz zu entfernen. Doch der weigerte sich beharrlich. Am Tag bevor sich die Bahnvorstände plötzlich dazu entschieden, den Blogger juristisch nicht mehr zu belangen, erhielt Markus Beckedahl die Abmahnung auch noch per Post. Warum die Bahn-Juristen ihre Meinung änderten, wollte der Konzernsprecher nicht sagen - und verweigerte auch eine kurze Stellungnahme für's Mikrofon des Deutschlandfunk. So bleibt nur die Vermutung, dass die Juristen des durch die Datenschutz- Diskussion sowieso bereits unfreiwillig ins öffentliche Blickfeld geratenen Konzerns, zusätzlichen Diskussionsstoff vermeiden wollten. Markus Beckedahl:

    "Ich hab dann die Abmahnung abgetippt und in meinem Blog reingestellt und über den Mikroblogingdienst twitter um Hilfe gefragt. Sofort ging ein Tsunami an Solidarität und Weiterverbreiten aus und es hörte gar nicht mehr auf, dass Menschen über twitter meinen Hilferuf weiterleiteten in ihre sozialen Netzwerke und Kontakte und immer mehr Blogs drauf einstiegen. Gleichzeitig dauerte es zwei bis drei Stunden, nachdem bereits 50 Blogs darüber berichtet hatten, dass die ersten Online-Medien darauf eingestiegen sind. Abends stand es schon auf "Spiegel Online" und ab Mittwochmorgen stiegen dann die klassischen Medien ein und heute steht's in verschiedenen gedruckten Zeitungen."

    Der Deutsche Journalisten Verband DJV unterstützt die Beharrlichkeit des Bloggers, da laut DJV- Sprecher Hendrik Zörner auch der klassische Journalismus bereits leide unter der neuen Überwachungslust unseres Staates – und dieser habe eine Vorbildfunktion in vielen Unternehmen – wenn auch, in diesem Fall eine bedenkliche:

    "Wir haben in den letzten Jahren auch große Probleme gehabt mit den Überwachungen von Journalisten, aber auch von Mitarbeitern durch die Deutsche Telekom. Wir haben die Schnüffeleien, die durch gesetzliche Neuregelungen jetzt möglich geworden sind. Ich erinnere an die Telekommunikationsdaten-Überwachung und an die Vorratsdatenspeicherung und letztlich auch an die Onlinedurchsuchung von Computern. Das alles ist jetzt gesetzlich möglich. Da hat sich eine Schnüffelkultur breitgemacht, die für die Pressefreiheit in Deutschland, aber auch für das politische Klima in Deutschland nicht förderlich ist."

    So verlagere sich langsam ein Teil demokratischer Aufgaben auf die Netzgemeinschaft, ist die Auffassung des Bloggers Beckedahl - und angesichts des aktuellen Beispiels ließe sich so eine Veröffentlichung brisanter Dokumente nicht mehr so leicht durch Beschlagnahmeaktionen in einer Redaktion verhindern oder durch schlichte Drohung an einen unbekannten Blogger oder durch an einen Verlag gerichteten Anzeigenboykott.

    "Andererseits weiß ich auch nicht, was passiert wäre, wenn ein journalistisches Medium, also ein klassischer alter Verlag dieses Papier in Gänze publiziert hätte. Gleichzeitig zeigen aber die Reaktionen auf diesen ganzen Fall, dass der Ruf von sozialen Medien und die Vernetzung der ganzen Blogger und Twitterer besser ist als ihr Ruf."